In What Photography Is, James Elkins examines the strange and alluring power of photography in the same provocative and evocative manner as he explored oil painting in his best-selling What Painting Is. In the course of an extended imaginary dialogue with Roland Barthes's Camera Lucida, Elkins argues that photography is also about meaninglessness--its apparently endless capacity to show us things that we do not want or need to see--and also about pain, because extremely powerful images can sear permanently into our consciousness. Extensively illustrated with a surprising range of images, the book demonstrates that what makes photography uniquely powerful is its ability to express the difficulty--physical, psychological, emotional, and aesthetic--of the act of seeing.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.09.2012Was da nicht alles in den Bildern wuselt!
Mit und gegen Roland Barthes geschrieben: James Elkins umkreist das Wesen der Fotografie
Die Zeit der Grundsatzfragen ist vorbei. Jetzt werden Antworten gegeben. Jedenfalls stellt der in Chicago lehrende Kunstwissenschaftlicher James Elkins in seinem Buch nicht weniger in Aussicht als zu klären, "was Fotografie ist". Und noch bevor Elkins angefangen hat zu schreiben, scheint eine Entscheidung bereits festgestanden zu haben: Die längst vollkommen unübersichtlich gewordene Landschaft der Fotoliteratur wird er gar nicht erst betreten, um seinen auf das große Ganze einer Medientheorie zielenden Entwurf auszuarbeiten. Fußnoten oder auch ein Literaturverzeichnis sucht man bei Elkins vergeblich. Nur hin und wieder finden sich einigermaßen kurzatmige Querverweise in Klammern gerückt.
Wer nun vermutet, der in der Tat irritierend produktive Elkins habe also auch noch dieses Feld von Kunstgeschichte und Bildtheorie geschwind bestellen wollen, liegt jedoch falsch. Die kaum mehr als zweihundert Seiten dieses Buches sind ein fortgesetztes Experiment, wie sich über Fotografie überhaupt sprechen lässt. Und um es vorwegzunehmen: Dieses Experiment gelingt auf eindrucksvolle Weise.
Ganz ohne jeden Bezugspunkt zu der ihm vorausgehenden Fototheorie kommt natürlich auch Elkins nicht aus. Seine Wahl scheint mit der "Hellen Kammer" von Roland Barthes indes nicht eben sonderlich überraschend auszufallen. Dieser schmale, erstmals 1980 publizierte Essay ist schnell zum noch immer am häufigsten zitierten Text der Fototheorie aufgestiegen ist. Barthes versah sein schmales Buch mit dem bescheidenen Untertitel "Bemerkungen zur Photographie". Und tatsächlich hatte er anderes im Sinn als komplex gebaute Begriffssysteme von höchstem wissenschaftlichen Anspruch. Spätestens seit dem Erscheinen von Barthes' "Tagebuch der Trauer", das er unmittelbar nach dem Tod seiner Mutter zu schreiben begann, haben wir es schwarz auf weiß: "Die helle Kammer" ist eine mit den Mitteln der Bildbetrachtung geführte Trauerarbeit, die den persönlichen Tonfall bestenfalls nachlässig hinter bildtheoretischen Erörterungen zu verbergen sucht.
Mit Roland Barthes hat die erste Person Singular in die Fototheorie Einzug gehalten. Und es ist Elkins, der ebendiese Rede über Bilder in Ich-Form nicht allein lustvoll aufgreift, sondern ins Programmatische wendet. Dabei treibt Elkins seine Bezugnahme auf Barthes zu einer erstaunlichen Mimikry: Die gewählten Drucktypen, die charakteristischen Bildunterschriften, die stenographischen Literaturhinweise, die in den Text eingestreuten Abbildungen - all dies wird minutiös an das graphische Design der "Hellen Kammer" angelehnt.
