Wer über der Rache die Gerechtigkeit aus dem Blick verliert, wer den einzelnen Menschen nicht mehr sieht, verspielt unsere Zukunft. Jürgen Todenhöfers Buch ist die brillante politische Analyse verfehlter, gefährlicher Strategien in einer Schlacht der Lügen. Ein spannendes, ein farbig erzähltes, ein menschliches Dokument. Und ein leidenschaftliches Plädoyer gegen sinnlose Kriege.
Der Autor war selbst etliche Male vor Ort und hat über Jahrzehnte lang den Menschen in Afghanistan geholfen. Er hat vieleGeschichten voller Hoffnungslosigkeit gehört und klärt jetzt die Welt darüber auf, was er gesehen hat.
Die andere Seite des Terrors
Er ist einer der einflussreichen und erfolgreichen Manager der Republik. Er war über fünf Legislaturperioden als Mitglied des Deutschen Bundestages Experte für Fragen der Entwicklungs- und Rüstungskontrollpolitik.
Nun, da nach dem 11.9. die Bomben auf Afghanistan gefallen sind, nachdem in den derzeitigen Schlagzeilen immer wieder von der Flucht und der Ausweglosigkeit der Menschen aus Afghanistan die Rede ist, Kinder in den Flüchtlingslagern im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan an Auszehrung und Unterkühlung sterben, der Krieg Amerikas gegen den Irak bevorsteht, mischt er sich wieder ein:
Jürgen Todenhöfer hat soeben mit seinem neuen Buch seinen Finger in die Wunde gelegt, weil er der Ansicht ist, auch durch Schweigen mitschuldig zu werden. Ein Freund Amerikas ist er immer gewesen. Plötzlich steht er alleine da - als scharfer Analytiker einer falschen Strategie gegen den Terror.
Todenhöfer stellt fest, dass die Zahl terroristischer Anschläge auf der Welt seit Beginn des Antiterrorkrieges dramatisch gestiegen ist. Wenn so Siege gegen den Terrorismus aussehen, wie sehen dann erst Niederlagen aus? Der Kern seiner Botschaft ist: Wer über der Rache die Gerechtigkeit aus dem Blick verliert, wer die Menschen nicht mehr sieht, der verspielt unsere Zukunft. Er plädiert für eine Kombination aus Härte und Gerechtigkeit: Härte gegenüber den Terroristen, Gerechtigkeit gegenüber der muslimischen Welt. Der Versuch, den internationalen Terrorismus mit konventionellen Kriegen zu bekämpfen, gehört seiner Meinung nach zu den größten Torheiten, die die westliche Politik jemals begangen hat. Bombenleger kann man nicht mit Armeen besiegen!
Todenhöfer war selbst etliche Male vor Ort und hat über Jahrzehnte lang den Menschen in Afghanistan geholfen. Er hat viele Geschichten voller Hoffnungslosigkeit gehört und klärt jetzt die Welt darüber auf, was er gesehen hat. Ein packendes, ein menschliches (Antikriegs)Buch und eine brilliante politische Analyse verfehlter, gefährlicher Strategien.
Der Autor war selbst etliche Male vor Ort und hat über Jahrzehnte lang den Menschen in Afghanistan geholfen. Er hat vieleGeschichten voller Hoffnungslosigkeit gehört und klärt jetzt die Welt darüber auf, was er gesehen hat.
Die andere Seite des Terrors
Er ist einer der einflussreichen und erfolgreichen Manager der Republik. Er war über fünf Legislaturperioden als Mitglied des Deutschen Bundestages Experte für Fragen der Entwicklungs- und Rüstungskontrollpolitik.
