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A new history of the West German-Israeli relationship as these two countries faced terrorism, war, and economic upheaval in a global Cold War environment.

Produktbeschreibung
A new history of the West German-Israeli relationship as these two countries faced terrorism, war, and economic upheaval in a global Cold War environment.
Autorenporträt
Carole Fink is Humanities Distinguished Professor of History Emerita at the Ohio State University. She is the author of many books, including Cold War: An International History (2017), and Writing 20th Century International History: Explorations and Examples (2017). She was twice awarded the George Louis Beer Prize of the American Historical Association for Defending the Rights of Others: The Great Powers, the Jews, and International Minority Protection, 1878-1938 (Cambridge, 2004), and The Genoa Conference: European Diplomacy 1921-1922 (1984).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2019

Problemlos lief es nur beim Militär
Eine neue Geschichte der sehr besonderen deutsch-israelischen Beziehungen

Franz-Joseph Strauß führte gerade seinen Hund spazieren, als im Dezember 1957 die israelische Geheimdelegation in seinem Privathaus in Rott am Inn erschien. Bis spät in die Nacht saß Verteidigungsminister Strauß mit den Israelis unter der Leitung des damaligen Generaldirektors im Verteidigungsministerium und späteren Präsidenten Shimon Peres zusammen. Die Israelis waren angesichts der militärischen Bedrohung durch ihre arabischen Nachbarn dringend darauf angewiesen, Rüstungsgüter im Ausland zu erwerben und gleichzeitig durch den Verkauf eigener Waffen Devisen für ihren torkelnden Staatshaushalt einzunehmen. Man einigte sich schließlich auf ein geheimes Austauschgeschäft, das in der Folgezeit noch erweitert wurde: Die Bundeswehr würde unter anderem Uzi-Maschinenpistolen aus israelischer Produktion aufkaufen und zudem einzelne Exemplare von sowjetischen Waffen erhalten, die von den Israelis während des Suezkrieges 1956 erbeutet worden waren. Diese konnten daraufhin vom Bundesnachrichtendienst untersucht werden, um Rückschlüsse auf die sowjetische Waffentechnik zu erhalten. Im Gegenzug erbaten die Israelis Transportflugzeuge, Hubschrauber, Artilleriegeschütze und Panzerabwehrraketen.

Es war jedoch der Bundesrepublik nicht möglich, Israel auf direktem Wege Waffen zukommen zu lassen. Neben gesetzlichen Bestimmungen, die dies erschwerten, wollte Bonn in jedem Falle vermeiden, die arabischen Staaten durch die Waffenlieferungen zu verärgern. Verteidigungsminister Strauß ordnete deshalb an, die vereinbarten Rüstungsgüter aus den Depots der Bundeswehr zu entnehmen und bei der Polizei als gestohlen zu melden. Die Hubschrauber wurden zum Beispiel anschließend mit Nato-Abzeichen versehen, nach Marseille geflogen und von dort aus nach Israel verschifft.

In ihrem aktuellen Buch über die bilateralen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik zwischen 1965 und 1974 schildert die emeritierte Professorin der Ohio State University, Carole Fink, die anfangs geheimen Rüstungsgeschäfte zwischen Israel und der Bundesrepublik als das Perpetuum mobile der bilateralen Beziehungen: Nur in der militärischen und nachrichtendienstlichen Kooperation habe es ein westdeutsch-israelisches Verhältnis ohne Friktionen gegeben.

Ergänzend dazu untersucht Fink in ihrem Buch die gesamte Bandbreite der bilateralen Beziehungen im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich. Bis zur gegenseitigen diplomatischen Anerkennung im Jahre 1965 prägten dabei pragmatisch orientierte Eliten in der Staatsführung beider Länder das wechselseitige Verhältnis (beide Staaten hatten aufgrund des Kalten Krieges vielfach ähnliche Interessen). Zu einem verstärkten Austausch auch der Menschen beider Länder kam es indes erst infolge des Sechstagekrieges von 1967, der zu einer Welle der Solidarität der Westdeutschen mit Israel führte und maßgeblich dazu betrug, antideutsche Ressentiments in der israelischen Bevölkerung abzubauen.

