In den Erzählungen von Monique Schwitter wird gespielt, sehr ernst und auf hohem Niveau; ihre Personen wissen, dass sie spielen auch wenn sie es ernst meinen. Sie können gar nicht anders: das Als-ob ist ihnen zur Notwendigkeit geworden, egal ob es um sexuelles Begehren geht oder um anderes, egal ob sie ihre eigene Ironie durchschauen oder nicht. Die Intelligenz, mit der Monique Schwitter diese ernsthaften und manchmal durchaus heftigen Simulationen transparent macht, ist so groß wie das Vergnügen, das die Lektüre bereitet. Diese Geschichten sind geschrieben mit einem unerbittlichen Auge für Situationen, in denen alles offen ist und aus denen noch alles werden kann, und mit dem scharfen Gehör für die Sätze, die Menschen im Offenen miteinander wechseln. Zwei junge Frauen auf einer Parkbank, eine Rotweinflasche, und zwischen ihnen ein offenes Schweizermesser. Sie denken sich Indianernamen füreinander aus und die Frage »Sag mal, wieviel Erfahrung hast du eigentlich mit Frauen« hängtin der Luft. Oder: Eine Frau kehrt auf Weihnachtsurlaub in die Heimatstadt zurück; diesmal erwartet sie ein anonymer Brief mit einer Verabredung im Zoo, »wenns schneit beim Krokodil, sonst beim Kamel«. Alle möglichen Absender passieren vor ihrem inneren Auge Revue und damit auch alles, wofür Heimat steht, ein ganzes »Erinnerungspaket« aus Kindheit, Jugendzimmer, Lehrerin, Männern. Oder: Eine Autofahrt mit einem fremden Mann in einem fremden Land, sie fotografiert durch die verschmierte Scheibe die Straße voller plattgefahrener Tiere, »soundsoviel Katzen, Frösche, Füchse, Marder, Vögel.« Eine schonungslose und neugierige neue Erzählerin, und die Erzählungen sind ihre Sonden, mit denen sie das Unbekannte abtastet.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Samuel Moser fühlte sich irritiert, dass Monique Schwitter in ihrem Erzählband "Wenn?s schneit beim Krokodil" auf das Kunstprinzip Apathie setzt. Nur aus dem Mangel an Emphase lässt sich auf die Heftigkeit der Affekte schließen, gemäß dem vom Rezensenten gleich am Ende des ersten Absatzes aufgestellten Grundsatz: "Texte sind Spiegel, in denen nicht das zu sehen ist, was sich in ihnen spiegelt." Schwitters Geschichten, schreibt Moser, "geben niemals Ruhe". Das hat den Rezensenten spürbar beeindruckt; die Irritation, die er empfunden hat, teilt sich auch dem Leser seiner Kritik mit, die verschwiegene Aura des Geheimnisvollen, auch Unbarmherzigen. Im "Mützenmärchen" kommt zusammen, was das Thema aller Erzählungen des Bandes ist: als "grandioses Spiel" mit den Motiven "Täuschung, Spiegel und Glas" würdigt sie der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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