Nun, da nach dem 11.9. die Bomben auf Afghanistan gefallen sind, nachdem in den derzeitigen Schlagzeilen immer wieder von der Flucht und der Ausweglosigkeit der Menschen aus Afghanistan die Rede ist, Kinder in den Flüchtlingslagern im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan an Auszehrung und Unterkühlung sterben, der Krieg Amerikas gegen den Irak bevorsteht, mischt er sich wieder ein:
Jürgen Todenhöfer hat soeben mit seinem neuen Buch seinen Finger in die Wunde gelegt, weil er der Ansicht ist, auch durch Schweigen mitschuldig zu werden. Ein Freund Amerikas ist er immer gewesen. Plötzlich steht er alleine da - als scharfer Analytiker einer falschen Strategie gegen den Terror.
Todenhöfer stellt fest, dass die Zahl terroristischer Anschläge auf der Welt seit Beginn des Antiterrorkrieges dramatisch gestiegen ist. Wenn so Siege gegen den Terrorismus aussehen, wie sehen dann erst Niederlagen aus? Der Kern seiner Botschaft ist: Wer über der Rache die Gerechtigkeit aus dem Blick verliert, wer die Menschen nicht mehr sieht, der verspielt unsere Zukunft. Er plädiert für eine Kombination aus Härte und Gerechtigkeit: Härte gegenüber den Terroristen, Gerechtigkeit gegenüber der muslimischen Welt. Der Versuch, den internationalen Terrorismus mit konventionellen Kriegen zu bekämpfen, gehört seiner Meinung nach zu den größten Torheiten, die die westliche Politik jemals begangen hat. Bombenleger kann man nicht mit Armeen besiegen!
Todenhöfer war selbst etliche Male vor Ort und hat über Jahrzehnte lang den Menschen in Afghanistan geholfen. Er hat viele Geschichten voller Hoffnungslosigkeit gehört und klärt jetzt die Welt darüber auf, was er gesehen hat. Ein packendes, ein menschliches (Antikriegs)Buch und eine brilliante politische Analyse verfehlter, gefährlicher Strategien.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.2003In Gerechtigkeit und in Waffen investieren
Jürgen Todenhöfers Buch muß ernst genommen werden - trotz seiner Kritik an Washington
Jürgen Todenhöfer: Wer weint schon um Abdul und Tanaya? Die Irrtümer des Kreuzzugs gegen den Terror. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2003. 224 Seiten, 19,90 [Euro].
Jürgen Todenhöfer hat ein erstaunliches Buch vorgelegt. Ihm wird große Beachtung zuteil werden. Zustimmung ist ihm ebenso sicher wie scharfer Widerspruch. Todenhöfer ist Überzeugungstäter - bei allem, was er sagt und tut. Wer den Politiker Todenhöfer erlebt hat, kennt seine Kompromißlosigkeit, wenn es um Grundfragen geht, aber auch seine Aufrichtigkeit, die ihm jede taktische Wendung verbietet. Er ist überzeugt von der Notwendigkeit transatlantischer Partnerschaft. Das hindert ihn nicht daran, dort mit der amerikanischen Politik ins Gericht zu gehen, wo er diese für ungerecht hält. Weil es ihm auf das Wesentliche ankommt, neigt er zu Überspitzungen, die seine Thesen angreifbar machen.
Todenhöfer ist ein Freund Amerikas. Er tritt dem Freund entgegen, wo er - nach seiner Auffassung - irrt. Wenn es um Menschen und Menschlichkeit geht, kennt der Autor erst recht keine Rücksichten. Rücksichtslos ist er deshalb nicht. Sein jüngstes Buch ist ein einziger Aufschrei. Er stellt strategische Erwägungen an, er geht auf die Argumente der Machtpolitik ein, er verweist auf Interessen, und er spricht, und das besonders eindringlich, über menschliche Schicksale. Hier sind seine Ausführungen besonders eindrucksvoll und anrührend. Und in der Tat, das Schicksal der Menschen muß Maßstab sein für jedes politische Handeln. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ist die alles überragende Bestimmung unseres Grundgesetzes. Des Menschen heißt jedes Menschen. Das verbietet die Abwägung nach Nationalität oder Glauben.
