Hal Brands explains why grand strategy is a concept that is so alluring and so elusive to those who make American statecraft, exploring what grand strategy is, why it is so essential, and why it is so hard to get right.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2014George W. Bush als Versager
Im Maschinenraum der amerikanischen Weltpolitik seit dem Jahr 1945
Spätestens seit dem Eintritt der Vereinigten Staaten von Amerika in den Zweiten Weltkrieg ist die Außenpolitik der Supermacht des 20. Jahrhunderts durch einen doppelten Globalismus gekennzeichnet: durch die Globalisierung des Aktionsradius und durch die globale, zivilreligiös legitimierte Sendungsidee der Freiheit. Innerhalb dieses Globalismus kann man drei große Zielsetzungen unterscheiden, die allerdings nicht immer mit gleicher Intensität verfolgt wurden: erstens den unteilbaren, liberal-kapitalistischen Weltmarkt; zweitens die unteilbare Sicherheit, das heißt die Aufrechterhaltung eines pro-amerikanischen Gleichgewichtes in der Welt und die Verhinderung feindlicher Hegemonialmächte auf dem eurasischen Doppelkontinent, die langfristig die Sicherheit der westlichen Hemisphäre, des Sanktuariums der Vereinigten Staaten, gefährden könnten; drittens die unteilbare Freiheit, das heißt das weltweite Gebot, Demokratie und repräsentative, aus Wahlen hervorgegangene Regierungen zu fordern, wenn nötig, auch mit Gewalt zu etablieren.
Wenn der Schauplatz amerikanischer Außenpolitik grundsätzlich die ganze Welt ist, scheint es selbstverständlich zu sein, dass die jeweilige amerikanische "Staatskunst" auf einer "Großen Strategie" beruhen sollte, um die amerikanischen Interessen und Werte nicht nur zu proklamieren, sondern auch durchzusetzen. Vor allem ging es nach 1945 auch um die Legitimierung oder die Androhung von Kriegen, da die Vereinigten Staaten nicht nur die säkulare Konfrontation des Kalten Krieges gewannen, sondern auch fast immer heiße Kriege führten: in Korea, Vietnam, Laos und Kambodscha, zweimal im Irak, den Luftkrieg gegen Serbien, den Krieg in Afghanistan und kleinere militärische Konflikte in Lateinamerika und Afrika.
Dieser Globalismus der amerikanischen Außenpolitik ist der Hintergrund für die zentrale Frage des Buches von Hal Brands, eines Professors für Geschichte und Public History an der Duke University, nämlich die Frage, ob die Regierungen unter den Präsidenten Harry S. Truman (1945 bis 1953), Richard Nixon (1969 bis 1974), Ronald Reagan (1981 bis 1990) und George W. Bush (2001 bis 2009) tatsächlich eine "Große Strategie" verfolgt haben, die diesen Namen verdient. Diese zugleich empirische und normative Frage kann nur beantwortet werden, wenn man überzeugende Kriterien für eine solche Strategie vorlegen und Washingtons Außenpolitiker daran messen kann. Genau das leistet der Autor. Deshalb liegt der Erkenntnisgewinn dieses lesenswerten und mit überraschenden Zitaten gespickten Buches darin, dass er den Leser anhand seiner Leitfrage gleichsam in den Maschinenraum amerikanischer Weltpolitik über sechs Jahrzehnte führt. Allen Entscheidungsträgern deutscher Außenpolitik sei dieses Buch ans Herz gelegt. Seine Analyse und Kritik der Regierungen Truman, Nixon, Reagan und Bush junior beruht auf gut begründeten Kriterien, die er am Ende des Buches noch einmal zusammenfasst.
Ausgangspunkt ist seine Überzeugung, dass es für eine Supermacht keine Alternative zu einer "Großen Strategie" gäbe. Jede amerikanische Regierung müsse Prioritäten und Grenzen setzen, Mittel und Zwecke ausbalancieren und sich grundsätzlich über den Platz des Landes in der Welt klar werden. Konsequenterweise müsse man nicht nur viel Geist, sondern auch viel Geld in die Planung stecken, um weltpolitische Entscheidungen nicht von den Vorlieben und der zufälligen Weltsicht eines Präsidenten abhängig zu machen. Die Planung müsse ein revisionsfähiger Prozess sein, keine fixe Blaupause. Es sei notwendig, ebenso viele Ressourcen auf die Frage zu verwenden, wie man ein Ziel erreiche, wie auf die Frage, was man erreichen wolle.
Schließlich müsse auch die amerikanische Entscheidungselite sich auf das Durcheinander, die Stimmungsumschwünge und Irrationalitäten des demokratischen Verfahrens bei der Durchsetzung einer Strategie einlassen (embrace the democratic messiness). Man solle nicht, wie das etwa George F. Kennan, der Vater der Eindämmungspolitik, oder Henry Kissinger, der "Metternich" Nixons, beredt getan haben, die mangelnde Effektivität von Außenpolitik in demokratischen Staaten beklagen, sondern hart daran arbeiten, auch in der Innenpolitik einen Konsens über außenpolitische Grundfragen zu erreichen. Präsident Obama würde diesem Ratschlag angesichts der destruktiven Dauerblockade durch die Republikaner allerdings nur ein müdes Lächeln abgewinnen.
