Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.1998Wider die statischen Strategiekonzepte
Wharton-School-Dozenten analysieren den dynamischen Wettbewerb
George S. Day/David J. Reibstein/Robert E. Gunther: Wharton zur dynamischen Wettbewerbsstrategie. Econ-Verlag, Düsseldorf/München 1998, 495 Seiten, 128 DM.
Dieses Sammelwerk ist das in sich konsistente Ergebnis einer beispielhaften Zusammenarbeit der Dozenten der bekannten Wharton-School, die als eine der führenden Business-Schools gilt. Aus der Zusammenarbeit der Wissenschaftler ist ein Werk entstanden, in dem aus der interdisziplinären Perspektive die Dynamik des Wettbewerbs analysiert und in dem deutlich gemacht wird, daß Strategie mehr ist als die Suche nach dauerhaften Wettbewerbsvorteilen (die es ohnehin nicht gibt). Die Autoren sind sich darüber einig, daß strategisches Management die kontinuierliche Beobachtung des unternehmerischen Umfeldes, der Kunden und der Konkurrenten erfordert und daß es dabei darauf ankommt, unter sich dauernd verändernden Wettbewerbsbedingungen die jeweils richtigen Schachzüge auszuführen.
In insgesamt siebzehn Kapiteln, die nicht - wie in vielen anderen Sammelwerken zu beklagen - in einem eher lockeren Verbund nebeneinanderstehen, gehen die Verfasser auf so wichtige Themen ein wie Erkennung von Wettbewerbsvorteilen, Antizipation von Aktionen und Reaktionen der Konkurrenten, Formulierung dynamischer Wettbewerbsstrategien sowie Auswahl zwischen unterschiedlichen Wettbewerbsstrategien. Die Wissenschaftler versuchen erst gar nicht, vermeintliche Patentrezepte für den strategischen Erfolg zu entwickeln: Sie begnügen sich vielmehr damit, dem Leser zu zeigen, wie er die Markdynamik und das dieser Dynamik zugrundeliegende Zusammenspiel konkurrierender Marktkräfte besser verstehen kann. Sie räumen mit der falschen und gefährlichen Annahme auf, Unternehmen könnten sich mit einer einmal definierten und in der Vergangenheit durchaus erfolgreichen Wettbewerbsstrategie einen auch für die Zukunft dauerhaften Marktvorteil sichern. Sie halten eine Strafrede gegen die auch in der Praxis weitverbreiteten statischen Strategiekonzepte, die von den Strategie-Oberen Michael Porter einerseits und Gary Hamel sowie C. K. Prahalad (siehe F.A.Z. vom 12. Juni 1995) andererseits entwickelt worden sind und heute das Denken der Unternehmensstrategen und auch die Strategieberatung in gefährlich einseitiger Weise beherrschen. Die Wharton-School legt überzeugend dar, daß diese Ansätze zu kurz greifen. Sie fordert statt dessen eine breitere, dynamische Sichtweise. Die Effektivität einer Strategie werde nicht allein von der Initiativaktion eines Unternehmens bestimmt, sondern vor allem von der Interaktion der gewählten Strategie mit Konkurrenten, Kunden und anderen Mitspielern (zum Beispiel staatliche Stellen) mit Wettbewerbsumfeld. Es seien diese komplexen Interaktionen von Strategie und darauf folgenden Reaktionen, die den Wettbewerb ausmachten. Besonders in gesättigten Märkten sei der Wettbewerb bestenfalls ein Nullsummenspiel, in dem ein Unternehmen auf Kosten der anderen Zuwächse erziele. Je intensiver die Rivalität ausgeprägt sei, um so wahrscheinlicher mutiere der Wettbewerb zu einem Negativsummenspiel, in dem der Konkurrenzkampf allen beteiligten Mitspielern Kosten auferlege.