Todenhöfer zeigt die Gefahren auf für die Stabilität im nahöstlichen Raum, die sich aus einem Krieg gegen den Irak ergeben können. Aber wo findet man sonst schon bei der Abwägung des Pro und Kontra einen Satz wie diesen: "Gegen einen Präventivkrieg gegen den Irak spricht auch die zu erwartende hohe Zahl ziviler Opfer." Und dazu die Frage: "Wie viele schuldlose Männer, Frauen und Kinder darf man töten, um einen Diktator aus dem Amt zu jagen?"
Das Buch läßt uns mitreisen in das Afghanistan der Taliban, es berichtet uns über das Schicksal eines jungen, vom sowjetischen Bombenkrieg gezeichneten Afghanen, es läßt uns teilnehmen an der Sorge des Vaters Jürgen Todenhöfer, dessen Tochter sich zum Zeitpunkt des Verbrechens vom 11. September 2001 in Manhattan aufhielt. Seine Tochter konnte er nach dem Attentat nicht dort erreichen, wo er sie vermuten durfte. Wir erleben den Vater, der auf dem Display seines Handys die SMS liest: "Valerie aufgetaucht: alles ok!", dem die Tränen über das Gesicht laufen, der in diesem Augenblick ganz nah bei den vielen Amerikanern ist, die um ihre Angehörigen bangen. "Und ich dachte an die vielen Amerikaner, die genau wie meine Frau und ich jetzt verzweifelt ihre Angehörigen suchten." Nichts kann Jürgen Todenhöfer deutlicher beschreiben. Den Mann, der im Augenblick des Glücks - weil seine Tochter überlebt hat - an die vielen Amerikaner denkt, die diese Gewißheit noch nicht haben. Er erinnert an die Opfer früherer Anschläge. Mit ihm begegnen wir der 27 Jahre alten Muntha, die in Bagdad mit ihren vier Kindern zwischen ein und neun Jahren und ihrem Mann lebt.Wir lesen den Brief von Duaa, die das Schicksal ihrer Familie schildert.
Todenhöfer stellt die Frage nach der Zukunft der Welt, nach dem Verhältnis der Industriestaaten zu den Staaten der Dritten Welt. Seine Antwort lautet: "Wir werden unsere Freiheit, unseren Wohlstand und unseren Frieden nur bewahren können, wenn wir in Gerechtigkeit genauso viel investieren wie in Waffen." Wer wollte dem widersprechen?
Hier nimmt nicht jemand das Wort, der aus einer pazifistischen Grundhaltung heraus jedwede Gewaltanwendung ablehnt. Todenhöfer ist ein überzeugter Anhänger der Nato. Er trat und er tritt mit großer Festigkeit für die Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit ein. Er weiß, daß jede andere Haltung das Jahr 1989 nicht zum Jahr der Freiheit für ganz Europa hätte werden lassen. Er würde sich dagegen wehren, Pazifist genannt zu werden. Aber sieht er sich nicht als Bellizisten? Er wendet sich gegen den Versuch, den Raum zwischen Bellizisten und Pazifisten einzuengen, den die westlichen Demokratien in den letzten 60 Jahren für eine ethisch begründete Politik der Verantwortung genutzt haben.
Was ihn umtreibt, ist die Forderung nach einer gerechten Weltordnung, die allein den Frieden der Welt sichern kann, nach einer Weltordnung also, in der die Völker und die Weltregionen gleichberechtigt und ebenbürtig miteinander leben, die bestimmt wird von der Herrschaft des Rechts, aber nicht vom Recht des Stärkeren. Zu Recht mahnt er, die machtlosen Länder der Dritten Welt nicht zu erniedrigen und zu demütigen. Er erinnert an John F. Kennedys Satz: "Die Menschheit muß dem Krieg ein Ende setzen, sonst setzt der Krieg der Menschheit ein Ende."
