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Lothar Späth, 1978 bis 1991 Ministerpräsident von Baden-Württemberg, genießt im Volk bis heute große Sympathien. Sein Name verbindet sich mit einer dynamischen und erfolgreichen Wirtschaftspolitik. Späth erkannte als einer der ersten das heraufziehende Ende des Kalten Krieges, die bevorstehende Öffnung des Ostens. Systematisch suchte er hinter dem Eisernen Vorhang neue politische Anknüpfungspunkte - in Moskau und Ostberlin, in Warschau, Sofia, Prag, Budapest, Bukarest. Die rasante wirtschaftliche Globalisierung und neue Dimensionen technologischer Herausforderungen, die das High-Tech-Land…mehr

Produktbeschreibung
Lothar Späth, 1978 bis 1991 Ministerpräsident von Baden-Württemberg, genießt im Volk bis heute große Sympathien. Sein Name verbindet sich mit einer dynamischen und erfolgreichen Wirtschaftspolitik.
Späth erkannte als einer der ersten das heraufziehende Ende des Kalten Krieges, die bevorstehende Öffnung des Ostens. Systematisch suchte er hinter dem Eisernen Vorhang neue politische Anknüpfungspunkte - in Moskau und Ostberlin, in Warschau, Sofia, Prag, Budapest, Bukarest. Die rasante wirtschaftliche Globalisierung und neue Dimensionen technologischer Herausforderungen, die das High-Tech-Land Baden-Württemberg besonders betrafen, führten Späth vielfach in die USA und nach Asien. Baden-Württemberg war außenpolitisch aktiv wie kein zweites Bundesland. Hans-Peter Mengele (geb. 1951 in Ulm) war ab 1982 Späths Persönlicher Referent und Leiter des Ministerpräsidentenbüros, dann Regierungsvizepräsident in Tübingen. 1988 kehrte er als Leiter der Internationalen Abteilung im Stuttgarter Staats ministerium an Späths Seite zurück und galt fortan als dessen "heimlicher Außenminister". Aus der Sicht des Insiders gibt er in seinem spannenden Report Einblick in die Denk- und Handlungsweise Späths; er gewährt einen lebendigen Blick hinter die Kulissen, lässt den Leser bei wesentlichen politischen Weichenstellungen und Ereignissen von historischer Dimension dabei sein und bringt ihm prominente Polit-Akteure näher.
Autorenporträt
Der Autor, geb. 1951 ist Hauptgeschäftsführer der IHK Karlsruhe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.1996

Kein Horizont zu weit
Vom Wirken Lothar Späths in der Weltwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung Baden-Württembergs

Hans-Peter Mengele: Wer zu Späth kommt . . ..Baden-Württembergs außenpolitische Rolle in den Umbruch-Jahren. Silberburg-Verlag, Tübingen 1995. 360 Seiten, geb. 39,80 Mark.

Der Buchtitel steht im Wortspiel-Verdacht. Der Autor ist 1982 zu dem damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Späth, gekommen, und das war für ihn gewiß keine Strafe des Lebens. Seit 1988 hat er die Internationale Abteilung in Späths Staatskanzlei geleitet. Nach dessen Ausscheiden im Januar 1991 aus dem Stuttgarter Ministerpräsidentenamt ging der Autor in das Wirtschaftsministerium.

In dem Buch ist mit kritischer Sympathie aufgeschrieben, wie sich der vielgewandte Lothar Späth bemühte, das von ihm regierte Land in der Weltwirtschaftspolitik zur Geltung zu bringen, zumal in östlicher Richtung. Erzählt wird von dem Besuch Späths in Moskau vom Februar 1988, bei dem es zu einer Begegnung mit Gorbatschow kam, der dann seinerseits bei einem Deutschland-Besuch in Stuttgart war. Der Leser vermag den Eindruck nicht ganz zu unterdrücken, daß Späth, wenn auch Ministerpräsident eines großen und wirtschaftlich konsolidierten Bundeslandes, seine Möglichkeiten, internationale Wirtschaftspolitik zu treiben, leicht überschätzt haben könnte.

