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Viele Probleme im Leben des Menschen werden als Widersprüche erlebt: was soll ich tun? - Der große Naturrechtslehrer und Priester Johannes Messner zeigt in seinem der praktischen Ethik gewidmeten Buch Lösungen an Hand der Existenz des Menschen, die sich in wenigen Lebenszwecken erfahren lassen. Sie sind seiner Natur mitgegeben und müssen von ihm gestaltet werden. Johannes Messner (1891-1984) war Jurist, Nationalökonom, Sozialwissenschafter und Priester und gilt als der Pionier der christlichen Naturrechtslehre. Soeben wurde das Seligsprechungsverfahren eröffnet.
Viele Probleme im Leben des Menschen werden als Widersprüche erlebt: was soll ich tun? - Der große Naturrechtslehrer und Priester Johannes Messner zeigt in seinem der praktischen Ethik gewidmeten Buch Lösungen an Hand der Existenz des Menschen, die sich in wenigen Lebenszwecken erfahren lassen. Sie sind seiner Natur mitgegeben und müssen von ihm gestaltet werden. Johannes Messner (1891-1984) war Jurist, Nationalökonom, Sozialwissenschafter und Priester und gilt als der Pionier der christlichen Naturrechtslehre. Soeben wurde das Seligsprechungsverfahren eröffnet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2003Kosten der Gewißheit
Bitte nachsalzen: Wie Johannes Messner den Menschen zelebrierte
Es gibt Bücher, die schlägt man mit Befangenheit auf. Man weiß, daß ihr Verfasser zu seiner Zeit bekannt, vielleicht sogar berühmt war. In der intellektuellen Welt, in der man selbst aufgewachsen ist, spielt er hingegen keine Rolle mehr. Und nun liegen plötzlich Nachdrucke einiger seiner Werke auf dem Tisch und setzen ihn der Häme einer besserwisserischen Nachwelt aus. Wäre es nicht pietätvoller gewesen, auf ein solches Schauspiel zu verzichten und den Autor in Ruhe zu lassen? Welche Belehrung kann der Leser beispielsweise noch von Johannes Messner erwarten? Messner, der von 1891 bis 1984 lebte, war Jurist, Nationalökonom, Sozialwissenschaftler und - last, but not least - katholischer Priester. Wer in den fünfziger und sechziger Jahren nach einer repräsentativen Darstellung der katholischen Naturrechtslehre suchte, der griff zu Messners voluminösem Werk "Das Naturrecht" oder zu einer der zahlreichen kleineren Schriften, in denen Messner seine Lehre erläuterte und ergänzte.
Eine dieser opuscula haben jetzt erneut den Weg auf den Buchmarkt gefunden. Sie kommen mit so gravitätischen Titeln daher wie "Vom Sinn der menschlichen Gesellschaft" oder "Widersprüche in der menschlichen Existenz", sie kündigen an, "des modernen Menschen Mißverständnis seiner selbst" zu ergründen, und sie suchen zu diesem Zweck erst einmal über achtzig Seiten hinweg die Schädlichkeit des vorehelichen Geschlechtsverkehrs nachzuweisen. Kurzum: Der erste Blick in diese Bücher stellt eine Welt von gestern in Aussicht, eine Welt, in der ihr Autor noch allen Ernstes darauf hoffen konnte, daß "das natürliche Gewissen den stärksten Bundesgenossen der Kirche" bilde.
Dann aber geschieht das Unerwartete: Je weiter man liest, desto stärker fühlt man sich irritiert und herausgefordert. Wer sich daran gewöhnt hat, unter dem Banner des "nachmetaphysischen Denkens" nur verfahrensorientierte Konzeptionen praktischer Philosophie als diskutabel anzusehen, der sieht sich angesichts der an die innere Erfahrung des Lesers appellierenden eindringlichen Ausführungen Messners mit der Frage konfrontiert: Glaubst du wirklich, so wenig davon zu wissen, was es heißt, ein vollmenschliches Leben zu führen, daß du dich mit den anämischen Konzeptionen des philosophischen Prozeduralismus abspeisen läßt? Gelassen, aber hartnäckig widerspricht nämlich Messner dem ontologischen und erkenntnistheoretischen Skeptizismus des philosophischen juste milieu.