Wer wollte dem Autor widersprechen, wenn er ein Gesamtkonzept für die Lösung des Irak-Problems verlangt? Noch besser wäre es, er würde es für die gesamte nahöstliche Region verlangen, eine KSZNO also, dem erfolgreichen Modell der KSZE für Europa nachgebildet. Für die aktuelle Lage geschrieben sind seine Hinweise über die Bedeutung der Waffeninspekteure. Er läßt die deutsche Chefinspekteurin für Bio-Waffen, Gabriele Graatz-Wadsack, zu Wort kommen: "Wir haben mehr Massenvernichtungswaffen zerstört als die Alliierten im Golf-Krieg."Eine Fortsetzung der Arbeit der Waffeninspekteure bedeutet keine Atempause für Saddam Hussein, sondern fortschreitenden Zwang zur Abrüstung.
Es ist ein bemerkenswertes Buch, in dem menschliche Schicksale im Mittelpunkt stehen, ein Buch, in dem an die Bedeutung unserer Grundwerte - auch für unser Handeln gegenüber anderen Völkern - erinnert wird. Hier liegt ja der große Erfolg europäischer Politik, daß mit der Schlußakte von Helsinki unsere Grundwerte in die West-Ost-Politik eingeführt wurden und dabei eine Wirkung entfalteten, die zum Ende der sozialistischen Systeme führte. Ist es nicht so, daß die Anerkennung der Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit der kleinen und großen Völker Europa nach dem Zweiten Weltkrieg einen neue Chance eröffnete? Man mag dieses Europa als das alte Europa bezeichnen, es ist in jedem Fall das Europa eines neuen Denkens, ein Europa, das Orientierung geben wird für eine neue und gerechte Weltordnung der Multipolarität.
Jürgen Todenhöfer hat ein Buch vorgelegt, das aufrütteln soll und das Anstoß erregen wird mit seinen Thesen. Bei solchen Thesen, mit denen er recht hat, und bei solchen, mit denen er - bewußt? - zuspitzt, vor allem, wenn er sich mit der amerikanischen Politik befaßt. Es ist wohl so, daß es Situationen gibt, in denen der Freund gegenüber dem Freund kritischer und härter auftritt. Was bleibt, ist das Bekenntnis eines Mannes, der nicht schweigen will, wo ein offenes Wort geboten ist, der nicht hinnehmen will, was er für falsch hält, der seine Leser zwingt, Farbe zu bekennen. Todenhöfers Buch ist nicht nur lesenswert, sondern sollte ernst genommen werden - auch von denen, die ihm entschieden widersprechen werden.
HANS-DIETRICH GENSCHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jürgen Todenhöfers Buch muß ernst genommen werden - trotz seiner Kritik an Washington
Jürgen Todenhöfer: Wer weint schon um Abdul und Tanaya? Die Irrtümer des Kreuzzugs gegen den Terror. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2003. 224 Seiten, 19,90 [Euro].
Jürgen Todenhöfer hat ein erstaunliches Buch vorgelegt. Ihm wird große Beachtung zuteil werden. Zustimmung ist ihm ebenso sicher wie scharfer Widerspruch. Todenhöfer ist Überzeugungstäter - bei allem, was er sagt und tut. Wer den Politiker Todenhöfer erlebt hat, kennt seine Kompromißlosigkeit, wenn es um Grundfragen geht, aber auch seine Aufrichtigkeit, die ihm jede taktische Wendung verbietet. Er ist überzeugt von der Notwendigkeit transatlantischer Partnerschaft. Das hindert ihn nicht daran, dort mit der amerikanischen Politik ins Gericht zu gehen, wo er diese für ungerecht hält. Weil es ihm auf das Wesentliche ankommt, neigt er zu Überspitzungen, die seine Thesen angreifbar machen.