Die Wirtschaftsführer, die gern im Gefolge Späths reisten, hätten ihre Interessen vielleicht auch ohne einen solchen Reiseführer verfolgen können. Man könnte daran denken, selbst der Regierungschef eines so bedeutenden Bundeslandes wie Baden-Württemberg es ist, hätte angesichts stets knapper Haushaltslage genug zu tun gehabt mit den Landesaufgaben, also mit Schulen, Hochschulen, Polizei, Justiz und der allgemeinen Verwaltung. Für Späth war das ein zu enger Horizont. Er wollte Weltpolitik machen. Späth, der jetzt im thüringischen Jena eine Aufgabe erfüllt als Wirtschaftsmanager, hat sich nach der Revolution vom Oktober 1989 intensiv um Ostdeutschland gekümmert. Dem Autor, der auch dabei Späth nahe war, ist manche Situationsschilderung zu verdanken, zum Beispiel die der ersten Oktobertage 1989 am Dresdner Hauptbahnhof. Dort hatten sich Menschenmassen versammelt, um die Reisezüge der Botschaftsflüchtlinge aus Prag in Richtung Bundesrepublik zu sehen, mit Hoffnungen darauf, sich eines Tages anschließen zu können. Die Menschen wurden von der "Volkspolizei" der DDR brutal zurückgeschlagen. Das war einige Tage bevor die Stadt Leipzig ihre Demonstrationen hatte, die der um Selbstreklame nie verlegenen größten Stadt Sachsens den Titel "Heldenstadt" eingebracht haben.

Interessant ist die Schilderung der "Geburtshilfe", die Späth für den sich neu bildenden Freistaat Sachsen geleistet hat. Schon in früher Stunde gab es hier eine Zusammenarbeit Baden-Württembergs mit dem werdenden Land Sachsen, was sich später in Verwaltungshilfe fortgesetzt hat. Schon die ersten, scheuen Vorzeichen der Revolution waren zur DDR-Zeit verpönte weiß-grüne Fahnen, die Farben Sachsens. Eine "gemischte Kommission" aus Baden-Württembergern und Sachsen begann im Frühjahr 1990, nach den freien Volkskammerwahlen des 18. März, mit Vorbereitungen für eine neue sächsische Verfassung. Den Vorsitz führte Steffen Heitmann, damals Verwaltungsleiter des Kirchenbezirks Dresden, später, nach Bildung des Freistaats Sachsen, dessen erster Justizminister.

Das erste Ergebnis der gemischten Kommission war der (nach einem Kurort in der Sächsischen Schweiz so benannte) Gohrischer Entwurf für eine Landesverfassung, der die wesentliche Arbeitsgrundlage bleiben sollte. Mit Recht leitet Mengele aus diesem Entwurf eine Bestätigung für die "Neigung Sachsens zum süddeutschen Rechtsraum" ab; die Verfassung enthält freilich auch, unter anderem auf Betreiben Heitmanns, eine deutliche Abgrenzung zu totalitären Herrschaftsformen, kämen sie nun unter nationalsozialistischen oder kommunistischen Vorzeichen daher.

Mengele beschreibt die Auseinandersetzung zwischen der alten Block-CDU und den Reformkräften, die in Sachsen früh und gründlich, ohne das den Sachsen oft nachgesagte Zögern ausgetragen wurde. In Verkennung der Realität schmeichelte sich der letzte SED-Oberbürgermeister von Dresden, Wolfgang Berghofer, er könne im neuen Sachsen Ministerpräsident werden. Berghofers Verdienst beschränkte sich auf eine schnelle Erkenntnis, daß die SED mit den alten Methoden nicht mehr weiterkomme. Er markierte auf der Seite der SED-Macht die Position derer, die in einem taktischen Nachgeben die Chance des Überlebens sahen. Er war es, der Vertreter der Dresdner "Gruppe der 20", die aus den Hauptbahnhof-Demonstrationen hervorgegangen war, zu einem Gespräch empfing, das, so folgenlos es geblieben sein mochte, die erste "Anerkennung" der revolutionären Kräfte durch einen Vertreter der alten Staatsmacht war (wobei ein Oberbürgermeister in der SED-Nomenklatura freilich nur einen geringen Platz einnahm). Späth hat, so Mengele, zunächst auf Berghofer gesetzt, wahrscheinlich fasziniert von dessen selbstbewußtem Auftreten und seiner in machtlosen Oberbürgermeisterjahren erprobten Gabe zu flotten, Entschlossenheit vorführenden Sprüchen.

