Berthold Leibinger hat ein bedeutendes Unternehmen der Hochtechnologie aufgebaut und sich darüber hinaus um das Wohl des Standorts Deutschland in höchstem Maße verdient gemacht. Nun legt er seine Erinnerungen vor. Leibingers Größe und Bedeutung bemisst sich nicht nur an den ökonomischen Erfolgen der von ihm aufgebauten Firma TRUMPF. In seiner Lebensgeschichte geht es auch um Geist und Persönlichkeit, um den Dienst an der Sache und an der Gemeinschaft. Diesen Beitrag zur Gesellschaft in einer schnöden Aufzählung zu messen würde die Bedeutung dieses Mannes nicht erfassen. Der Geist ist der Gestalter der Geschichte. Leibinger präsentiert sein Leben als historischen Bericht, der summiert und bilanziert. Diese Summe ist nicht nur ökonomisch messbarer Reichtum, denn Leibingers Leben ist so reich wie die Summe seiner vielfältigen Interessen, die er doch einem leidenschaftlichen Lebensauftrag unterordnet: sein Familienunternehmen TRUMPF durch gute wie schlechte Zeiten dynamisch und umsichtig zu führen. Es gelang ihm, in 45 Jahren aus einem kleinen Familienunternehmen mit rund 200 Mitarbeitern einen Weltmarktführer mit heute rund 8000 Mitarbeitern und 1,66 Milliarden Euro Umsatz zu formen. Wenn Berthold Leibinger seinen Lebensbericht vorlegt, dann tut er dies aufrichtig vor seinen wenigen Niederlagen und den vielen Erfolgen und wählt Demut als die angemessene Haltung der Memoria.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2010Fleißig. Erfolgreich. Skandalfrei
Berthold Leibinger hat eine Autobiographie verfasst
Für Sonntagsredner ist Trumpf das perfekte Unternehmen: ein Mittelständler in Familienhand, ein Produktportfolio vom traditionellen Werkzeugmaschinenbau bis zu den modernsten Laserstrahlquellen, Weltmarktführer natürlich. Berthold Leibinger heißt der Baumeister von Trumpf , und der zudem auch außerhalb des Unternehmens engagiert war - unter anderem als Mitglied in Aufsichtsräten großer Unternehmen, in Verbandsgremien, in der Bachakademie und im Literaturarchiv Marbach.
Diese Karriere war Berthold Leibinger, Jahrgang 1930, nicht in die Wiege gelegt. Seine Eltern handelten mit Ostasiatica. Das Interesse an den schönen Dingen war früh vorhanden, und seinen Neigungen hätte ein Studium der Germanistik, Philosophie oder Theologie entsprochen. Doch das habe nie ernsthaft zur Debatte gestanden, schreibt Leibinger: "Jeder Mensch will etwas Nützliches und Wichtiges tun. Gebraucht zu werden ist wichtig." Deshalb habe er sich für Maschinenbau entschieden und für eine Lehre: "Am 15. August 1950 habe ich in der kleinen Firma Trumpf mit damals unter 150 Beschäftigten begonnen."
Wie es kommt, dass heute Trumpf mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz und 8000 Mitarbeitern seiner Familie gehört, lässt Leibinger zunächst offen. Er beschreibt sein Leben fast chronologisch. Gleichzeitig gerät das Buch zu einem Abriss der Zeitgeschichte, weil Leibinger die Kindheit unter den Nazis, die Ängste während des Kriegs, die erste Liebe und glückliche Jahre in Amerika anschaulich beschreibt.
Den Erfolg seines Unternehmens macht Leibinger an zahlreichen Tugenden fest. Neugier gehöre dazu, Phantasie, Risikobereitschaft und Geduld. So neugierig und so geduldig war Leibinger, dass er das Erreichen des üblichen Pensionsalters nicht zum Rückzug nutzte, so verantwortungsbewusst war er wohl auch, denn die Nachfolge war noch nicht geklärt. Erst kurz vor seinem 75. Geburtstag folgte der Paukenschlag: Er ernannte seine älteste Tochter Nicola zur Vorsitzenden der Geschäftsführung, während viele Außenstehende auf die Techniker der Familie - Sohn Peter oder Nicolas Ehemann Mathias Kammüller - gewettet hätten.
