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'Es hat sich jedes Mal gelohnt, zäh, unbeirrbar und prinzipienstark zu sein. Hat man einmal begriffen, in welche Richtung die Suche nach der Lösung gehen muss, darf man die Richtung auch nicht wechseln. Ich habe versucht durch Argumente zu überzeugen, durch einen Appell an pragmatisches Handeln, Sachlichkeit und Mitempfinden. Und ich lernte es an fast jedem Tag: Wer nicht kämpft, hat schon verloren.' (Rita Süssmuth)

Produktbeschreibung
'Es hat sich jedes Mal gelohnt, zäh, unbeirrbar und prinzipienstark zu sein. Hat man einmal begriffen, in welche Richtung die Suche nach der Lösung gehen muss, darf man die Richtung auch nicht wechseln. Ich habe versucht durch Argumente zu überzeugen, durch einen Appell an pragmatisches Handeln, Sachlichkeit und Mitempfinden. Und ich lernte es an fast jedem Tag: Wer nicht kämpft, hat schon verloren.' (Rita Süssmuth)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.11.2000

Die Widerspenstige
Rita Süssmuth hadert mit den Politikern, nicht mit der Politik
RITA SÜSSMUTH: Wer nicht kämpft, hat schon verloren; Meine Erfahrungen mit der Politik, Econ Verlag, München 2000. 281 Seiten, 39,90 Mark.
Wer ein Buch über das harte Los der Frauen in der Politik erwartet hat, der wird enttäuscht. Rita Süssmuth beschreibt den Kampf zwischen Sach- und Machtpolitik (wobei es in Reinkultur weder das eine noch das andere geben dürfte). Viele Sätze, welche die ehemalige Parlamentspräsidentin aufgeschrieben hat, könnten ebenso gut von Heiner Geißler stammen. Etwa, wenn sie ihre Isolation in der Partei und im Parlament beschreibt, weil sie ihren innerparteilichen Gegnern wieder einmal „zu wenig konservativ, zu wenig parteikonform” erschien, ihre Ideen „zu unangepasst und daher lästig” waren. „Dass ich nach einer modernen Demokratieauffassung handelte, die auch den politischen Gegner gelten lässt, hielt man für weltfremd und für machtpolitisch töricht. ”
Rita Süssmuths politische Zeitreise beginnt mit der Debatte um Hans Haackes Kunstprojekt „Der Bevölkerung” im nördlichen Lichthof des Berliner Reichstagsgebäudes. Obwohl sie im Parlament mit einer Abstimmungsniederlage rechnen musste, wollte sie sprechen. „Ich ahnte nicht, wie schwer das werden würde”, schreibt sie: „Aus der eigenen Fraktion begegneten mir, schon als ich von meinem Platz im Saal aus die Debatte verfolgte, keine Sympathien. Ich spürte keine unterstützende Regung, mit der einen Ausnahme der Abgeordneten-Kollegin Renate Blank, neben der ich saß. ” Und an anderer Stelle schildert sie im Zusammenhang mit Christos Plan zur Reichstagsverhüllung, wie Wolfgang Schäuble sie vor der Fraktionssitzung auf dem Flur festhielt, um ihr klarzumachen: „Ihr Einsatz für dieses Christo-Projekt, aussichtslos. Das verfolgen Sie nicht weiter. ” Die Mechanismen, mit denen unabhängige Köpfe auf Kurs gebracht werden sollen, sind hinlänglich bekannt. Aber spannender als alle Theorie ist Rita Süssmuths sehr konkrete Beschreibung dieser Versuche, sie mundtot zu machen, so dass sie sich in schlaflosen Nächten manchmal selber fragt: „Lohnt es sich, so gegen den Strom zu schwimmen?”
