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Die Popularität der Poesie bleibt unbewiesen, aber sicher ist: In den Nischen blüht sie, auch wenn dieses Leben in den Wörtern kaum mehr öffentlich wird. Mannigfaltigkeit und Verworrenheit sind nicht zu übersehen. Doch über allem schwebt die Gefahr, unter sich zu bleiben. In dieser Lage scheint eine kritische Selbstparodie angemessen. Zum Beispiel im Intervall zwischen zwei totgesagten Gattungen: dem Western und der Dichtung. Denn Totgesagte leben länger. In komischem Ernst oder ernster Komik werden die letzten Helden auf den Schauplatz zitiert und Pistolen mit Wörtern geladen. Lesbar wird…mehr

Produktbeschreibung
Die Popularität der Poesie bleibt unbewiesen, aber sicher ist: In den Nischen blüht sie, auch wenn dieses Leben in den Wörtern kaum mehr öffentlich wird. Mannigfaltigkeit und Verworrenheit sind nicht zu übersehen. Doch über allem schwebt die Gefahr, unter sich zu bleiben. In dieser Lage scheint eine kritische Selbstparodie angemessen. Zum Beispiel im Intervall zwischen zwei totgesagten Gattungen: dem Western und der Dichtung. Denn Totgesagte leben länger. In komischem Ernst oder ernster Komik werden die letzten Helden auf den Schauplatz zitiert und Pistolen mit Wörtern geladen. Lesbar wird eine Poetik des Kugel-Schreibens, die in vielerlei Weise vom Leben und Sterben handelt, von den mächtigen Verlockungen der Gewalt des Schreibens sowie den Sehnsüchten der Selbstaufhebung. Aber auch von der Notwendigkeit, von Zeit zu Zeit Scheuklappen zu tragen, um Kraft zu schöpfen, während man sich für einen Moment von der Einfalt des Gesangs tragen lässt.
Autorenporträt
Tim Trzaskalik, 1970 in Bonn geboren, ist Autor und Übersetzer. Er lebt und arbeitet im Finistère und im hessischen Hinterland. 
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent und Autor Tobias Lehmkuhl scheint sich zunächst zu freuen über ein bisschen amerikanische Lakonie in der deutschsprachigen Literatur bzw. sogar Lyrik - in einem 170 Seiten starken Langgedicht verwandle Tim Trzaskalik klassische Western-Filme in Versform, staunt Lehmkuhl; jeder Abschnitt sei dabei einem der über sechzig hinten im Buch aufgelisteten Filme gewidmet. Aber die Lakonie hat es schwer im deutschen Raum, seufzt der Kritiker, und so komme auch Trzaskalik nicht aus ohne eine "gute Prise alteuropäischer Ironie" mit Hang zum "Nonsense" und manchmal auch zum "Kalauer" - das scheint den Rezensenten zumindest hin und wieder zum Schmunzeln zu bringen. Neue Perspektiven auf den Western oder die Gedichtform gewinnt er dadurch aber nicht, und er spricht auch von einer "typisch männlichen" Auseinandersetzung mit einem männlichen Genre. Zum besseren Verständnis der Anspielungen empfiehlt Lehmkuhl außerdem eine kurze Plot-Recherche der Filme auf Wikipedia.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2022

Tintenkiller möchte ich nicht sagen
Mit Schreibpulver geladen: Tim Trzaskaliks dichterische Hommage an das Western-Genre

Der Literaturwissenschaftler Karl Heinz Bohrer war bekanntlich ein großer Fan klassischer Westernfilme: Unter anderem hat er der Art, wie die großen Westernhelden die Füße voreinander setzen, eine bemerkenswerte Betrachtung gewidmet. So schreite Henry Fonda in "Spiel mir das Lied vom Tod" mit fast biblisch zu nennender Würde zum Duell, John Wayne dagegen stürze sich in "Der Mann, der Liberty Valance erschoss" mit schaufelnden Bewegungen geradezu vorwärts, während Robert Mitchums Gang grundsätzlich von "Ataraxia", gleichmütiger Seelenruhe und Laszivität geprägt sei.