Berthold Leibinger ist der Inbegriff des rechtschaffenen schwäbischen Unternehmers: fleißig, erfolgreich, skandalfrei. Eine fiese Mischung ist das, die in sich die Gefahr birgt, dass eine langweilige Selbstbeweihräucherung entsteht. Berthold Leibinger aber hat ein authentisches Buch aufgeschrieben. Jeder Satz ist ganz Leibinger: selbstbewusst und demütig zugleich.
SUSANNE PREUSS.
Berthold Leibinger: Wer wollte eine andere Zeit als diese.
Murmann Verlag, Hamburg 2010, 240 Seiten, 24,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Berthold Leibinger hat eine Autobiographie verfasst
Für Sonntagsredner ist Trumpf das perfekte Unternehmen: ein Mittelständler in Familienhand, ein Produktportfolio vom traditionellen Werkzeugmaschinenbau bis zu den modernsten Laserstrahlquellen, Weltmarktführer natürlich. Berthold Leibinger heißt der Baumeister von Trumpf , und der zudem auch außerhalb des Unternehmens engagiert war - unter anderem als Mitglied in Aufsichtsräten großer Unternehmen, in Verbandsgremien, in der Bachakademie und im Literaturarchiv Marbach.
Diese Karriere war Berthold Leibinger, Jahrgang 1930, nicht in die Wiege gelegt. Seine Eltern handelten mit Ostasiatica. Das Interesse an den schönen Dingen war früh vorhanden, und seinen Neigungen hätte ein Studium der Germanistik, Philosophie oder Theologie entsprochen. Doch das habe nie ernsthaft zur Debatte gestanden, schreibt Leibinger: "Jeder Mensch will etwas Nützliches und Wichtiges tun. Gebraucht zu werden ist wichtig." Deshalb habe er sich für Maschinenbau entschieden und für eine Lehre: "Am 15. August 1950 habe ich in der kleinen Firma Trumpf mit damals unter 150 Beschäftigten begonnen."
Wie es kommt, dass heute Trumpf mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz und 8000 Mitarbeitern seiner Familie gehört, lässt Leibinger zunächst offen. Er beschreibt sein Leben fast chronologisch. Gleichzeitig gerät das Buch zu einem Abriss der Zeitgeschichte, weil Leibinger die Kindheit unter den Nazis, die Ängste während des Kriegs, die erste Liebe und glückliche Jahre in Amerika anschaulich beschreibt.
Den Erfolg seines Unternehmens macht Leibinger an zahlreichen Tugenden fest. Neugier gehöre dazu, Phantasie, Risikobereitschaft und Geduld. So neugierig und so geduldig war Leibinger, dass er das Erreichen des üblichen Pensionsalters nicht zum Rückzug nutzte, so verantwortungsbewusst war er wohl auch, denn die Nachfolge war noch nicht geklärt. Erst kurz vor seinem 75. Geburtstag folgte der Paukenschlag: Er ernannte seine älteste Tochter Nicola zur Vorsitzenden der Geschäftsführung, während viele Außenstehende auf die Techniker der Familie - Sohn Peter oder Nicolas Ehemann Mathias Kammüller - gewettet hätten.
Berthold Leibinger ist der Inbegriff des rechtschaffenen schwäbischen Unternehmers: fleißig, erfolgreich, skandalfrei. Eine fiese Mischung ist das, die in sich die Gefahr birgt, dass eine langweilige Selbstbeweihräucherung entsteht. Berthold Leibinger aber hat ein authentisches Buch aufgeschrieben. Jeder Satz ist ganz Leibinger: selbstbewusst und demütig zugleich.
SUSANNE PREUSS.
Berthold Leibinger: Wer wollte eine andere Zeit als diese.
Murmann Verlag, Hamburg 2010, 240 Seiten, 24,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.10.2010Ein Leben
für die Firma
Nicht von ungefähr gilt Berthold Leibinger, der langjährige Chef des Maschinenbauers und Laserspezialisten Trumpf, als eine Art Inkarnation des schwäbisch-pietistischen Unternehmertums: erfinderisch und geschäftstüchtig, erfolgreich und bescheiden zugleich, sozial verantwortungsbewusst und nicht zuletzt im Glauben verwurzelt sowie den schönen Künsten zugeneigt. Als der Patriarch, der im November seinen 80. Geburtstag feiert, vor fünf Jahren zu aller Überraschung seine Tochter Nicola und nicht seinen Sohn Peter in den Nachfolgestand an der Unternehmensspitze versetzte, wurde er auch gefragt, womit er sich denn künftig beschäftigen würde. „Vielleicht schreibe ich ein Buch“, sagte Leibinger. Das liegt nun vor, er hat sich sozusagen selbst ein Geschenk zum runden Geburtstag gemacht, indem er für sich und seine Leser sein Leben Revue passieren lässt. Und, so beteuern er und der Verlag, er habe tatsächlich jede Zeile selbst geschrieben – handschriftlich.