Todenhöfer ist ein Freund Amerikas. Er tritt dem Freund entgegen, wo er - nach seiner Auffassung - irrt. Wenn es um Menschen und Menschlichkeit geht, kennt der Autor erst recht keine Rücksichten. Rücksichtslos ist er deshalb nicht. Sein jüngstes Buch ist ein einziger Aufschrei. Er stellt strategische Erwägungen an, er geht auf die Argumente der Machtpolitik ein, er verweist auf Interessen, und er spricht, und das besonders eindringlich, über menschliche Schicksale. Hier sind seine Ausführungen besonders eindrucksvoll und anrührend. Und in der Tat, das Schicksal der Menschen muß Maßstab sein für jedes politische Handeln. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ist die alles überragende Bestimmung unseres Grundgesetzes. Des Menschen heißt jedes Menschen. Das verbietet die Abwägung nach Nationalität oder Glauben.
Todenhöfer zeigt die Gefahren auf für die Stabilität im nahöstlichen Raum, die sich aus einem Krieg gegen den Irak ergeben können. Aber wo findet man sonst schon bei der Abwägung des Pro und Kontra einen Satz wie diesen: "Gegen einen Präventivkrieg gegen den Irak spricht auch die zu erwartende hohe Zahl ziviler Opfer." Und dazu die Frage: "Wie viele schuldlose Männer, Frauen und Kinder darf man töten, um einen Diktator aus dem Amt zu jagen?"
Das Buch läßt uns mitreisen in das Afghanistan der Taliban, es berichtet uns über das Schicksal eines jungen, vom sowjetischen Bombenkrieg gezeichneten Afghanen, es läßt uns teilnehmen an der Sorge des Vaters Jürgen Todenhöfer, dessen Tochter sich zum Zeitpunkt des Verbrechens vom 11. September 2001 in Manhattan aufhielt. Seine Tochter konnte er nach dem Attentat nicht dort erreichen, wo er sie vermuten durfte. Wir erleben den Vater, der auf dem Display seines Handys die SMS liest: "Valerie aufgetaucht: alles ok!", dem die Tränen über das Gesicht laufen, der in diesem Augenblick ganz nah bei den vielen Amerikanern ist, die um ihre Angehörigen bangen. "Und ich dachte an die vielen Amerikaner, die genau wie meine Frau und ich jetzt verzweifelt ihre Angehörigen suchten." Nichts kann Jürgen Todenhöfer deutlicher beschreiben. Den Mann, der im Augenblick des Glücks - weil seine Tochter überlebt hat - an die vielen Amerikaner denkt, die diese Gewißheit noch nicht haben. Er erinnert an die Opfer früherer Anschläge. Mit ihm begegnen wir der 27 Jahre alten Muntha, die in Bagdad mit ihren vier Kindern zwischen ein und neun Jahren und ihrem Mann lebt.Wir lesen den Brief von Duaa, die das Schicksal ihrer Familie schildert.
Todenhöfer stellt die Frage nach der Zukunft der Welt, nach dem Verhältnis der Industriestaaten zu den Staaten der Dritten Welt. Seine Antwort lautet: "Wir werden unsere Freiheit, unseren Wohlstand und unseren Frieden nur bewahren können, wenn wir in Gerechtigkeit genauso viel investieren wie in Waffen." Wer wollte dem widersprechen?
Hier nimmt nicht jemand das Wort, der aus einer pazifistischen Grundhaltung heraus jedwede Gewaltanwendung ablehnt. Todenhöfer ist ein überzeugter Anhänger der Nato. Er trat und er tritt mit großer Festigkeit für die Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit ein. Er weiß, daß jede andere Haltung das Jahr 1989 nicht zum Jahr der Freiheit für ganz Europa hätte werden lassen. Er würde sich dagegen wehren, Pazifist genannt zu werden. Aber sieht er sich nicht als Bellizisten? Er wendet sich gegen den Versuch, den Raum zwischen Bellizisten und Pazifisten einzuengen, den die westlichen Demokratien in den letzten 60 Jahren für eine ethisch begründete Politik der Verantwortung genutzt haben.
