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Die Grünen haben wie keine andere Partei oder Gruppierung den Geist der Zeit in den letzten Jahrzehnten bestimmt. Die von ihnen repräsentierte Umweltbewegung war in dieser Periode die einzige originäre neue Kraft. Die Grünen haben mit ihren Themen die gesellschaftlichen Diskussionen geprägt. Sie wurden groß durch ihren leidenschaftlichen Kampf gegen die Kernkraft. Sie triumphierten, als nach dem Reaktorunglück in Fukushima der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen wurde und auch die Bundeskanzlerin erkannte, was Restrisiko bedeutet. Sie haben die regenerativen Energien gefördert und das…mehr

Produktbeschreibung
Die Grünen haben wie keine andere Partei oder Gruppierung den Geist der Zeit in den letzten
Jahrzehnten bestimmt. Die von ihnen repräsentierte Umweltbewegung war in dieser Periode die einzige
originäre neue Kraft. Die Grünen haben mit ihren Themen die gesellschaftlichen Diskussionen
geprägt. Sie wurden groß durch ihren leidenschaftlichen Kampf gegen die Kernkraft.
Sie triumphierten, als nach dem Reaktorunglück in Fukushima der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen wurde
und auch die Bundeskanzlerin erkannte, was Restrisiko bedeutet. Sie haben die regenerativen
Energien gefördert und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf den Weg gebracht.
Deutschland ist auf diesem Gebiet Spitzenreiter in der Welt. Die Grünen waren mit ihren Themen auf allen
Gebieten erfolgreich. Wie keine andere Partei können sie auf die Unterstützung durch die Medien
rechnen. Die wichtige Frage aber ist: Haben sie auch recht? Ist es vernünftig, ihren Vorschlägen zu
folgen? Das soll in diesem Buch geprüft werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2016

Wider den grünen Wahn
Eine wuchtige Streitschrift

Ein Buch, das "Wider den grünen Wahn" heißt und sich Streitschrift nennt, ließe sich auf den ersten Blick unter diejenige Kategorie von Machwerken subsumieren, in denen Ewiggestrige auf der Grundlage von Verschwörungstheorien den gesellschaftlichen Konsens politischer Diskussionskultur verlassen. Umso bemerkenswerter ist, dass es gerade das nicht ist. Es handelt sich vielmehr um ein präzise recherchiertes, wortgewaltig geschriebenes und in höchstem Maße faktenbasiertes Buch, bei dem man allerdings auf jeder Seite spürt, dass der Autor vom grünen Allotria die Nase gestrichen voll hat.

Horst Demmler, der 26 Jahre lang Volkswirtschaftslehre an der Justus-Liebig-Universität Gießen gelehrt hat, macht es sich nicht einfach mit seinem Lieblingsgegner. Er reklamiert für sich zwar nur "Schandmaulkompetenz" und keine spezifische wissenschaftliche Qualifikation für die behandelten Themen. Doch reichen Fakten, klare Analysen und logische Schlüsse aus, um einen zwar polemischen, aber letztlich überzeugenden Totalverriss grüner Politikentwürfe vorzulegen.

Das Buch beginnt mit einer Grundsatzabrechnung: Demmler kritisiert nicht nur einzelne umwelt- oder wirtschaftspolitische Positionen, sondern das Gutmenschentum der Grünen an sich als Quelle allen Übels. Nach seiner Analyse setzen die Grünen primär auf das Prinzip der Moralisierung politischen und gesellschaftlichen Handelns. Sie funktionieren wie ein Wohlfahrtausschuss von Tugendterroristen, die Menschen, die ihre Überzeugungen nicht teilen, "aus der Gemeinschaft der Gutmenschen und Anständigen ausschließen". Diese moralische Überlegenheit erlaubt es auch, "Zahlen, Fakten und sachliche Argumente als kalt und unmenschlich zu ignorieren". In der Einschätzung, dass dies ein Problem ist, kann man dem Autor nur zustimmen.

Im zweiten Kapitel erzählt Demmler die Geburt der grünen Bewegung aus dem Geiste der Apokalypse. Die Älteren von uns erinnern sich an die Depression, die jene berühmte Studie "Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome in den Siebzigern auslöste. Auch wenn keine ihrer Katastrophenvorhersagen so eingetreten ist, hat diese apokalyptische Vision das Denken einer ganzen Generation deformiert. Eine weitere apokalyptische Vision, die zum Aufstieg der Grünen beigetragen hat, war das Waldsterben. Dass die Wälder nicht wie prognostiziert verschwunden sind, hat dem Nimbus der Grünen als Umweltschutzpartei auch nicht geschadet.

