Übersetzen Literaten unserer Zeit generell anders als Übersetzer ohne den Hintergrund einer eigenkreativen literarischen Erfahrung? Gibt es den oft behaupteten spezifisch literatenhaften Zugriff der Dichter-Übersetzer auf das Original? Diese Fragen erörtert die vorliegende Studie anhand eines repräsentativen Fallbeispiels. Sie vergleicht Molières Misanthrope mit sieben neueren Verdeutschungen aus Schriftstellerhand, nämlich den Versionen von R. A. Schröder, H. Weigel, W. Deichsel, K. Bartsch, H. M. Enzensberger, H. Meier und B. Strauss. Die Analyse ergibt, daß die übersetzenden Literaten die textlichen Mikrostrukturen ungeniert zum ausgedehnten Aktionsfeld ihrer Autorenkompetenz machen. Unberührt von modernen Übersetzungsidealen, die den Übersetzer zur Zurückhaltung verpflichten, bringen sie namentlich im Bereich des Sprachlich-Stilistischen ihre eigenen Schreibgewohnheiten und -attitüden ein.