Das Cover von, "Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen" von Anna Brüggemann finde ich leider völlig nichtssagend. Ganz im Gegensatz zum Titel, unter dem ich mir erst nichts vorstellen konnte, der mich aber neugierig auf das Buch gemacht hat. Es geht um Mütter, Töchter und Schwestern. In diesem
Roman um Regina und ihre Kinder Antonia und Wanda. Der liebe aber stille und untergeordnete Ehemann…mehrDas Cover von, "Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen" von Anna Brüggemann finde ich leider völlig nichtssagend. Ganz im Gegensatz zum Titel, unter dem ich mir erst nichts vorstellen konnte, der mich aber neugierig auf das Buch gemacht hat. Es geht um Mütter, Töchter und Schwestern. In diesem Roman um Regina und ihre Kinder Antonia und Wanda. Der liebe aber stille und untergeordnete Ehemann und Vater Edgar gerät zu einer Nebenfigur. Die Handlung umfasst etwas über zwanzig Jahre und beginnt mit der Abiturfeier von Antonia, der älteren Tochter, im Jahre 1998. Äußerlich sind sie eine gut situierte und gesellschaftlich anerkannte Bilderbuchfamilie, deren Schein jedoch trügt. Regina, die ein Leben lang darunter gelitten hatte, dass sie von ihren Eltern nicht genug gefördert wurde, obwohl sie dennoch ein Psychologiestudium erfolgreich absolvierte und seit vielen Jahren eine eigene Praxis hat, ist der Chef im Ring. Mit unerbittlicher Verbissenheit will sie ihre Töchter perfektionieren, ungeachtet derer Möglichkeiten, Interessen und Charaktere. Antonia widersetzt sich ihren Ansprüchen, Wanda ergreift jede Möglichkeit ihrer Mutter und der Welt zu gefallen. Beide jungen Frauen sind unglücklich, wobei es Antonia allmählich gelingt, sich mehr und mehr von den Vorstellungen Reginas über die Zukunft ihrer Tochter zu distanzieren. Sie bricht ihr Studium ab, beginnt eine Lehre und bekommt ein uneheliches Kind. Zum Glück hat Regina ja noch Wanda, in der sie ihr "junges Ich" sieht und die sich bald wie in einem Hamsterrad dreht um allen Anforderungen gerecht zu werden. Schließlich will die Mutter doch nur das Beste, oder? Regina, die sich augenscheinlich um ihre Kinder sorgt und sie fördert, fördert, fördert, soll stolz auf Wanda sein können. Das krampfhafte Streben nach Erfolg und äußerlicher Perfektion treibt die jüngere Tochter recht schnell in eine Essstörung. Angst, Überforderung, Unsicherheit und Stress beherrschen den Alltag und sind ein schier unerträgliches Wechselbad der Gefühle von allen drei Frauen. Damit erklärt sich vielleicht auch der Titel, der in einem kurzen Kapitel aber auch nicht erläutert wird. Für mich steht er für innere Zerrissenheit, für den Kampf gegen das eigentliche Naturell, für das Abtöten der eigenen Identität. Dämonen kommen meist in der Dunkelheit, in der Nacht. Am Tag funktionieren die konditionierten Mechanismen. Anna Brüggemann hat einen außergewöhnlich guten Roman geschrieben. Die Thematik ist nicht neu, Mütter und Töchter und Schwestern, die miteinander um die Gunst der Mutter konkurrieren. Die Autorin versteht es aber meisterhaft die Leserschaft zu fesseln. Ihr Sprachstil ist klar und flüssig und ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Manchmal empfand ich es als ein wenig zu langatmig, das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau. Irritiert war ich ein/zwei Mal durch die Ausdrucksweise. Was bitteschön ist denn "ein sportliches Gesicht" und was ist "ein weibliches Gähnen"? Da musste ich schon schmunzeln. Alles in allem ein sehr lesenswertes Buch, das in mir noch nachhallen wird. Zum Schluß verweise ich auf das wunderbare Gedicht von Khalil Gibran: "Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber..."