Breiten Raum nimmt in Demmlers Buch die Auseinandersetzung mit grüner Landwirtschaft und Lebensmittel- beziehungsweise Verbraucherpolitik ein - ein Thema, das die Grünen jetzt verstärkt beackern, nachdem die Abschaltung aller Atomkraftwerke in Deutschland beschlossene Sache ist. Entscheidend ist nach seiner Analyse, dass Käufer von Bioprodukten eigentlich ein moralisches Problem haben müssten, denn die Erträge im ökologischen Landbau liegen grob geschätzt bei etwa zwei Dritteln der konventionellen Landwirtschaft. So lässt sich eine wachsende Menschheit im Weltmaßstab leider nicht ernähren. Biolebensmittel sind damit letztlich ein Wohlstandsphänomen westlicher Volkswirtschaften. Dieser Logik lässt sich kaum etwas entgegensetzen.

Auch anhand des Dioxin- und des EHEC-Themas zeigt der Autor auf, wie grüne Politik ohne Rücksicht auf Fakten durch Propaganda im Sinne vermeintlicher Verbraucherschutzargumente die konventionelle Landwirtschaft diskreditiert beziehungsweise die Biolandwirtschaft vor berechtigter Kritik schützt. Offensichtlich gelten bei Bio radikal andere moralische Maßstäbe. Biolandwirtschaft kann nach der grünen Ideologie per se nicht gesundheitsgefährdend sein. Auch bei der in Kapitel sechs behandelten Gentechnik ist der grüne Wunsch der Vater des Gedankens: Statt Fakten und Zahlen zu würdigen, gibt man sich Träumereien von der vermeintlich sanften Landwirtschaft vergangener Zeiten hin.

Anschließend beschäftigt sich Demmler mit den Gerechtigkeitsvorstellungen der Grünen. Er diskutiert diese anhand der Beispiele Studiengebühren, Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Ehegattensplitting. Selbstverständlich machen Grüne - wie auch die SPD - Front gegen Studiengebühren und begründen dies mit sozialer Gerechtigkeit. Wie vom Buchautor überzeugend aufgezeigt wird, erreicht man damit allerdings genau das Gegenteil. Ähnlich gerecht geht es bei den erneuerbaren Energien zu. Zu den Gewinnern eines der größten Umverteilungsprogramme in der jüngeren Vergangenheit gehören nicht nur Windanlagen- und Solarhersteller, sondern auch Haushalte mit einer Solaranlage auf dem Dach, das heißt vor allem einkommensstarke Bevölkerungsgruppen. Dafür zahlen müssen aber auch Mindestlohnempfänger, Rentner, Studenten und Arbeitslose.

Eine Streitschrift gegen die Grünen wäre nicht komplett, wenn nicht das Herzstück der Energiewende, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), zerpflückt würde. Demmler bezeichnet das Gesetz wahlweise als "Stück aus dem Tollhaus", "absurd", "größte Verschwendung" und "dreisteste Klientelpolitik". Das sind starke Worte. Der Autor führt aber schonungslos anhand der offiziell kommunizierten Fakten vor, wie mit einer derartigen planwirtschaftlichen Energiepolitik massiv Ressourcen verschwendet, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft unterminiert sowie Natur und Umwelt beeinträchtigt werden - ohne eine einzige Tonne Kohlendioxid zu sparen, denn das nationale EEG ist ein Fremdkörper im europäischen Emissionshandelssystem ETS.

Demmler genügt der vorletzte Absatz des Buches als Zusammenfassung seiner Einschätzung: "Wenn es einen Wettbewerb in den Disziplinen Heuchelei, Schamlosigkeit und Selbstgerechtigkeit gäbe, wären die Grünen kaum zu schlagen." Wer sich davon überzeugen möchte, ob er damit recht hat oder nicht, sollte das Buch trotz des Titels und der teilweise scharfen Polemik ohne Scheuklappen lesen.

ALEXANDER EISENKOPF

Horst Demmler: Wider den grünen Wahn. Monsenstein & Vannerdat, Münster 2015. 410 Seiten, 20,40 Euro

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