Herausgekommen ist ein autobiographisch geprägtes Stück deutscher Kultur- und Gesellschaftsgeschichte. Unprätentiös, aber dafür um so detailreicher erzählt Leibinger über seine Kindheit und Schuljahre während der Nazizeit im pietistisch geprägten Korntal bei Stuttgart, über seine Mechaniker-Lehrlingsjahre beim Maschinenbauer Trumpf, wo es Maschinen putzen und Späne abfahren hieß, über die Schrecken des Krieges und das zerbombte Elternhaus. Die Nachkriegsjahre waren für den jungen Leibinger von „Kollektivscham“ ebenso geprägt wie vom Aufbruchswillen und seinem Maschinenbaustudium in Stuttgart während der fünfziger Jahre. Nicht zuletzt legte seine Diplomarbeit die Wurzel für den späteren Erfolg der noch kleinen Maschinenbaufirma, die sich unter Leibingers Ägide zum Weltmarktführer aufschwingen sollte: Sie handelte von einer Verbesserung des Schneideprozesses.
Der unaufhaltsame Aufstieg der Firma Trumpf ist nicht zuletzt der leidenschaftlichen Passion des Konstrukteurs Leibinger zu verdanken, der ständig an Verbesserungen der Maschine tüftelt und schließlich auch dem Laserschneider zum Durchbruch verhilft. „Ich war und bin der Überzeugung, dass wir die Pflicht haben, zu versuchen, die Welt, in der wir leben, zu verbessern, jeder in seinem Rahmen, der ihm gesetzt ist.“ Das ist so ein typisches Leibinger-Credo und vielleicht auch das Erfolgsgeheimnis des „Made in Germany“. Ebenso beharrlich und ausdauernd übernahm der schwäbische Patriarch seit Anfang der sechziger Jahre peu à peu die gesamte Firma. Damals noch Leiter der Konstruktionsabteilung, kaufte er die ersten Anteile, ganze 2,4 Prozent von Christian Trumpf. Es dauerte dann „40 Jahre lang, bis mir und meiner Familie die Firma ganz gehörte“. Früh erkannte er, wie wichtig nicht nur die Konstruktion, sondern auch der Verkauf der Maschinen ist und sorgte beizeiten für Niederlassungen in aller Welt.
Leibingers Lebensbilanz ist ein bewegendes Plädoyer für freies Unternehmertum, das er sich ohne soziale Verpflichtung gar nicht vorstellen kann. So handelte er sich zahlreiche Ehrenämter ein – vom Präsidenten der IHK Stuttgart bis zum Chef des Maschinenbauerverbands VDMA. Maschinen ertüfteln alleine aber verengt den Horizont, da hält es Leibinger mit dem Naturwissenschaftler und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg: „Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht“. So zählt der Literatur- und Musikfreund zu einem der spendabelsten Kunstmäzene des Landes. Und beweist Weitsicht, wenn er junge Ingenieure bei der Bewerbung nach ihrer Deutschnote fragt. Zeigten die sich nur technikaffin, lehnte er sie schon mal ab.
Dagmar Deckstein
Berthold Leibinger:
Wer wollte eine andere Zeit als diese?
Ein Lebensbericht. Murmann Verlag, Hamburg 2010. 336 Seiten. 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
für die Firma
Nicht von ungefähr gilt Berthold Leibinger, der langjährige Chef des Maschinenbauers und Laserspezialisten Trumpf, als eine Art Inkarnation des schwäbisch-pietistischen Unternehmertums: erfinderisch und geschäftstüchtig, erfolgreich und bescheiden zugleich, sozial verantwortungsbewusst und nicht zuletzt im Glauben verwurzelt sowie den schönen Künsten zugeneigt. Als der Patriarch, der im November seinen 80. Geburtstag feiert, vor fünf Jahren zu aller Überraschung seine Tochter Nicola und nicht seinen Sohn Peter in den Nachfolgestand an der Unternehmensspitze versetzte, wurde er auch gefragt, womit er sich denn künftig beschäftigen würde. „Vielleicht schreibe ich ein Buch“, sagte Leibinger. Das liegt nun vor, er hat sich sozusagen selbst ein Geschenk zum runden Geburtstag gemacht, indem er für sich und seine Leser sein Leben Revue passieren lässt. Und, so beteuern er und der Verlag, er habe tatsächlich jede Zeile selbst geschrieben – handschriftlich.
