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Werner von Siemens gehört zu den Wegbereitern der Moderne. Anlässlich seines 200. Geburtstags zeichnet Johannes Bähr ein faszinierendes Bild dieses außergewöhnlichen Unternehmers und seiner Epoche. Dazu wurden erstmals tausende Briefe auf digitaler Basis ausgewertet.Als Erfinder hat Werner von Siemens dazu beigetragen, das Leben der Menschen zu verändern. Seine Innovationen spielten eine entscheidende Rolle, indem sie der Elektrizität immer neue Anwendungsfelder erschlossen: bei der Übertragung von Nachrichten, bei der Erzeugung von Energie, der Beleuchtung von Gebäuden und dem Antrieb von…mehr

Produktbeschreibung
Werner von Siemens gehört zu den Wegbereitern der Moderne. Anlässlich seines 200. Geburtstags zeichnet Johannes Bähr ein faszinierendes Bild dieses außergewöhnlichen Unternehmers und seiner Epoche. Dazu wurden erstmals tausende Briefe auf digitaler Basis ausgewertet.Als Erfinder hat Werner von Siemens dazu beigetragen, das Leben der Menschen zu verändern. Seine Innovationen spielten eine entscheidende Rolle, indem sie der Elektrizität immer neue Anwendungsfelder erschlossen: bei der Übertragung von Nachrichten, bei der Erzeugung von Energie, der Beleuchtung von Gebäuden und dem Antrieb von Maschinen. Doch der Pionier der Elektroindustrie war auch als Mensch facettenreich: Unternehmer und Erfinder, Offizier des preußischen Militärs, verantwortungsvoller Familienvater sowie Abgeordneter und Wissenschaftsförderer. Seine Biografie bietet das Panorama eines Jahrhunderts, in dem sich die Welt grundlegend wandelte. Kriege, Revolutionen, Könige und Zaren beeinflussten den Werdegang dieses Erfinderunternehmers, der Telegrafenkabel nach Nordamerika und Vorderasien verlegen ließ und die erste elektrische Straßenbahn derWelt baute.
Autorenporträt
Johannes Bähr ist apl. Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und hat zahlreiche Werke zur Unternehmensgeschichte veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2016

Nicht ohne die Familie
Ein Buch über Werner von Siemens

Eigentlich waren es die Brüder Werner, Wilhelm und Carl gemeinsam, die zusammen mit dem Mechanikermeister Johann Georg Halske die 1847 gegründete kleine Berliner "Telegraphen-Bauanstalt Siemens & Halske" zum lukrativen Weltkonzern machten. Doch wer den Namen Siemens hört, denkt vor allem an Werner (1816 bis 1892). Das hat auch damit zu tun, dass der drittälteste von insgesamt 11 Brüdern unter 14 Geschwistern kurz vor seinem Tod "Lebenserinnerungen" veröffentlichte. Sie galten lange Zeit als autoritative Quelle zu seiner Person. Pünktlich zum 200. Geburtstag am 13. Dezember erzählt der Frankfurter Unternehmenshistoriker Johannes Bähr ein weiteres Mal die Lebensgeschichte des Industriellen.

Den Schlüssel zur Biographie des erst vier Jahre vor seinem Tod geadelten Werner von Siemens und die bestimmende Größe für seinen wirtschaftlichen Erfolg sieht Bähr in dessen enger Beziehung zu seinen Geschwistern, besonders zu den Brüdern Wilhelm und dem ihm lebenslang am meisten emotional verbundenen Carl, für den er schon früh Vaterersatz war. Neben dem Unternehmer, Forscher und Erfinder, Verbandsgründer und Akademiemitglied beschreibt Bähr nun Werner von Siemens eingehend auch als Sohn und Bruder, Ehemann, Familienvater und Oberhaupt der verzweigten Siemens-Familie.

Material bieten 6500 erhaltene Briefe zwischen Werner und seinen Geschwistern, vor allem der Austausch mit den Brüdern Wilhelm und Carl. In den Schreiben finden sich geschäftliche und technische ebenso wie private Mitteilungen. Aber so viele Details über die weitverästelte Verwandtschaft muss man nicht kennen, um ihn als Familienmenschen zu begreifen, der als Mittzwanziger nach dem frühen Tod der Eltern Vormund von drei jüngeren Brüdern wurde.

Interessanter ist das Wie und Was der zahlreichen Entdeckungen, Erfindungen und Megaprojekte zu Telegrafie, Kabelverlegung und Elektrotechnik, das auch bei Bähr breiten Raum einnimmt. Mit der Entwicklung des ersten elektrischen Generators auf der Grundlage des von ihm wissenschaftlich begründeten dynamoelektrischen Prinzips bahnte Siemens den Weg für die Starkstromtechnik, speziell die elektrische Energietechnik. Bis heute gilt er vor allem als Vater der Elektrotechnik.