Was ihn umtreibt, ist die Forderung nach einer gerechten Weltordnung, die allein den Frieden der Welt sichern kann, nach einer Weltordnung also, in der die Völker und die Weltregionen gleichberechtigt und ebenbürtig miteinander leben, die bestimmt wird von der Herrschaft des Rechts, aber nicht vom Recht des Stärkeren. Zu Recht mahnt er, die machtlosen Länder der Dritten Welt nicht zu erniedrigen und zu demütigen. Er erinnert an John F. Kennedys Satz: "Die Menschheit muß dem Krieg ein Ende setzen, sonst setzt der Krieg der Menschheit ein Ende."
Wer wollte dem Autor widersprechen, wenn er ein Gesamtkonzept für die Lösung des Irak-Problems verlangt? Noch besser wäre es, er würde es für die gesamte nahöstliche Region verlangen, eine KSZNO also, dem erfolgreichen Modell der KSZE für Europa nachgebildet. Für die aktuelle Lage geschrieben sind seine Hinweise über die Bedeutung der Waffeninspekteure. Er läßt die deutsche Chefinspekteurin für Bio-Waffen, Gabriele Graatz-Wadsack, zu Wort kommen: "Wir haben mehr Massenvernichtungswaffen zerstört als die Alliierten im Golf-Krieg."Eine Fortsetzung der Arbeit der Waffeninspekteure bedeutet keine Atempause für Saddam Hussein, sondern fortschreitenden Zwang zur Abrüstung.
Es ist ein bemerkenswertes Buch, in dem menschliche Schicksale im Mittelpunkt stehen, ein Buch, in dem an die Bedeutung unserer Grundwerte - auch für unser Handeln gegenüber anderen Völkern - erinnert wird. Hier liegt ja der große Erfolg europäischer Politik, daß mit der Schlußakte von Helsinki unsere Grundwerte in die West-Ost-Politik eingeführt wurden und dabei eine Wirkung entfalteten, die zum Ende der sozialistischen Systeme führte. Ist es nicht so, daß die Anerkennung der Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit der kleinen und großen Völker Europa nach dem Zweiten Weltkrieg einen neue Chance eröffnete? Man mag dieses Europa als das alte Europa bezeichnen, es ist in jedem Fall das Europa eines neuen Denkens, ein Europa, das Orientierung geben wird für eine neue und gerechte Weltordnung der Multipolarität.
Jürgen Todenhöfer hat ein Buch vorgelegt, das aufrütteln soll und das Anstoß erregen wird mit seinen Thesen. Bei solchen Thesen, mit denen er recht hat, und bei solchen, mit denen er - bewußt? - zuspitzt, vor allem, wenn er sich mit der amerikanischen Politik befaßt. Es ist wohl so, daß es Situationen gibt, in denen der Freund gegenüber dem Freund kritischer und härter auftritt. Was bleibt, ist das Bekenntnis eines Mannes, der nicht schweigen will, wo ein offenes Wort geboten ist, der nicht hinnehmen will, was er für falsch hält, der seine Leser zwingt, Farbe zu bekennen. Todenhöfers Buch ist nicht nur lesenswert, sondern sollte ernst genommen werden - auch von denen, die ihm entschieden widersprechen werden.
HANS-DIETRICH GENSCHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Den Opfern eine Stimme geben
Jürgen Todenhöfer wollte es schon immer anders machen. Als er noch aktiver Politiker war, bereiste er unter Einsatz seines Lebens das seinerzeit von der Sowjetunion besetzte Afghanistan. Er wollte mit eigenen Augen sehen, worüber Politiker tausende Kilometer entfernt in Konferenzräumen entscheiden.