Wenn sie nicht offen für eine Sache eintreten konnte, von der sie überzeugt war, dann musste sie „neue Strategien finden, es eine Weile lang im Verborgenen tun – wie ein Maulwurf”. Es habe kaum einen Kampf in ihrem politischen Leben gegeben, schreibt sie, bei dem sie auf Anhieb gesiegt habe. „Fast alle Erfolge waren das Ergebnis zäher Prozesse, hartnäckigen Dranbleibens, strategischer Flexibilität. ” Etwa in der Aidspolitik, wo der CSU-Politiker Peter Gauweiler zunächst mit seinen populistischen Vorstellungen von Zwangstests, Ausgrenzung durch systematische Kontrollen und Isolationsquarantäne auf Resonanz im Kanzleramt stieß. Zum „Schlüsselerlebnis” wurde für die Familien- und Gesundheitsministerin, die Rita Süssmuth damals war, der 17.  Februar 1987 im Kanzleramt. Gegen Mitternacht langte die Runde beim Tagesordnungspunkt „Aids” an. Süssmuth als zuständige Ministerin hatte sich intensiv vorbereitet. „Da erteilte Kohl vom Kopf des Tisches aus nicht mir, sondern Peter Gauweiler das Wort!” Gauweiler, damals noch Minister in Bayern, attackierte ihre „abwegige” Politik der Prävention, vor allem die Kondom-Kampagne. „Diese Nacht mit Gauweiler war eine Lektion für mich zum Thema Macht und Willkür”, schreibt die Autorin. Kohl teilte die Rollen zu, und wer zu weit ging bei der Verteidigung der eigenen Position, „der musste auf der Hut sein. Man wusste nie, was folgen würde”.
Süssmuth beschreibt, wie scheinbar wenig politikgeeignet ihre akademischen und logischen Vorstellungen von Problemlösung waren. Und doch hat der Leser am Ende den Eindruck, dass sie mit ihrer von Rationalität geprägten Arbeitsmethode durchaus etwas umsetzen konnte – wenn auch nicht in Macht, so jedenfalls in politischen Einfluss. Sie erzählt, wie sie ein zweites Mal „reden lernen muss”, weil es weder für Winzer noch für Studenten bei politischen Veranstaltungen selbstverständlich ist, eine Ministerin ausreden zu lassen. Ausreden ließen sie häufig genug auch die Medien nicht. „Das Phänomen Kohl” mag das meist gelesene Kapitel im Buch der Ex-Bundestagspräsidentin sein. Ob es auch das Spannendste ist, muss jeder Leser selbst entscheiden. Vieles, was in der tagesaktuellen Diskussion untergegangen ist, enthält der Abschnitt „Vom Geist unter der Kuppel”. Hier geht es nicht nur um Hans Haackes „Erdtrog” und seine Botschaft für das 21.  Jahrhundert, sondern auch um die grundsätzliche Frage nach der Bedeutung von Kunst im öffentlichen Raum – eine Frage, die im politischen Alltag immer noch eine bedauernswert untergeordnete Rolle spielt.
Rita Süssmuth gilt als entmachtet in ihrer Partei und in der Politik. Nach der Lektüre ihres Buches darf man gespannt sein, welche neuen Maulwurf-Strategien sie in ihrer Funktion als Vorsitzende der Zuwanderungskommission der Regierung verfolgt.
BIRGIT MATUSCHECK
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kritik an Süssmuths Selbstdarstellung klingt bei Birgit Matuschek nicht an, eher Verständnis für jemanden, der seine Isolation in der eigenen Partei beschreibt und dennoch die Fortsetzung seiner Politik mit rationalistischen Mitteln preist. Für Süssmuth heißt das Überzeugungsarbeit leisten, im Offenen und im Verborgenen. Erfolge habe sie auf Anhieb nie verzeichnen können, zitiert Matuschek die ehemalige Bundestagspräsidentin, die auf hartnäckiges Verhandlungsgeschick setzte. Dabei stieß sie immer wieder auf heftigen Widerstand in der eigenen Partei: ob in der Aidspolitik, wo sie als Familien- und Gesundheitsministerin gegen Peter Gauweilers populistische Forderungen antreten musste, oder als Bundestagspräsidentin, die sich für Christos Reichstagsverhüllung gegen den Willen ihrer Fraktion stark machte. "Spannender als alle Theorie ist Rita Süssmuths sehr konkrete Beschreibung dieser Versuche, sie mundtot zu machen", schreibt Matuschek. Für die Rezensentin bringt das Kapitel über "Das Phänomen Kohl" nicht unbedingt etwas Neues; sie haben Süssmuths Ausführungen über die Bedeutung der Kunst im öffentlichen Raum (am Beispiel von Haackes "Erdtrog") inhaltlich mehr überzeugt.

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