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Wächtler berichtet spannend, fundiert und mit einer gepfefferten Prise Ironie von den ersten Verfahren während der 68er-Studentenproteste, von Prozessen gegen "Rädelsführer" wie Rolf Pohle, gegen Feministinnen wie Ingrid Strobl, Bürgerinitiativen (Wackersdorf), antiautoritäre Zeitschriften (das BLATT), gegen Kollegen, die Berufsverbote bekommen sollten, gegen Studenten, die sich mit der heftig braunen Vergangenheit ihrer Professoren beschäftigten, oder West- und Ostspione nach der Wiedervereinigung. Manche dieser Prozesse liefen bis zum Bundesverfassungsgericht. In fast allen Fällen waren es…mehr

Produktbeschreibung
Wächtler berichtet spannend, fundiert und mit einer gepfefferten Prise Ironie von den ersten Verfahren während der 68er-Studentenproteste, von Prozessen gegen "Rädelsführer" wie Rolf Pohle, gegen Feministinnen wie Ingrid Strobl, Bürgerinitiativen (Wackersdorf), antiautoritäre Zeitschriften (das BLATT), gegen Kollegen, die Berufsverbote bekommen sollten, gegen Studenten, die sich mit der heftig braunen Vergangenheit ihrer Professoren beschäftigten, oder West- und Ostspione nach der Wiedervereinigung. Manche dieser Prozesse liefen bis zum Bundesverfassungsgericht. In fast allen Fällen waren es "Gesinnungen", also nicht in erster Linie Taten, um die es ging, sondern um unbequeme oder radikale politische Haltungen, die dem konservativen Gesellschaftsbild von Polizei und/oder Gerichten zuwiderliefen.
Autorenporträt
Wächtler, HartmutHartmut Wächtler, geboren 1944 in Bayreuth, studierte Jura in Berlin und München und arbeitete schon vor seiner Zulassung als Anwalt in der studentischen Rechtshilfe. Er lebt und arbeitet in München und in Niederbayern. »Pfeifen und Johlen gehört zur Meinungsfreiheit«, sagt er, »und wenn er vor Gericht auftritt, lässt er sich nichts gefallen.« (Süddeutsche Zeitung).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.01.2019

Dehnbare
Gesetze
Hartmut Wächtlers Arbeit über
politische Prozesse in Deutschland
Politische Prozesse dürfte es eigentlich gar nicht geben. Definiert nicht das Gesetz ganz klar und eindeutig, was eine Straftat ist und was nicht? Sind nicht Staatsanwälte und Richter ohne Wenn und Aber an das Gesetz gebunden? Ist nicht jedermann vor dem Gesetz gleich, ganz egal, wes politischen Geistes Kind er ist?
Das ist die Theorie. Die Realität ist, dass das Gesetz in viele Richtungen dehnbar ist und dass die Justiz, die diesem Gesetz Geltung zu verschaffen hat, keineswegs blind und unempfindlich ist für das politische Klima, in dem sie arbeitet, und für die oft sehr konkreten Erwartungen, ja Forderungen, mit denen sie von Seiten der Politik konfrontiert wird.
Einer, der davon ein ziemlich garstiges Lied singen kann, ist der Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler. Wächtler, Jahrgang 1944, stand kurz vor dem Ende seines Jurastudiums, als sich in den Jahren 1967/68 der studentische Protest gegen autoritäre Strukturen an den Universitäten und politische Repression und Ausbeutung in der Dritten Welt formierte. Ein Schlüsselerlebnis für Wächtler war der Umgang der bayerischen Justiz mit dem Münchner Studentenführer Rolf Pohle, dem zunächst durch eine Verurteilung aufgrund äußerst zweifelhafter Indizien jede berufliche Zukunft verbaut und der später durch menschenunwürdige Haftbedingungen in den Untergrund getrieben wurde. „Man kann ohne Übertreibung sagen, dass der Freistaat Bayern diesen talentierten und undogmatisch denkenden Juristen systematisch zerstört hat“, schreibt Wächtler.
Geprägt von dieser Erfahrung, widmete Wächtler sein berufliches Leben der Verteidigung von Menschen, die von der Justiz verfolgt wurden, weil sie versuchten, Widerstand zu leisten – sei es gegen den Vietnamkrieg, die Stationierung von Atomraketen in Deutschland, die Karriere alter Nazis in deutschen Universitäten oder die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf. Davon berichtet er in seinem Buch. Es liest sich leicht. Hartmut Wächtler ist ein wunderbarer Erzähler, und er hat sich durch alle oft frustrierenden Erlebnisse hindurch einen prächtigen sarkastischen Humor bewahrt. Er ist, das unterscheidet ihn wohltuend von manchen 68er-Veteranen, frei von Selbstgerechtigkeit. „Meine Generation war keineswegs gefeit gegen Mitläufertum und Kadavergehorsam“, schreibt er. „Die naive Verehrung von Mao Tse-tung und anderen ‚linken‘ Diktatoren verschloss uns in nicht verzeihlicher Weise den Blick auf deren Greueltaten, das unterschied uns nicht vom Verhalten unserer Eltern.“
Man kann die knapp 180 Seiten von Wächtlers Buch in einer schlaflosen Nacht durchlesen, man legt es aus der Hand und fühlt sich ermutigt. Solange es solche Juristen gibt, kann man sich in diesem Staat zu Hause fühlen.
HANS HOLZHAIDER
Hartmut Wächtler:
Widerspruch. Als Strafverteidiger in politischen Prozessen. Transit-Verlag, Berlin 2018. 180 Seiten, 20 Euro.
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