Noch einmal will Elkins zu jener Versuchsanordnung zurückkehren, die Barthes beim Schreiben seines Essays errichtet hatte und die auf eine scheinbar sehr einfache Frage ausgerichtet war: "Was weiß mein Körper von der Fotografie?" Das eigene Wahrnehmungserlebnis im Angesicht einzelner Fotografien, heißt dies, ist hier Voraussetzung wie Kriterium für ein allgemeines Sprechen über das fotografische Bild.
Der Idee dieses Selbstversuches bleibt Elkins treu. Dann aber enden die Gemeinsamkeiten. Denn ebenso freundlich wie unmissverständlich macht Elkins deutlich, dass er den in der "Hellen Kammer" ausgebreiteten persönlichen Bilder-Kanon vor allem für eines hält: für harmlosen Mittelklasse-Kitsch, der vollkommen ungeeignet ist, um über Fotografie mehr als das bloß Offensichtliche zu sagen. Und überhaupt spricht Elkins gerade jenen fotografischen Bildern, die nicht allein Barthes, sondern wohl überhaupt den meisten am Herzen liegen, mit provozierender Emphase jeden weiterführenden Wert ab, wenn es um das Grundsätzliche geht; wenn also in Frage steht, was Fotografie ist. Familienfotos, überhaupt jedes Portrait, schließlich das weite Feld der "street photography" und auch all jene Großtableaus, die seit bald zwanzig Jahren in den Museen und Galerien davon zeugen, welch hohen künstlerischen Status die Fotografie unterdessen gewinnen konnte - all das sind aus Elkins' Sicht kaum mehr als missliche Ablenkungen von der einzigartigen visuellen Kraft, die von fotografischen Bildern ausgeht.
Das Sujet, heißt dies, besitzt für die Frage nach der Eigenart des Fotografischen, keine Relevanz. Es sind viel mehr die kleinen, ganz unscheinbaren, wie unabsichtlich ins Bild tretenden Dinge, die für Elkins wesentlich sind. Ohne dies zu erwähnen, kehrt Elkins mit einer solchen Faszination, die sich an der nicht auszählbaren Fülle visueller Spuren entzündet, zu einer sehr alten, ja zur ältesten Form der Bildbetrachtung im Angesicht von Fotografien zurück. Bereits Daguerre verstand es, das Erstaunen über seine Bilderfindung durch das Reichen einer Lupe noch weiter zu befeuern.
Auch Elkins weiß, dass in unserer bildersatten Zeit kaum etwas ferner liegen mag als ein solches Staunen über den Reichtum jeder einzelnen Fotografie. Und unverkennbar verdankt sich sein hier anschließendes phänomenologisch inspiriertes Plädoyer für die Fotografie den Erfahrungen eines Universitätslehrers, dessen Unterricht auf die Kultivierung visueller Aufmerksamkeit zielt. Sich anhand von Bildern den Möglichkeiten des eigenen Sehens bewusst zu werden ist indes weit mehr als eine akademische Angelegenheit. Und Fotografien - hierin ist Elkins zuzustimmen - sind bei weitem nicht die schlechteste Gelegenheit, seine eigene Wahrnehmung immer wieder neu auf die Probe zu stellen.
STEFFEN SIEGEL
James Elkins: "What Photography Is".
Routledge Taylor & Francis Group, New York und London 2011. 226 S., br., 24,99 £.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit und gegen Roland Barthes geschrieben: James Elkins umkreist das Wesen der Fotografie
Die Zeit der Grundsatzfragen ist vorbei. Jetzt werden Antworten gegeben. Jedenfalls stellt der in Chicago lehrende Kunstwissenschaftlicher James Elkins in seinem Buch nicht weniger in Aussicht als zu klären, "was Fotografie ist". Und noch bevor Elkins angefangen hat zu schreiben, scheint eine Entscheidung bereits festgestanden zu haben: Die längst vollkommen unübersichtlich gewordene Landschaft der Fotoliteratur wird er gar nicht erst betreten, um seinen auf das große Ganze einer Medientheorie zielenden Entwurf auszuarbeiten. Fußnoten oder auch ein Literaturverzeichnis sucht man bei Elkins vergeblich. Nur hin und wieder finden sich einigermaßen kurzatmige Querverweise in Klammern gerückt.
