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Kommunikation ist das Gegenteil von Wissen. Ideen steht sie feindselig gegenüber, weil sie ihrem Wesen nach alle Inhalte zersetzt. Die Alternative heißt, auf Erinnerung und Einbildungskraft bauen, auf interessierte Interesselosigkeit, die nicht vor der Welt flieht, sondern diese bewegt. Wider die Kommunikation ist der Versuch einer intensivierenden Ästhetik. - Mario Perniola will die Gefahr einer verallgemeinerten Kommunikation aufdecken, die insbesondere dem demokratischen Universum eigen ist. Unter dem Deckmantel demokratischer Fortschrittsideologie verbirgt sich die Nähe der Kommunikation zu populistischem Obskurantismus.…mehr

Produktbeschreibung
Kommunikation ist das Gegenteil von Wissen. Ideen steht sie feindselig gegenüber, weil sie ihrem Wesen nach alle Inhalte zersetzt. Die Alternative heißt, auf Erinnerung und Einbildungskraft bauen, auf interessierte Interesselosigkeit, die nicht vor der Welt flieht, sondern diese bewegt. Wider die Kommunikation ist der Versuch einer intensivierenden Ästhetik. - Mario Perniola will die Gefahr einer verallgemeinerten Kommunikation aufdecken, die insbesondere dem demokratischen Universum eigen ist. Unter dem Deckmantel demokratischer Fortschrittsideologie verbirgt sich die Nähe der Kommunikation zu populistischem Obskurantismus.
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Autorenporträt
Mario Perniola ist Professor für Ästhetik an der Universität von Rom II Tor Vergata
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2006

Und dann heißt es wieder: Ich hab's doch gar nicht so gemeint
Wie finden wir aus dem massenmedialen Einheitsgeschwätz heraus? Mario Perniola hat ein Pamphlet gegen die Kommunikation verfaßt

Zu den alltagssprachlich und theoretisch erfolgreichsten Begriffen des zwanzigsten Jahrhunderts gehört der Begriff der Kommunikation. So ausgiebig haben sich Philosophie, Soziologie, Linguistik und Psychologie seiner angenommen, daß es geradezu folgerecht erscheint, das alte Aristotelische Programm einer "ersten Philosophie" in der Kommunikationstheorie wieder aufleben zu lassen. Was die Metaphysik einst bieten wollte, ein Wissen von den ersten Prinzipien alles Seienden, liefern nun die Theorien der (sprachlichen) Verständigung. Und die Alltagswelt einer demokratischen und technisch-medial geprägten Lebensform scheint diesen Anspruch wie in einem Zerrspiegel phänomenal zu bestätigen. "Gut, daß wir darüber geredet haben!" Das ist das einvernehmliche Bekenntnis aller Aufklärer, Parlamentarier, Händler und Verhandlungsleiter. Und natürlich, seit der massenhaften Ausbreitung von Radio und Fernsehen, aller Programmdirektoren, Talkshow-Teilnehmer und Comedy-Starlets.

Mario Perniola, der in Rom Philosophie mit dem Schwerpunkt Ästhetik lehrt, hat vor allem dieses technisch-mediale Phänomen vor Augen, wenn er eine Art Pamphlet wider die Kommunikation vorlegt. Als ihr Charakteristikum gilt ihm, daß sie "eine Sache und zugleich ihr Gegenteil und zugleich das zwischen den beiden Gegensätzen Befindliche" sein will. Sie löscht alle Bestimmtheit und damit alle Unterscheidbarkeit aus. Man kann niemanden mehr auf das, was er oder sie gesagt hat, festlegen. Denn er oder sie hat dann immer etwas anderes gemeint, ist nicht richtig verstanden worden oder hat nur die Meinung eines anderen wiedergegeben. Neue, gefährliche Ideen müssen nicht mehr offen bekämpft werden, sondern gehen einfach im "kommunikativen Chaos" unter.

Das allseits kommunizierende Zeitalter verwirklicht demnach, was der Philosoph Hegel vor etwa zweihundert Jahren dem wissenschaftlichen Begreifen zutraute: die Herstellung von Totalität, eines unendlichen und unvermeidlichen Verweisungszusammenhangs. Hegel ist dafür seit Marx wiederholt auf die Füße der Gesellschaftspolitik gestellt worden. Hinter dem totalen Begreifen lauert, so heißt es, der totalitäre Staat. Und das Gleiche gilt bei Perniola für die Kommunikation. Sie ist "in einem viel höheren Maße totalitär, als es der traditionelle politische Totalitarismus je war". Ihre Strategie ist die einer "allumfassenden Einverleibung". Gefräßig wie ein Alien aus unserer Science-fiction-Fantasie, trägt sie, so gesehen, deutlich mythologische und fiktionale Züge.