Unter diesen Bedingungen sei es möglich, so der optimistische Autor, Vision, Rationalität und Macht in Einklang zu bringen, Stabilität zu garantieren und den Ereignissen in der Welt eine "eigene Bedeutung zu geben" - sprich: nach amerikanischen Interessen und Werten zu formen. Am Maßstab dieser Kriterien fällt sein Urteil über die von ihm analysierten Regierungen sehr unterschiedlich aus. Bei aller Kritik im Einzelnen erkennt der Autor an, dass Truman und Reagan "Große Strategien" entworfen und durchgesetzt haben. Truman habe die Grundlage für die Eindämmungsstrategie und die Stabilisierung des Westens im Kalten Krieg gelegt; Reagan habe geholfen, den Kalten Krieg auf eine Art zu beenden, die niemand für möglich gehalten habe.
Für das Gespann Nixon-Kissinger kommt der Autor zwar zu einem kritischeren Gesamturteil, erkennt aber an, dass beide eine Strategie entwickelten, um den kontrollierten Rückzug aus Vietnam mit einer außenpolitischen Öffnung gegenüber China und der Sowjetunion zu verbinden und damit der Eindämmungspolitik die strategische Grundlage zu entziehen. Seine Kritik an der Regierung von George W. Bush dagegen ist vernichtend. Der Triumphalismus und der Größenwahn von Bush dem Jüngeren und seiner Berater, einer Gruppe konservativer Revolutionäre, nach 9/11 eine unipolare Pax Americana zu begründen, scheiterte für den Autor genau daran, dass Bush fast alle Maximen einer erfolgreichen "Großen Strategie" missachtete. Die Folgen sind bekannt: die militärische, konzeptionelle und administrative Hilflosigkeit nach den schnellen militärischen Erfolgen in Afghanistan und Irak, der gewaltige Ansehensverlust der Vereinigten Staaten in der Welt, der sinnlose Verbrauch von Menschen und Ressourcen, die weitere Expansion des von Paranoia und Big Data getriebenen Sicherheits- und Überwachungsstaates, die wachsende Unwilligkeit des amerikanischen Volkes, weiter die Last eines Garanten der internationalen Ordnung zu tragen, schließlich die Unmöglichkeit für Präsident Obama, mit den Folgen dieses Erbes fertig zu werden.
DETLEF JUNKER
Hal Brands: What Good Is Grand Strategy? Power and Purpose in American Statecraft from Harry S. Truman to George W. Bush. Cornell University Press, New York 2014. 273 S., 22,30 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Maschinenraum der amerikanischen Weltpolitik seit dem Jahr 1945
Spätestens seit dem Eintritt der Vereinigten Staaten von Amerika in den Zweiten Weltkrieg ist die Außenpolitik der Supermacht des 20. Jahrhunderts durch einen doppelten Globalismus gekennzeichnet: durch die Globalisierung des Aktionsradius und durch die globale, zivilreligiös legitimierte Sendungsidee der Freiheit. Innerhalb dieses Globalismus kann man drei große Zielsetzungen unterscheiden, die allerdings nicht immer mit gleicher Intensität verfolgt wurden: erstens den unteilbaren, liberal-kapitalistischen Weltmarkt; zweitens die unteilbare Sicherheit, das heißt die Aufrechterhaltung eines pro-amerikanischen Gleichgewichtes in der Welt und die Verhinderung feindlicher Hegemonialmächte auf dem eurasischen Doppelkontinent, die langfristig die Sicherheit der westlichen Hemisphäre, des Sanktuariums der Vereinigten Staaten, gefährden könnten; drittens die unteilbare Freiheit, das heißt das weltweite Gebot, Demokratie und repräsentative, aus Wahlen hervorgegangene Regierungen zu fordern, wenn nötig, auch mit Gewalt zu etablieren.
Wenn der Schauplatz amerikanischer Außenpolitik grundsätzlich die ganze Welt ist, scheint es selbstverständlich zu sein, dass die jeweilige amerikanische "Staatskunst" auf einer "Großen Strategie" beruhen sollte, um die amerikanischen Interessen und Werte nicht nur zu proklamieren, sondern auch durchzusetzen. Vor allem ging es nach 1945 auch um die Legitimierung oder die Androhung von Kriegen, da die Vereinigten Staaten nicht nur die säkulare Konfrontation des Kalten Krieges gewannen, sondern auch fast immer heiße Kriege führten: in Korea, Vietnam, Laos und Kambodscha, zweimal im Irak, den Luftkrieg gegen Serbien, den Krieg in Afghanistan und kleinere militärische Konflikte in Lateinamerika und Afrika.