Wer nun vermutet, der in der Tat irritierend produktive Elkins habe also auch noch dieses Feld von Kunstgeschichte und Bildtheorie geschwind bestellen wollen, liegt jedoch falsch. Die kaum mehr als zweihundert Seiten dieses Buches sind ein fortgesetztes Experiment, wie sich über Fotografie überhaupt sprechen lässt. Und um es vorwegzunehmen: Dieses Experiment gelingt auf eindrucksvolle Weise.
Ganz ohne jeden Bezugspunkt zu der ihm vorausgehenden Fototheorie kommt natürlich auch Elkins nicht aus. Seine Wahl scheint mit der "Hellen Kammer" von Roland Barthes indes nicht eben sonderlich überraschend auszufallen. Dieser schmale, erstmals 1980 publizierte Essay ist schnell zum noch immer am häufigsten zitierten Text der Fototheorie aufgestiegen ist. Barthes versah sein schmales Buch mit dem bescheidenen Untertitel "Bemerkungen zur Photographie". Und tatsächlich hatte er anderes im Sinn als komplex gebaute Begriffssysteme von höchstem wissenschaftlichen Anspruch. Spätestens seit dem Erscheinen von Barthes' "Tagebuch der Trauer", das er unmittelbar nach dem Tod seiner Mutter zu schreiben begann, haben wir es schwarz auf weiß: "Die helle Kammer" ist eine mit den Mitteln der Bildbetrachtung geführte Trauerarbeit, die den persönlichen Tonfall bestenfalls nachlässig hinter bildtheoretischen Erörterungen zu verbergen sucht.
Mit Roland Barthes hat die erste Person Singular in die Fototheorie Einzug gehalten. Und es ist Elkins, der ebendiese Rede über Bilder in Ich-Form nicht allein lustvoll aufgreift, sondern ins Programmatische wendet. Dabei treibt Elkins seine Bezugnahme auf Barthes zu einer erstaunlichen Mimikry: Die gewählten Drucktypen, die charakteristischen Bildunterschriften, die stenographischen Literaturhinweise, die in den Text eingestreuten Abbildungen - all dies wird minutiös an das graphische Design der "Hellen Kammer" angelehnt.
Noch einmal will Elkins zu jener Versuchsanordnung zurückkehren, die Barthes beim Schreiben seines Essays errichtet hatte und die auf eine scheinbar sehr einfache Frage ausgerichtet war: "Was weiß mein Körper von der Fotografie?" Das eigene Wahrnehmungserlebnis im Angesicht einzelner Fotografien, heißt dies, ist hier Voraussetzung wie Kriterium für ein allgemeines Sprechen über das fotografische Bild.
Der Idee dieses Selbstversuches bleibt Elkins treu. Dann aber enden die Gemeinsamkeiten. Denn ebenso freundlich wie unmissverständlich macht Elkins deutlich, dass er den in der "Hellen Kammer" ausgebreiteten persönlichen Bilder-Kanon vor allem für eines hält: für harmlosen Mittelklasse-Kitsch, der vollkommen ungeeignet ist, um über Fotografie mehr als das bloß Offensichtliche zu sagen. Und überhaupt spricht Elkins gerade jenen fotografischen Bildern, die nicht allein Barthes, sondern wohl überhaupt den meisten am Herzen liegen, mit provozierender Emphase jeden weiterführenden Wert ab, wenn es um das Grundsätzliche geht; wenn also in Frage steht, was Fotografie ist. Familienfotos, überhaupt jedes Portrait, schließlich das weite Feld der "street photography" und auch all jene Großtableaus, die seit bald zwanzig Jahren in den Museen und Galerien davon zeugen, welch hohen künstlerischen Status die Fotografie unterdessen gewinnen konnte - all das sind aus Elkins' Sicht kaum mehr als missliche Ablenkungen von der einzigartigen visuellen Kraft, die von fotografischen Bildern ausgeht.
