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Der »Offene Brief« - Tradition und Gegenwart einer brisanten publizistischen Form.Die Anthologie begleitet eine Ausstellung über den Offenen Brief in den Museen für Kommunikation in Nürnberg (27.6.-28.10.2007) und Frankfurt am Main (28.11.2007-20.1.2008).Selbst Angela Merkel schreibt Offene Briefe - an die »Lieben Bürgerinnen und Bürger«. Doch dieses Instrument der politischen Meinungsbildung ist nur die Schwundstufe einer ebenso spannenden wie einflussreichen publizistischen Form.Wie Autoren Offene Briefe einsetzten, um zu ehren, zu schmähen, zu mahnen, zu bekennen oder sich wichtig zu…mehr

Produktbeschreibung
Der »Offene Brief« - Tradition und Gegenwart einer brisanten publizistischen Form.Die Anthologie begleitet eine Ausstellung über den Offenen Brief in den Museen für Kommunikation in Nürnberg (27.6.-28.10.2007) und Frankfurt am Main (28.11.2007-20.1.2008).Selbst Angela Merkel schreibt Offene Briefe - an die »Lieben Bürgerinnen und Bürger«. Doch dieses Instrument der politischen Meinungsbildung ist nur die Schwundstufe einer ebenso spannenden wie einflussreichen publizistischen Form.Wie Autoren Offene Briefe einsetzten, um zu ehren, zu schmähen, zu mahnen, zu bekennen oder sich wichtig zu machen, wie sie durch die Publikation der Briefe Ruhm oder Schande auf ihre Häupter häuften, wie erfolgreich oder erfolglos ihre Schreiben waren, zeigt diese Sammlung von 28 Beispielen aus fünf Jahrhunderten.Da hetzt Thomas Müntzer zum Kampf auf, Heinrich Heine macht sich über das Verbot des »Jungen Deutschland« lustig, Heinrich Mann fordert von Reichskanzler Gustav Streseman »Diktatur der Vernunft«, Bertolt Brecht warnt vor der Wiederbewaffnung, und Ulrike Meinhof konfrontiert die Schahgemahlin Farah Diba mit der persischen Wirklichkeit.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Rolf-Bernhard Essig, geb. 1963, ist Autor, Kritiker, Moderator und Dozent. Veröffentlichungen u.a.: »Der offene Brief: Geschichte und Funktion einer publizistischen Form von Isokrates bis Günter Grass« (2000); »Schreiberlust und Dichterfrust. Kleine Gewohnheiten und große Gewohnheiten der Schriftsteller« (2007). Link: www.schuressig.de

Reinhard M. G. Nickisch, geb. 1933, war von 1968 bis 1998 Dozent für Neuere deutsche Literatur an der Universität Göttingen. Gastprofessuren in Urbana-Champaign/USA und Genf. Resident der Rockefeller Foundation in Bellagio/Italien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.01.2008