Was niemand hören will
Seitdem haben wir den 11. September erleben müssen, einen neuen Krieg in Afghanistan und eventuell bald auch im Irak. Und wieder scheinen führende Politiker nicht zu wissen, welches Leid Krieg bedeutet und vor allem, welchen neuen Hass jede Bombe sät. Auch in den Medien ist von „strategischen Überlegungen“, „geopolitischen Aspekten“ und Ähnlichem zu hören – nicht aber, welches Elend ein Krieg für die Zivilbevölkerung bedeutet. Der Preis eines jeden Krieges, so Todenhöfer, ist viel zu hoch, als dass man nicht vorher alle politischen Möglichkeiten ausnutzen müsste. Todenhöfer will die Staatengemeinschaft nicht aus ihrer Verantwortung entlassen: der Verantwortung für die Opfer des Embargos gegen den Irak und für die Opfer eines möglichen Krieges.
Was man nicht aus den Nachrichten erfährt
Dieses Buch ist mehr als eine Reihe von Reportagen aus Krisengebieten: Es ist Ausdruck des großen Engagements eines kritischen Bürgers, der diejenigen zu Wort kommen lässt, die sonst kaum gehört werden. Die Abduls und Tanayas und die vielen anderen Namenlosen starben, ohne zu wissen, zwischen welche weltpolitischen Fronten sie geraten waren. Das Buch ist nichts für schwache Nerven, da es ungeschönt berichtet, was sich jenseits der medial vermittelten Wirklichkeit auf dieser Welt abspielt.
(Henrik Flor, literaturtest.de)
Schon wieder. Schon wieder ein Buch gegen den Krieg. Angesichts der Schwemme von Antikriegs-Titeln in den Buchläden gewinnt man allmählich den Eindruck, dass die Verlage wahllos jede Menge Gedrucktes zur Irak-Krise auf den Markt werfen. Führen wird das alles am Ende wohl zu nichts - außer vielleicht zu klingelnden Kassen. Aber Jürgen Todenhöfers Buch ist nur rein äußerlich eines von vielen. Es ist anders. Die Folgen des abstrakten Schreckens "Krieg" bekommen hier endlich ein Gesicht. Abduls Gesicht. Und Tanayas. Und das von vielen weiteren unschuldigen Opfern. Anrührend, aber nie rührselig berichtet der Autor von Schicksalen. Etwa von einem Jungen, der in den 80er Jahren beim Einmarsch Russlands in Afghanistan durch Bomben verletzt wurde. Aber auch von seiner eigenen Tochter Valerie, die am 11. September in Manhattan war und nach dem Terror-Angriff nicht an ihr Handy ging. Todenhöfer ist bekennender "Freund Amerikas". Der ehemalige rüstungspolitischer Schprecher der CDU/CSU ist gewiss kein typischer Friedensaktivist. Umso glaubwürdiger liest sich sein Appell gegen einen "Rückfall in die barbarische Urzeit". Es ist nur ein Buch. Mehr nicht. Aber immerhin ein gutes Buch: politisch fundiert und emotional erzählt. Todenhöfer Gedankensplitter bohren sich wie kleine Stachel in eine unter der Oberfläche unsichtbar schwärende Wunde: in das schlechte Gewissen derer, die zum Thema Krieg gar nichts sagen. (Hörzu)
Jürgen Todenhöfer wollte es schon immer anders machen. Als er noch aktiver Politiker war, bereiste er unter Einsatz seines Lebens das seinerzeit von der Sowjetunion besetzte Afghanistan. Er wollte mit eigenen Augen sehen, worüber Politiker tausende Kilometer entfernt in Konferenzräumen entscheiden.
Was niemand hören will
Seitdem haben wir den 11. September erleben müssen, einen neuen Krieg in Afghanistan und eventuell bald auch im Irak. Und wieder scheinen führende Politiker nicht zu wissen, welches Leid Krieg bedeutet und vor allem, welchen neuen Hass jede Bombe sät. Auch in den Medien ist von „strategischen Überlegungen“, „geopolitischen Aspekten“ und Ähnlichem zu hören – nicht aber, welches Elend ein Krieg für die Zivilbevölkerung bedeutet. Der Preis eines jeden Krieges, so Todenhöfer, ist viel zu hoch, als dass man nicht vorher alle politischen Möglichkeiten ausnutzen müsste. Todenhöfer will die Staatengemeinschaft nicht aus ihrer Verantwortung entlassen: der Verantwortung für die Opfer des Embargos gegen den Irak und für die Opfer eines möglichen Krieges.