Bähr schildert den Industriellen überzeugend als forschenden Unternehmer: "Sein Leitbild war ein Familienunternehmen, dessen Fertigung auf eigenen Erfindungen oder Verbesserungsinnovationen beruhte." Dabei habe Siemens eigentlich gar nicht Unternehmer werden wollen, sondern ein Technikstudium angestrebt. Weil dazu das Geld in der kinderreichen Familie fehlte, verpflichtete er sich 1835 bei der preußischen Artillerie und besuchte deren Ingenieurschule. Als Offizier nutzte er die Möglichkeit, mit Experimenten Erfindungen zu machen und sein Einkommen zu verbessern. Unabhängig davon begeisterte ihn wissenschaftliche Arbeit an sich, und im Alter umgab er sich zunehmend mit dem Nimbus eines Gelehrten.

Sein Unternehmen, das zur heutigen Siemens AG wurde, gründete Werner 1847 zwei Jahre vor seinem Abschied vom Militär. Ohne jegliche Erfahrung in der Produktion startete er mit dem Mechaniker Johann Georg Halske eine Werkstatt, um seinen frisch patentierten Telegrafenapparat zu vermarkten. Die Gründung in der neuen Branche habe ein anderes Vorgehen als in älteren Industriezweigen erfordert, schreibt Bähr, "vor allem größere Bereitschaft zur Internationalisierung des Geschäfts und eine Abwägung der Risiken, die mit dem Einsatz noch nicht ausgereifter Techniken verbunden waren".

Das junge Unternehmen, das zunächst neben Telegrafen vor allem Eisenbahnläutwerke, Drahtisolierungen und Wassermesser herstellte, entwickelte sich von einer kleinen Werkstatt zu einem der weltweit größten Elektro- und Technologiekonzerne. Es wurde schnell preußischer Monopollieferant und war später mit russischen Staatsaufträgen erfolgreich. Nach einigen Fehlschlägen zog sich Werners bodenständigerer Gründungspartner Halske 1867 zurück. Diese Entscheidung wurde für Werner zum Anlass, über ein reines Familienunternehmen nachzudenken.

Eine solche Konstruktion hatte den Vorteil, dass das Kapital in der Familie blieb und die Gesellschafter stärker an das Unternehmen gebunden waren. Historisches Vorbild war offenbar die Finanzdynastie Rothschild, deren Stammvater zwei Jahre vor seinem Tod seine Söhne als Teilhaber in das Bankhaus aufnahm und sie verpflichtete, das Familienunternehmen zu erhalten. Ebenso wollte Werner "eine dauernde Firma stiften, welche vielleicht mal später unter der Leitung unserer Jungens eine Weltfirma à la Rothschild werden könnte und unseren Namen in der Welt zu Ansehen bringt", wie er an Carl schrieb. Weder Carl noch Bruder Wilhelm konnte dem ambitionierten Vorschlag des Älteren etwas abgewinnen. In einem Gesellschaftsvertrag einigte man sich 1867 weit entfernt von Werners multinationaler dynastischer Vision auf die Errichtung eines formalen "Gesamtgeschäftes". Später sicherten wenigstens Werners Söhne Arnold und Wilhelm den Fortbestand als Familienunternehmen.

Ende der 1870er Jahre kam mit der hauseigenen Dynamomaschine für Siemens in der Starkstromtechnik neuerlich eine führende, erfolgreiche Phase. Mit dem Übergang zum elektrotechnischen Großbetrieb entstanden veränderte Rahmenbedingungen, die in vielem ein Umdenken verlangten. Als überzeugter Eigentümerunternehmer, dem Bankkredite und Fremdkapital suspekt waren, sperrte sich Werner von Siemens lange Jahre hartnäckig gegen die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft.

"In dieser Hinsicht war Siemens ein Pionierunternehmer der frühen Industrialisierung, dessen Prinzipien nicht mehr so recht in die Zeit des Kaiserreichs passten", merkt Bähr an. Die Firma Siemens wurde alsbald beim Kraftwerks- und Stromnetzbau von der 1887 gegründeten AEG überrundet. Erst Werners jüngerer Bruder Carl realisierte 1897 fünf Jahre nach dessen Tod die überfällige Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft.

ULLA FÖLSING.

Johannes Bähr: Werner von Siemens. 1816-1892. C.H. Beck, München 2016, 576 Seiten, 29,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Was lernt man aus der Lektüre? Selbst wenn es mal nicht läuft: Niemals aufgeben! Man kann immer noch ein Siemens werden."Capital, Juni 2017