Den Autoren des Buches "Wharton zur dynamischen Wettbewerbsstrategie" ist durchweg zu attestieren, daß sie es verstanden haben, auch diffizile theoretische Konzepte wie zum Beispiel die Spieltheorie und die Verhaltenstheorie in anschaulicher Weise auf praktische Situationen zu projizieren. Sie kommen immer wieder - wie bei amerikanischen Business Schools üblich - auf konkrete praktische Beispiele zurück. Das ist erfrischend. Gleichwohl wird vom Leser Aufgeschlossenheit für anwendungsorientierte wissenschaftliche Arbeiten gefordert. Das Buch läßt sich nicht zwischen zwei Sitzungen oder bei der Taxifahrt zum Flughafen lesen. Der Leser wird mit einer gewissen Nachdenklichkeit, auch Ernüchterung(?) erkennen müssen, daß Marktführerschaft nicht nach dem Rezept "Man nehme drei Dinge" erreicht werden kann. In einem komplexen Umfeld, das sich immer schneller ändert, sollten die Strategen jederzeit aufmerksam und munter sein. Vor allem aber müßten sie - so lautet die Ermunterung der Wharton-Forscher - die Bereitschaft besitzen, aus ihren eigenen Experimenten sowie den Beobachtungen und Erfahrungen anderer zu lernen. Das sind ehrliche Botschaften, die die Strategie-Experten vermitteln und mit denen sie veranschaulichen, daß sich dynamische Erfolgsstrategien (glücklicherweise) nicht berechnen lassen.
Das Wharton-School-Buch kann allen jenen, die sich mit Unternehmensstrategien befassen, empfohlen werden. Es ist anschaulich und theoretisch anspruchsvoll zugleich. Durchweg bestätigen die Beiträge, daß es nichts so Praktisches gibt wie eine gute Theorie. Die Wharton-School setzt hiermit neue Akzente zu einem Thema, das Ökonomen, Unternehmer und Manager immer wieder gereizt hat. Vor allem die Verantwortlichen für die Unternehmen sollten es aufmerksam lesen. Sie werden dann hoffentlich vieles nicht nur bessern, sondern auch (besser) anders machen. ROBERT FIETEN
(Management-Forschungs-Team, Köln)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wharton-School-Dozenten analysieren den dynamischen Wettbewerb
George S. Day/David J. Reibstein/Robert E. Gunther: Wharton zur dynamischen Wettbewerbsstrategie. Econ-Verlag, Düsseldorf/München 1998, 495 Seiten, 128 DM.
Dieses Sammelwerk ist das in sich konsistente Ergebnis einer beispielhaften Zusammenarbeit der Dozenten der bekannten Wharton-School, die als eine der führenden Business-Schools gilt. Aus der Zusammenarbeit der Wissenschaftler ist ein Werk entstanden, in dem aus der interdisziplinären Perspektive die Dynamik des Wettbewerbs analysiert und in dem deutlich gemacht wird, daß Strategie mehr ist als die Suche nach dauerhaften Wettbewerbsvorteilen (die es ohnehin nicht gibt). Die Autoren sind sich darüber einig, daß strategisches Management die kontinuierliche Beobachtung des unternehmerischen Umfeldes, der Kunden und der Konkurrenten erfordert und daß es dabei darauf ankommt, unter sich dauernd verändernden Wettbewerbsbedingungen die jeweils richtigen Schachzüge auszuführen.