Der eigentliche Kampf um die Ministerpräsidentschaft im sich wieder bildenden Land Sachsen spielte sich zwischen Klaus Reichenbach, dem Vorsitzenden der alten CDU im DDR-Bezirk Karl-Marx-Stadt, ab, unter welchem glücklicherweise schon fast vergessenen Städtenamen Chemnitz zu verstehen ist, und den führenden Kräften der neuen CDU, deren Wortführer Arnold Vaatz, heute Umweltminister, Hans Geisler, heute Sozialminister und Matthias Rößler, heute Kultusminister, waren. Heitmann, damals noch nicht in der CDU, war als Ratgeber dabei.

Späth, ein Westler, dem die Schärfe der Auseinandersetzung zwischen der Block-CDU und denen, die einen neuen Anfang suchten, nicht Gegenstand täglichen Erlebens war, setzte zunächst auf Reichenbach. Heitmann - zwischen Vaatz und Reichenbach war es Ende 1989 auf einem Dresdner CDU-Parteitag im Hygienemuseum, das einen der wenigen Säle der zerstörten Stadt bot, zu einer scharfen Kontroverse gekommen - wurde beauftragt, ein Gespräch mit Reichenbach zu führen. Das Ergebnis: Reichenbach komme als Ministerpräsident nicht in Frage. Eine diplomatische und, wie sich in der politischen Stabilität Sachsens zeigt, richtige Initiative der Erneuerer in der sächsischen CDU hieß, daß sie eine "erfahrene Persönlichkeit" aus dem Westen wünschten, nicht mehr gegen den abgeschlagenen Berghofer, aber nun gegen Reichenbach als Vertreter der Block-Vergangenheit der CDU.

Nach Mengeles Darstellung ist Späth einen Augenblick lang in Versuchung gewesen, sich selbst (als Spitzenkandidat der CDU) um das Amt des sächsischen Ministerpräsidenten zu bewerben. Das hätte sicher zunächst zu einem Erfolg geführt; doch sind Zweifel angebracht, ob die Sachsen, die selbst flink sind, einen Regenten für lange Zeit ertragen hätten, der sie darin noch überbot. Geißler und Biedenkopf kamen in Frage. Zu Sachsens Heil war der unruhige Geißler wieder einmal auf einer seiner, dem Alter nicht entsprechenden Bergtouren, also nicht zu erreichen. Biedenkopf war greifbar, er lehrte als Gastprofessor der ersten Stunde marktwirtschaftliche Ökonomie an der Universität Leipzig. So fiel die Wahl auf Biedenkopf.

Das sollte sich als Glücksfall für Sachsen erweisen. Auch Biedenkopf konnte die Schwierigkeiten des Übergangs nicht aus der Welt schaffen, auch er konnte nicht das Industriemuseum, zu dem die SED weithin auch Sachsen gemacht hatte, von einem Tag auf den anderen zu einer modernen Produktionsstätte machen. Aber er vermittelte den Sachsen das Gefühl eines Ziels, das auf einem langen Weg erreichbar sei, und er ermutigte den Mittelstand, bei dem sich die Marktwirtschaft noch am reinsten darstellt und durchsetzt. Biedenkopf wurde, so beschreibt es Mengele, letzten Endes von Späth für Sachsen gewonnen. Biedenkopf regiert seit 1990 mit starken absoluten Mehrheiten. Auf einem dramatischen CDU-Parteitag in Annaberg-Buchholz im Dezember 1991, im damals tief verschneiten Erzgebirge, wurde, so glaubte damals Arnold Vaatz, die Kluft in der CDU zwischen "Alten" und "Neuen" überbrückt; den dauerhafteren Pfeiler machten die Erneuerer aus. Die Passagen über Späths vermittelndes Eingreifen in die Entwicklung der CDU in Sachsen, über seine Rolle beim Finden eines Ministerpräsidenten aus dem Westen, machen den spannendsten Teil in Mengeles Buch aus. Sie sind, wie Beteiligte aus Sachsen sagen, ein korrekt wiedergegebenes Stück Zeitgeschichte. FRIEDRICH KARL FROMME

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