Was man nicht aus den Nachrichten erfährt
Dieses Buch ist mehr als eine Reihe von Reportagen aus Krisengebieten: Es ist Ausdruck des großen Engagements eines kritischen Bürgers, der diejenigen zu Wort kommen lässt, die sonst kaum gehört werden. Die Abduls und Tanayas und die vielen anderen Namenlosen starben, ohne zu wissen, zwischen welche weltpolitischen Fronten sie geraten waren. Das Buch ist nichts für schwache Nerven, da es ungeschönt berichtet, was sich jenseits der medial vermittelten Wirklichkeit auf dieser Welt abspielt.
(Henrik Flor, literaturtest.de)
Schon wieder. Schon wieder ein Buch gegen den Krieg. Angesichts der Schwemme von Antikriegs-Titeln in den Buchläden gewinnt man allmählich den Eindruck, dass die Verlage wahllos jede Menge Gedrucktes zur Irak-Krise auf den Markt werfen. Führen wird das alles am Ende wohl zu nichts - außer vielleicht zu klingelnden Kassen. Aber Jürgen Todenhöfers Buch ist nur rein äußerlich eines von vielen. Es ist anders. Die Folgen des abstrakten Schreckens "Krieg" bekommen hier endlich ein Gesicht. Abduls Gesicht. Und Tanayas. Und das von vielen weiteren unschuldigen Opfern. Anrührend, aber nie rührselig berichtet der Autor von Schicksalen. Etwa von einem Jungen, der in den 80er Jahren beim Einmarsch Russlands in Afghanistan durch Bomben verletzt wurde. Aber auch von seiner eigenen Tochter Valerie, die am 11. September in Manhattan war und nach dem Terror-Angriff nicht an ihr Handy ging. Todenhöfer ist bekennender "Freund Amerikas". Der ehemalige rüstungspolitischer Schprecher der CDU/CSU ist gewiss kein typischer Friedensaktivist. Umso glaubwürdiger liest sich sein Appell gegen einen "Rückfall in die barbarische Urzeit". Es ist nur ein Buch. Mehr nicht. Aber immerhin ein gutes Buch: politisch fundiert und emotional erzählt. Todenhöfer Gedankensplitter bohren sich wie kleine Stachel in eine unter der Oberfläche unsichtbar schwärende Wunde: in das schlechte Gewissen derer, die zum Thema Krieg gar nichts sagen. (Hörzu)
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Der Rezensent Manfred Vasold empfiehlt uneingeschränkt Jürgen Todenhöfers Buch gegen den Irakkrieg: Es sei "ein mitfühlendes Buch mit gescheiten Argumenten". Todenhöfer kenne durch persönliche Erfahrungen den Mittleren Osten, "liebe" andererseits aber auch die USA. Gerade dieser vermeintliche Widerspruch macht das Buch für den Rezensenten besonders ausgewogen. Darüber hinaus beleuchte der Autor den Irakkonflikt aus verschiedenen Perspektiven: "humanitär, juristisch und realpolitisch". Er widerlege mit überzeugenden Argumenten zahlreiche amerikanische Rechtfertigungen für den Krieg, meint der Rezensent. So gebe es laut Todenhöfer "keinerlei verlässliche Erkenntnisse" über Verbindungen zwischen al-Qaida und Saddam Hussein, und der entscheidende Faktor für den Krieg sei "die langfristige Sorge ums Öl". Auch in seinen Prognosen bescheinigt Vasold Todenhöfers Werk Hellsichtigkeit und resümiert: "Wer sich um das Wohlergehen der Menschheit sorgt, sollte es lesen."
© Perlentaucher Medien GmbH
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