Dieser Globalismus der amerikanischen Außenpolitik ist der Hintergrund für die zentrale Frage des Buches von Hal Brands, eines Professors für Geschichte und Public History an der Duke University, nämlich die Frage, ob die Regierungen unter den Präsidenten Harry S. Truman (1945 bis 1953), Richard Nixon (1969 bis 1974), Ronald Reagan (1981 bis 1990) und George W. Bush (2001 bis 2009) tatsächlich eine "Große Strategie" verfolgt haben, die diesen Namen verdient. Diese zugleich empirische und normative Frage kann nur beantwortet werden, wenn man überzeugende Kriterien für eine solche Strategie vorlegen und Washingtons Außenpolitiker daran messen kann. Genau das leistet der Autor. Deshalb liegt der Erkenntnisgewinn dieses lesenswerten und mit überraschenden Zitaten gespickten Buches darin, dass er den Leser anhand seiner Leitfrage gleichsam in den Maschinenraum amerikanischer Weltpolitik über sechs Jahrzehnte führt. Allen Entscheidungsträgern deutscher Außenpolitik sei dieses Buch ans Herz gelegt. Seine Analyse und Kritik der Regierungen Truman, Nixon, Reagan und Bush junior beruht auf gut begründeten Kriterien, die er am Ende des Buches noch einmal zusammenfasst.
Ausgangspunkt ist seine Überzeugung, dass es für eine Supermacht keine Alternative zu einer "Großen Strategie" gäbe. Jede amerikanische Regierung müsse Prioritäten und Grenzen setzen, Mittel und Zwecke ausbalancieren und sich grundsätzlich über den Platz des Landes in der Welt klar werden. Konsequenterweise müsse man nicht nur viel Geist, sondern auch viel Geld in die Planung stecken, um weltpolitische Entscheidungen nicht von den Vorlieben und der zufälligen Weltsicht eines Präsidenten abhängig zu machen. Die Planung müsse ein revisionsfähiger Prozess sein, keine fixe Blaupause. Es sei notwendig, ebenso viele Ressourcen auf die Frage zu verwenden, wie man ein Ziel erreiche, wie auf die Frage, was man erreichen wolle.
Schließlich müsse auch die amerikanische Entscheidungselite sich auf das Durcheinander, die Stimmungsumschwünge und Irrationalitäten des demokratischen Verfahrens bei der Durchsetzung einer Strategie einlassen (embrace the democratic messiness). Man solle nicht, wie das etwa George F. Kennan, der Vater der Eindämmungspolitik, oder Henry Kissinger, der "Metternich" Nixons, beredt getan haben, die mangelnde Effektivität von Außenpolitik in demokratischen Staaten beklagen, sondern hart daran arbeiten, auch in der Innenpolitik einen Konsens über außenpolitische Grundfragen zu erreichen. Präsident Obama würde diesem Ratschlag angesichts der destruktiven Dauerblockade durch die Republikaner allerdings nur ein müdes Lächeln abgewinnen.
Unter diesen Bedingungen sei es möglich, so der optimistische Autor, Vision, Rationalität und Macht in Einklang zu bringen, Stabilität zu garantieren und den Ereignissen in der Welt eine "eigene Bedeutung zu geben" - sprich: nach amerikanischen Interessen und Werten zu formen. Am Maßstab dieser Kriterien fällt sein Urteil über die von ihm analysierten Regierungen sehr unterschiedlich aus. Bei aller Kritik im Einzelnen erkennt der Autor an, dass Truman und Reagan "Große Strategien" entworfen und durchgesetzt haben. Truman habe die Grundlage für die Eindämmungsstrategie und die Stabilisierung des Westens im Kalten Krieg gelegt; Reagan habe geholfen, den Kalten Krieg auf eine Art zu beenden, die niemand für möglich gehalten habe.
Für das Gespann Nixon-Kissinger kommt der Autor zwar zu einem kritischeren Gesamturteil, erkennt aber an, dass beide eine Strategie entwickelten, um den kontrollierten Rückzug aus Vietnam mit einer außenpolitischen Öffnung gegenüber China und der Sowjetunion zu verbinden und damit der Eindämmungspolitik die strategische Grundlage zu entziehen. Seine Kritik an der Regierung von George W. Bush dagegen ist vernichtend. Der Triumphalismus und der Größenwahn von Bush dem Jüngeren und seiner Berater, einer Gruppe konservativer Revolutionäre, nach 9/11 eine unipolare Pax Americana zu begründen, scheiterte für den Autor genau daran, dass Bush fast alle Maximen einer erfolgreichen "Großen Strategie" missachtete. Die Folgen sind bekannt: die militärische, konzeptionelle und administrative Hilflosigkeit nach den schnellen militärischen Erfolgen in Afghanistan und Irak, der gewaltige Ansehensverlust der Vereinigten Staaten in der Welt, der sinnlose Verbrauch von Menschen und Ressourcen, die weitere Expansion des von Paranoia und Big Data getriebenen Sicherheits- und Überwachungsstaates, die wachsende Unwilligkeit des amerikanischen Volkes, weiter die Last eines Garanten der internationalen Ordnung zu tragen, schließlich die Unmöglichkeit für Präsident Obama, mit den Folgen dieses Erbes fertig zu werden.
DETLEF JUNKER
Hal Brands: What Good Is Grand Strategy? Power and Purpose in American Statecraft from Harry S. Truman to George W. Bush. Cornell University Press, New York 2014. 273 S., 22,30 [Euro].
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