In insgesamt siebzehn Kapiteln, die nicht - wie in vielen anderen Sammelwerken zu beklagen - in einem eher lockeren Verbund nebeneinanderstehen, gehen die Verfasser auf so wichtige Themen ein wie Erkennung von Wettbewerbsvorteilen, Antizipation von Aktionen und Reaktionen der Konkurrenten, Formulierung dynamischer Wettbewerbsstrategien sowie Auswahl zwischen unterschiedlichen Wettbewerbsstrategien. Die Wissenschaftler versuchen erst gar nicht, vermeintliche Patentrezepte für den strategischen Erfolg zu entwickeln: Sie begnügen sich vielmehr damit, dem Leser zu zeigen, wie er die Markdynamik und das dieser Dynamik zugrundeliegende Zusammenspiel konkurrierender Marktkräfte besser verstehen kann. Sie räumen mit der falschen und gefährlichen Annahme auf, Unternehmen könnten sich mit einer einmal definierten und in der Vergangenheit durchaus erfolgreichen Wettbewerbsstrategie einen auch für die Zukunft dauerhaften Marktvorteil sichern. Sie halten eine Strafrede gegen die auch in der Praxis weitverbreiteten statischen Strategiekonzepte, die von den Strategie-Oberen Michael Porter einerseits und Gary Hamel sowie C. K. Prahalad (siehe F.A.Z. vom 12. Juni 1995) andererseits entwickelt worden sind und heute das Denken der Unternehmensstrategen und auch die Strategieberatung in gefährlich einseitiger Weise beherrschen. Die Wharton-School legt überzeugend dar, daß diese Ansätze zu kurz greifen. Sie fordert statt dessen eine breitere, dynamische Sichtweise. Die Effektivität einer Strategie werde nicht allein von der Initiativaktion eines Unternehmens bestimmt, sondern vor allem von der Interaktion der gewählten Strategie mit Konkurrenten, Kunden und anderen Mitspielern (zum Beispiel staatliche Stellen) mit Wettbewerbsumfeld. Es seien diese komplexen Interaktionen von Strategie und darauf folgenden Reaktionen, die den Wettbewerb ausmachten. Besonders in gesättigten Märkten sei der Wettbewerb bestenfalls ein Nullsummenspiel, in dem ein Unternehmen auf Kosten der anderen Zuwächse erziele. Je intensiver die Rivalität ausgeprägt sei, um so wahrscheinlicher mutiere der Wettbewerb zu einem Negativsummenspiel, in dem der Konkurrenzkampf allen beteiligten Mitspielern Kosten auferlege.
Den Autoren des Buches "Wharton zur dynamischen Wettbewerbsstrategie" ist durchweg zu attestieren, daß sie es verstanden haben, auch diffizile theoretische Konzepte wie zum Beispiel die Spieltheorie und die Verhaltenstheorie in anschaulicher Weise auf praktische Situationen zu projizieren. Sie kommen immer wieder - wie bei amerikanischen Business Schools üblich - auf konkrete praktische Beispiele zurück. Das ist erfrischend. Gleichwohl wird vom Leser Aufgeschlossenheit für anwendungsorientierte wissenschaftliche Arbeiten gefordert. Das Buch läßt sich nicht zwischen zwei Sitzungen oder bei der Taxifahrt zum Flughafen lesen. Der Leser wird mit einer gewissen Nachdenklichkeit, auch Ernüchterung(?) erkennen müssen, daß Marktführerschaft nicht nach dem Rezept "Man nehme drei Dinge" erreicht werden kann. In einem komplexen Umfeld, das sich immer schneller ändert, sollten die Strategen jederzeit aufmerksam und munter sein. Vor allem aber müßten sie - so lautet die Ermunterung der Wharton-Forscher - die Bereitschaft besitzen, aus ihren eigenen Experimenten sowie den Beobachtungen und Erfahrungen anderer zu lernen. Das sind ehrliche Botschaften, die die Strategie-Experten vermitteln und mit denen sie veranschaulichen, daß sich dynamische Erfolgsstrategien (glücklicherweise) nicht berechnen lassen.
Das Wharton-School-Buch kann allen jenen, die sich mit Unternehmensstrategien befassen, empfohlen werden. Es ist anschaulich und theoretisch anspruchsvoll zugleich. Durchweg bestätigen die Beiträge, daß es nichts so Praktisches gibt wie eine gute Theorie. Die Wharton-School setzt hiermit neue Akzente zu einem Thema, das Ökonomen, Unternehmer und Manager immer wieder gereizt hat. Vor allem die Verantwortlichen für die Unternehmen sollten es aufmerksam lesen. Sie werden dann hoffentlich vieles nicht nur bessern, sondern auch (besser) anders machen. ROBERT FIETEN
(Management-Forschungs-Team, Köln)
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