Das Sujet, heißt dies, besitzt für die Frage nach der Eigenart des Fotografischen, keine Relevanz. Es sind viel mehr die kleinen, ganz unscheinbaren, wie unabsichtlich ins Bild tretenden Dinge, die für Elkins wesentlich sind. Ohne dies zu erwähnen, kehrt Elkins mit einer solchen Faszination, die sich an der nicht auszählbaren Fülle visueller Spuren entzündet, zu einer sehr alten, ja zur ältesten Form der Bildbetrachtung im Angesicht von Fotografien zurück. Bereits Daguerre verstand es, das Erstaunen über seine Bilderfindung durch das Reichen einer Lupe noch weiter zu befeuern.
Auch Elkins weiß, dass in unserer bildersatten Zeit kaum etwas ferner liegen mag als ein solches Staunen über den Reichtum jeder einzelnen Fotografie. Und unverkennbar verdankt sich sein hier anschließendes phänomenologisch inspiriertes Plädoyer für die Fotografie den Erfahrungen eines Universitätslehrers, dessen Unterricht auf die Kultivierung visueller Aufmerksamkeit zielt. Sich anhand von Bildern den Möglichkeiten des eigenen Sehens bewusst zu werden ist indes weit mehr als eine akademische Angelegenheit. Und Fotografien - hierin ist Elkins zuzustimmen - sind bei weitem nicht die schlechteste Gelegenheit, seine eigene Wahrnehmung immer wieder neu auf die Probe zu stellen.
STEFFEN SIEGEL
James Elkins: "What Photography Is".
Routledge Taylor & Francis Group, New York und London 2011. 226 S., br., 24,99 £.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"The most exciting feature for me of this fascinating book was its articulation of the importance of writing in our engagement with photography. Writing for Elkins means the capacity to elicit articulate intensity in the tracking of the intricate turns and balances that can, and should, take place in a mind responding to expressive non-discursive materials. Here the distinctive feature of photography as a medium is not the punctum or the pursuit of sublimity but the photograph's powers for producing self-reflexive attention to how the work makes us see our own seeing--a power that is at risk when we become proud of the rhetorics that displace what the engagements of distinctive writing can bring to our attention." Charles Altieri, University of California, Berkeley
"In an impassioned dialogue with Roland Barthes, Jim Elkins argues that photography is not 'about' representation and memory-those aspects of the Barthean punctum; rather, photography is 'at war with our attention.' If we focus on its essential materiality and physicality, photography shows us things we would often prefer not to see-the 'splotches and stains, cracks, unpleasant shadows, errant dust' in our natural environment as well as the human pain too hard to look at and yet unavoidably there. What is given by photography is the 'grainy substance of the world' in all its irritating contradictions, its 'displeasures'--the aporias that make the act of seeing itself so difficult. Elkins's disillusioned meditation on how photography actually works upon the viewer is as original as it is profound." Marjorie Perloff, author of Radical Artifice: Writing Poetry in the Age of Media and Unoriginal Genius: Poetry by Other Means in the 21st Century
"In an impassioned dialogue with Roland Barthes, Jim Elkins argues that photography is not 'about' representation and memory-those aspects of the Barthean punctum; rather, photography is 'at war with our attention.' If we focus on its essential materiality and physicality, photography shows us things we would often prefer not to see-the 'splotches and stains, cracks, unpleasant shadows, errant dust' in our natural environment as well as the human pain too hard to look at and yet unavoidably there. What is given by photography is the 'grainy substance of the world' in all its irritating contradictions, its 'displeasures'--the aporias that make the act of seeing itself so difficult. Elkins's disillusioned meditation on how photography actually works upon the viewer is as original as it is profound." Marjorie Perloff, author of Radical Artifice: Writing Poetry in the Age of Media and Unoriginal Genius: Poetry by Other Means in the 21st Century