Herausgekommen ist ein autobiographisch geprägtes Stück deutscher Kultur- und Gesellschaftsgeschichte. Unprätentiös, aber dafür um so detailreicher erzählt Leibinger über seine Kindheit und Schuljahre während der Nazizeit im pietistisch geprägten Korntal bei Stuttgart, über seine Mechaniker-Lehrlingsjahre beim Maschinenbauer Trumpf, wo es Maschinen putzen und Späne abfahren hieß, über die Schrecken des Krieges und das zerbombte Elternhaus. Die Nachkriegsjahre waren für den jungen Leibinger von „Kollektivscham“ ebenso geprägt wie vom Aufbruchswillen und seinem Maschinenbaustudium in Stuttgart während der fünfziger Jahre. Nicht zuletzt legte seine Diplomarbeit die Wurzel für den späteren Erfolg der noch kleinen Maschinenbaufirma, die sich unter Leibingers Ägide zum Weltmarktführer aufschwingen sollte: Sie handelte von einer Verbesserung des Schneideprozesses.
Der unaufhaltsame Aufstieg der Firma Trumpf ist nicht zuletzt der leidenschaftlichen Passion des Konstrukteurs Leibinger zu verdanken, der ständig an Verbesserungen der Maschine tüftelt und schließlich auch dem Laserschneider zum Durchbruch verhilft. „Ich war und bin der Überzeugung, dass wir die Pflicht haben, zu versuchen, die Welt, in der wir leben, zu verbessern, jeder in seinem Rahmen, der ihm gesetzt ist.“ Das ist so ein typisches Leibinger-Credo und vielleicht auch das Erfolgsgeheimnis des „Made in Germany“. Ebenso beharrlich und ausdauernd übernahm der schwäbische Patriarch seit Anfang der sechziger Jahre peu à peu die gesamte Firma. Damals noch Leiter der Konstruktionsabteilung, kaufte er die ersten Anteile, ganze 2,4 Prozent von Christian Trumpf. Es dauerte dann „40 Jahre lang, bis mir und meiner Familie die Firma ganz gehörte“. Früh erkannte er, wie wichtig nicht nur die Konstruktion, sondern auch der Verkauf der Maschinen ist und sorgte beizeiten für Niederlassungen in aller Welt.
Leibingers Lebensbilanz ist ein bewegendes Plädoyer für freies Unternehmertum, das er sich ohne soziale Verpflichtung gar nicht vorstellen kann. So handelte er sich zahlreiche Ehrenämter ein – vom Präsidenten der IHK Stuttgart bis zum Chef des Maschinenbauerverbands VDMA. Maschinen ertüfteln alleine aber verengt den Horizont, da hält es Leibinger mit dem Naturwissenschaftler und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg: „Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht“. So zählt der Literatur- und Musikfreund zu einem der spendabelsten Kunstmäzene des Landes. Und beweist Weitsicht, wenn er junge Ingenieure bei der Bewerbung nach ihrer Deutschnote fragt. Zeigten die sich nur technikaffin, lehnte er sie schon mal ab.
Dagmar Deckstein
Berthold Leibinger:
Wer wollte eine andere Zeit als diese?
Ein Lebensbericht. Murmann Verlag, Hamburg 2010. 336 Seiten. 24,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Angetan zeigt sich Susanne Preuss von dieser Autobiografie des schwäbischen Unternehmers Berthold Leibinger. Die Gefahr einer etwas faden Lebensbeschreibung scheint der Rezensentin in Leibingers Fall durchaus gegeben, sieht sie in ihm doch das Musterbeispiel eines "rechtschaffenen schwäbischen Unternehmers: fleißig, erfolgreich, skandalfrei." Doch statt "langweiliger Selbstbeweihräucherung" bietet das Buch zu ihrer Freude die überaus authentische Darstellung eines erfolgreichen Lebenswegs im Kontext der Zeitgeschichte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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