Nichts in der Post heute!
Der offene Brief: Eine Frankfurter Ausstellung beleuchtet das Zwitterwesen aus Papier
Von dem offenen Brief, dessen Adressat er war, erfuhr manch einer erst aus der Zeitung. Und mochte die diskrete Form brieflicher Zwiesprache, von der vertrauten Anrede mit „Lieber Herr Walser” oder „Mein lieber Günter Grass” bis zur freundlichen Schlussformel, auch noch so sehr die intime Situation eines vor fremden Blicken geschützten Zwiegesprächs vortäuschen: Im Nu standen das derart Mitgeteilte und sein Adressat im grellen Licht der Öffentlichkeit. Vom kalkulierten Spiel mit der voyeuristischen Offenlegung eines Mediums der Intimität lebt diese Textsorte, die als Träger von Kampfansagen an die Mächtigen und Anklagen unerträglicher Zustände vor allem von Intellektuellen gepflegt worden ist. Das Medium, in dem der offene Brief gedeiht, ist die Presse, sein materieller Träger nicht das Briefpapier, sondern das bedruckte Papier.
Einen weiten Bogen, der von den lutherischen Flugschriften bis in die Gegenwart reicht spannt eine Ausstellung im Frankfurter Museum für Kommunikation. Kuratiert von Rolf-Bernhard Essig, werden sechzig prominente Beispiele – unter den Verfassern sind Heinrich Heine, Thomas und Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht, Alfred Döblin und Günter Grass, Martin Walser und Ulrike Meinhof – aus der großen Bandbreite einer Textsorte präsentiert, die einem Chamäleon gleicht. Indem sie ihr Anliegen personalisieren, oft simplifizieren, vor allem aber skandalisieren, haben offene Briefe manchmal die Wirkungen von Erdrutschen gehabt, die man dem schlichten Spaltensatz ihrer Erstdrucke kaum zutrauen möchte.
Ein wie eine Plakatwand mit Bildern und Texten beklebter Pfeiler hinter einem simulierten kleinen Kaffeehausensemble vermittelt dem Besucher in der Mitte des Ausstellungsraums einige Impressionen von jenem wirkungsmächtigsten aller offenen Briefe, den Emile Zola vor 110 Jahren, am 13. Januar 1898 unter der Schlagzeile „J’accuse” in der Zeitung „L’Aurore” publizierte.
Der Adressat antwortet nicht
Am Tisch selbst kann man in Zeitungen und Zeitschriften blättern, die in Klemmhaltern von einem Garderobenständer herabhängen. Als Faksimiles sind darin einige aufsehenerregende offene Briefe der letzten Jahrzehnte nachzulesen, mitsamt dem, was damals daneben und auch sonst noch in der Zeitung stand. Erfreulicherweise belässt es die Ausstellung nicht bei der bloßen Präsentation und Kommentierung papierener Zeugnisse, sondern bringt auch die zugehörigen Kontexte zur Anschauung. Das führt zu überraschenden Einsichten und schlagartigen Konstellationen, wie sie die bloße Bekanntschaft mit unzählige Male nach- und wiederabgedruckten Texten niemals vermitteln könnte.
So wird in der Gegenüberstellung des ganz persönlichen Briefs, den Klaus Mann im Mai 1933 an Gottfried Benn richtete, mit jenem „offenen” Brief, den der Empfänger daraufhin als „Antwort an die literarischen Emigranten” im Rundfunk verlas und der zugleich als Aufmacher einer Tageszeitung erschien, die Perfidie des Verfahrens deutlich: In Benns Antwort kommt Klaus Manns Name gar nicht mehr vor, und der Absender des Briefs, auf den Benn reagiert, wird pluralisiert und kollektiv in die Hotels pittoresker Badeorte an der Cote d’Azur gesteckt. Obendrein sah sich die Redaktion in einer Vorbemerkung auch zu betonen veranlasst, dass es sich „um Briefeschreiber nichtjüdischer Abstammung” handelte.
Das war wenige Monate, bevor in Marienbad der aus Deutschland geflohene jüdische Publizist Theodor Lessing von Nazi-Häschern ermordet wurde. Auch von ihm ist ein „Offener Brief” zu sehen, der im Juni 1925 im „Prager Tagblatt” erschienen und an den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gerichtet war. Lessing hatte diesen um Schutz vor gewaltsamen antisemitischen Übergriffen auf seine Person und um die Bewahrung der Grundrechte in Deutschland ersucht – vergeblich.
Gezeigt wird auch die Rolle Offener Briefe in der Nachkriegsgeschichte beider deutscher Staaten, von der Wiederbewaffnung über den Mauerbau bis zu mancherlei Affären. Inzwischen hat die Gattung allerdings gewisse Schwundstufen erreicht: So warb Angela Merkel vor zwei Jahren für ihre Politik mit in ganzseitigen Zeitungsanzeigen in der Form eines offenen Briefs an die „liebe(n) Bürgerinnen und Bürger”. Darunter hätte eigentlich stehen müssen: „Gebühr zahlt Empfänger”. VOLKER BREIDECKER
„Der offene Brief. Kämpferische Post von Luther bis Grass”. Museum für Kommunikation Frankfurt am Main, bis 3. Februar. Schaumainkai 53. Info (069) 60 60-0. Das von Rolf-Bernhard Essig und Reinhard M. G. Nickisch herausgegebene Begleitbuch „Wer schweigt, wird schuldig! Offene Briefe von Martin Luther bis Ulrike Meinhof” ist im Göttinger Wallstein Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro.
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