Nun möchte man aber von einem Theoretiker nicht nur eine wortreich-deftige Beschreibung, sondern auch eine Erklärung bekommen. Diesbezüglich hält Perniola sich arg bedeckt. Gewiß ist es ein Vorrecht des Essays, sich großzügig verschiedener Quellen zu bedienen, ohne im einzelnen Belege zu liefern. Doch nur selten wird Perniola auch sachlich konkret. Statt dessen jagen sich die wuchtigen Begriffe aus dem Repertoir der Aufklärung ("Despotismus", "Barbarei" und so weiter), gehen die Differenzierungen im fliegenden Wechsel zwischen Disziplinen und Sachverhalten unter. Thesen wie die, daß die Massenkommunikation "eine gewisse Affinität" zur Esoterik und zum Vitalismus habe, kitzeln nur kurz den Intellekt, ohne ihn wirklich reizen zu können. Eine Erklärung bietet Perniola am ehesten mit Hilfe der Psychoanalyse, mit Freuds Begriff der Ambivalenz (nach der man zum Beispiel jemanden liebt und haßt zugleich), der Verneinung (nach dem klassischen Beispiel: "Sie werden jetzt denken, daß ich etwas Beleidigendes sagen will . . .") und Lacans Begriff der Präklusion, einer ursprünglichen Verwerfung des Triebwunsches, so daß eine Verdrängung nicht mehr nötig ist. Die Gesundheit der Kommunikation bestünde dann darin, ihre Krankheit nicht bemerken zu können. Aber all das verbleibt bei Perniola lediglich im Konditionalis.

Weniger hypothetisch tritt Perniola im zweiten Teil seiner Schrift auf. Dort thematisiert er die Gegeninstanz zur anscheinend allmächtigen Kommunikation. Diese Instanz ist die Ästhetik. Das ist zunächst überraschend. Weshalb sollte ausgerechnet das kleine, zarte gesellschaftliche Teilsystem namens Kunst oder Ästhetik das große Ganze kurieren können? Andererseits ist dieses Zutrauen in der europäisch geprägten Kultur sehr wohl bekannt. Denn es ist eines der kennzeichnendsten Resultate der Romantik, die im zwanzigsten Jahrhundert durch Heidegger und Adorno imposante Vertreter hervorgebracht hat. In diese Tradition stellt sich Perniola, wenn er behauptet, daß der Bereich des Ästhetischen "wahrscheinlich die einzige Möglichkeit" sei, sich von der Herrschaft der massenmedialen Kommunikation zu befreien. Plausibel erscheint dabei, daß Logik, Moral und Religion, geschweige denn die Politik, nicht ausreichen, gegen eine Macht anzugehen, die so sehr imstande ist, die Geister zu trüben und das Gewissen auszuschalten. Aber daß die Kunst alleine etwas vollbringen sollte, wozu alle anderen gesellschaftlichen Sphären weder einzeln noch zusammen imstande sind, ohne ihrerseits dieser Sphären zu bedürfen, heißt doch, ihr eine religiöse Absolutheit zuzusprechen.

Perniola mißt offensichtlich einem solchen antiromantischen Einwand keine große Bedeutung bei. Weil ästhetische Erfahrungen alles in "Intensität" und "Tiefe" eintauchen, ermöglichen sie es, der dauer- und übererregten Kommunikation etwas entgegenzusetzen. Perniola bietet für eine solche Theorie der ästhetischen Erfahrung anregende Elemente. Am schwersten dürfte am Ende doch der Einwand wiegen, daß Perniola mit seiner Schrift zu sehr im Unbestimmten verbleibt und damit selber das Gesetz der Kommunikation vollzieht, das er so heftig attackiert. Einer Doppelperspektive, wie sie in diesem Zusammenhang etwa Walter Benjamin einnimmt, kann er nichts mehr abgewinnen, einer Perspektive, die einerseits "Mißtrauen, Mißtrauen und Mißtrauen in alle Verständigung" lehrt ("und unbegrenztes Vertrauen allein in I.G. Farben und die friedliche Vervollkommnung der Luftwaffe"), andererseits aber auch weiß, daß die Sphäre der sprachlichen Verständigung "der Gewalt vollständig unzugänglich ist".

JOSEF FRÜCHTL

Mario Perniola: "Wider die Kommunikation". Aus dem Italienischen von Sabine Schneider. Merve Verlag, Berlin 2006. 110 S., br., 10,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen etwas zwiespältigen Eindruck hat Mario Perniolas Pamphlet gegen die Herrschaft der massenmedialen Kommunikation bei Josef Früchtl hinterlassen. Zwar scheint ihm die Kritik des Autors teilweise berechtigt, die allgegenwärtige mediale Kommunikation ebne alle Unterschiede und Bestimmtheiten ein und erweise sich damit als totalitär. Aber er hält Perniola vor, keine Erklärungen für seine Beschreibungen zu liefern und selten sachlich konkret zu werden. Etwas überzeugender findet Früchtl dann den zweiten Teil der Arbeit, in dem Perniolas Ästhetik und Kunst als Gegeninstanzen zur Kommunikation errichtet. Hier biete der Autor durchaus "anregende Elemente" für eine Theorie der ästhetischen Erfahrung. Allerdings zeigt er sich gegenüber Perniolas Glaube, die Kunst alleine könne vollbringen, wozu alle anderen gesellschaftlichen Sphären - Logik, Moral, Religion, Politik - nicht imstande sind, überaus skeptisch.

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