Wie überhaupt, apropos Altes Griechenland, seit Homer nirgendwo der Zweikampf als "Archetypus des Heldischen" einen derartigen Stellenwert besitze wie im Western. Anders allerdings als in der "Ilias", in der der unbändige Zorn des Achill nach dem Tod Hektors lange kein Ende findet, ist die "Kennmarke" des Westernhelden die Lakonie.

Vielleicht auch deswegen hat der Western als uramerikanisches Genre in der deutschen Literatur bislang wenig Widerhall gefunden. Alles Heldische war ihr nach dem Zweiten Weltkrieg ausgetrieben, und Lakonie kannte man zwar von Hemingway, in der eigenen Sprache aber klangen die knappen Sätze immer etwas manieriert, waren die vielsilbigen Wörter stets ein Stück zu lang.

Dass es allerdings auch im Deutschen lakonisch gehen kann, und das zudem in Versform, zeigt nun der Dichter Tim Trzaskalik in seinem Band "Western": "Hier / reifen noch die schlechtesten streifen / in die zeit hinaus. / Sie schossen wild und geil / ins kraut. / Versmühle mahlt sie zu pulver. / Schreibpulver."

Mehr als sechzig Western-Filme verarbeitet der 1970 in Bonn geborene, im Finistère lebende Dichter und Übersetzer Trzaskalik auf diese Weise zu ebensolchem Schreibpulver. Den Westernhelden mit seinem Revolver verwandelt er dabei konsequent in einen Kugelschreiber: "Tintenkiller möchte ich nicht sagen." Man merkt, der amerikanischen Lakonie ist hier noch eine gute Prise alteuropäischer Ironie beigegeben, ein Hang zum Nonsense und auch zum Kalauer: "Ein kugelschreiber ohne hände / und der western ist am ende."

Jeder Abschnitt in diesem bemerkenswert langen Langgedicht (fast 170 Seiten!) ist inspiriert von einem der im Anhang verzeichneten Western. Wer all diese Filme nicht kennt, wird sich mit Trzaskaliks Strophen zuweilen etwas schwertun und verloren zwischen ihnen herumstolpern, als hätte man ihn zwischen den Felsen des Monument Valley ausgesetzt ("Einsamkeit ist eine Landschaft"). Aber es hilft schon, hier und da auf Wikipedia die Inhaltsangaben von Howard Hawks' "Red River" oder Edward Dmytryks "Warlock" zu lesen, um den einen oder anderen Bezug zu verstehen.

Hin und wieder treten auch Mitchum oder Fonda namentlich auf, sodass man ihre Gesichter oder ihren Gang vor sich sieht, und wenn es heißt: "es gibt nur wenige kugelschreiberinnen", ahnt man schon, dass sich die folgenden Zeilen auf den Western einer Regisseurin (Lina Wertmüller) beziehen werden.

Ansonsten ist der Western ein ausgesprochen männliches Genre, und man wundert sich nicht, dass es ein Mann ist, der in typisch männlicher Gründlichkeit hier Western in Gedichte verwandelt.

Handfest sind die allerdings nicht. Eher fliegen einem Trzaskaliks Verse wie Kugeln um die Ohren, ohne dass man sie wirklich zu fassen kriegte. Hat man etwas gelernt? Sieht man den Western mit neuen Augen? Das zeitgenössische Gedicht? Eher nicht. Festhalten lässt sich lediglich dies: "Die Lage ist verworren. / Klar ist nur: / Auf dem Marktplatz steht / alles wie auch immer befremdliche / auf verlorenen Posten." TOBIAS LEHMKUHL

Tim Trzaskalik: "Western".

Matthes & Seitz, Berlin 2022. 176 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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