Einen neuerlichen Einschnitt bedeutete der Regierungsantritt des Bundeskanzlers Willy Brandt im Jahre 1969, der gewillt war, neben seiner Ost- auch eine energische Nahost-Politik zu betreiben. Brandt konnte dabei auf seine Vita als Widerstandskämpfer zwischen 1933 und 1945 verweisen, um israelische Versuche abzuweisen, die Vergangenheit als Vehikel für aktuelle politische Konzessionen zu verwenden. Doch betonte Brandt wie schon seine Vorgänger die deutsche Verantwortung für die NS-Verbrechen. Das in der Folge mitunter konfliktreiche bilaterale Miteinander wurden zudem noch durch die verstärkte westdeutsche Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten belastet, die Waffen vom Partner der Brandtschen Ostpolitik, der Sowjetunion, erhielten.

Insgesamt, so resümiert Fink die Periode 1965 bis 1974, seien Westdeutsche und Israelis niemals alleine miteinander im Raum gewesen. Ihre bilateralen Beziehungen seien maßgeblich durch die amerikanisch-sowjetische Rivalität in Europa und im Nahen Osten, die arabischen Staaten, die Debatten innerhalb der EWG zur Nahost-Frage, aber auch die aufsteigenden Mächte in der "Dritten Welt" bestimmt gewesen.

Den zentralen Gegensatz zwischen beiden Ländern sieht Fink indes darin, dass Israels Grenzen bedroht blieben, während die Bundesrepublik unter dem atomaren Schutzschild der Vereinigten Staaten prosperieren konnte. Zudem habe die Bonner Regierung (durchaus auch notgedrungen) dem Krieg als Mittel der Politik abgeschworen. Israel hingegen habe es nach dem Sieg im Sechstagekrieg nicht vermocht, zu einem Frieden mit seinen Nachbarn zu finden. Aber auch die Vergangenheit war ein zentraler Faktor im bilateralen Verhältnis, analysiert Fink: So habe sich die Bundesrepublik um eine Aussöhnung mit den Opfern des Nationalsozialismus bemüht, um dem Schatten der Vergangenheit zu entkommen. Israel jedoch habe die Verbrechen des Holocaust in seiner Diplomatie weiterhin am Leben erhalten und sich gegen die westdeutsche Politik des "Blicks nach vorn" zur Wehr gesetzt. Gleichzeitig habe die israelische Regierung die eigene Vergangenheit, so Fink weiter, darunter die unrühmlichen Seiten des Unabhängigkeitskriegs gegen die arabischen Staaten 1948/49, aus den öffentlichen Diskursen verbannt.

Fink gelingt es insgesamt sehr gut, das westdeutsch-israelische Verhältnis in den Kontext der internationalen Beziehungen und Konflikte während des Kalten Krieges einzuordnen. Zudem geht sie in ihrer Darstellung über eine klassische Diplomatiegeschichte hinaus und beachtet - im Sinne einer New Diplomacy, die sich nicht nur auf die Regierungspolitik bezieht - auch etwa soziale und kulturelle Entwicklungen. Damit gelingt ihr eine gute Überblicksdarstellung in der Tradition der amerikanischen Studienbücher, die auf Quellen aufbauen, diese aber zugleich in größere Zusammenhänge einordnen und anschaulich erläutern. Dies weckt zwar nicht unbedingt den Zuspruch der Elfenbeinturmforschung, die sich im kleinsten Kreis abseits von Entscheidern und Multiplikatoren in Detailfragen verstrickt, doch werden derartige Studienbücher in Deutschland schmerzlich vermisst.

MICHAEL MAYER.

Carole Fink: West Germany and Israel. Foreign Relations, Domestic Politics, and the Cold War, 1965-1974.

Cambridge University Press, Cambridge 2019. 368 S., 74,99 £.

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