Nun ist Messner freilich Aristoteliker genug, um zu erkennen, daß es den aus sich heraus fertigen Einzelmenschen nicht gibt. "Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen, weil er nur als solches Vollmensch werden kann. Die eigentlichen, das Leben des Menschen und seine Person zu innerst formenden Kräfte erwachsen ihm aus dem Kulturstrom, der, vermittelt durch seine Familie als Glied der Generationen, von frühester Jugend an Denken und Fühlen, Werten und Wollen, Haltungen und Verhaltensweisen des Menschen prägt." Hier erweist Messner sich geradezu als Kommunitarist avant la lettre; der Mensch ist bis in die letzten Fasern seines Selbstverständnisses hinein kulturell imprägniert. Dementsprechend ist nach Messner das Recht nie als abstrakte Idee wirksam, sondern nur als Lebensform einer durch gemeinsame Überzeugungen verbundenen Gemeinschaft.
Wird aber mit diesem Zugeständnis nicht das von Messner angestrebte Naturrecht auf den Status eines bloßen Kulturrechts reduziert? Ist dieses sogenannte Naturrecht am Ende also bloß das Ergebnis einer sozialhermeneutischen Selbstvergewisserung, die Explikation eines bestimmten politischen Überzeugungskomplexes, nämlich der auf die Anerkennung der Würde des Menschen gegründeten "Ethosform unserer westlichen politischen Gemeinschaften"? Nein, sagte Messner. Den variablen, der geschichtlichen Entwicklung unterworfenen Ausprägungen der menschlichen Natur lägen einige konstant bleibende Züge zugrunde. Jeder Mensch erfahre an sich den Geschlechts-, Glücks-, Freiheits- und Erkenntnistrieb. Deshalb habe man kulturunabhängige Grundbedürfnisse, etwa sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu erhalten und seine Anlagen und Kräfte zur Entfaltung zu bringen.
Es liegt nahe, dieser Trieb- und Bedürfnisanalyse vorzuhalten, daß sie die Modellierbarkeit der menschlichen Triebstruktur unterschätze und daß wegen deren Offenheit jeder weitere Konkretisierungsschritt unweigerlich im Treibsand der sich wandelnden politischen Selbstverständnisse versinke. Zudem ist mit einer Untersuchung der menschlichen Grundbedürfnisse nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer normativen Theorie bewältigt. Die Frage, an der die neuzeitliche praktische Philosophie seit Hobbes sich abarbeitet, lautet, wie man von der Feststellung bestimmter Bedürfnisse - einem Sein - zur Begründung moralischer oder juridischer Rechte - einem Sollen - gelangt. Messner nimmt dieses Problem erstaunlich leicht. Die natürlichen Rechte des Menschen sieht er in dessen Verantwortung für die Erfüllung seiner Grundbedürfnisse begründet. Die Erfüllung der eigenen Grundbedürfnisse, allgemeiner gesprochen: die Entwicklung seiner selbst zu einer vollmenschlichen Existenz ist mithin für Messner eine Verpflichtung des einzelnen Menschen. Dessen natürliche Rechte sollen ihn in den Stand versetzen, diese Verpflichtung zu erfüllen.
Mit dieser Konzeption unterläuft Messner die Sein-Sollens-Dichotomie. Dem Sein, der Natur des Menschen, wohnt danach ein teleologisch-normatives Moment inne. Dieses Telos zu verwirklichen ist Pflicht. Die Gesellschaft hat den einzelnen auf diesem Weg zu sich selbst zu unterstützen. Die Demokratie ist, so gesehen, eine Verfahrensform, welche weniger der Setzung als der Findung des gemeinsamen Guten dient; Messner definiert sie als "Prozeß der Gemeinwohlverwirklichung unter Mitverantwortung aller Staatsbürger".
Die vom Liberalismus gezogene Schranke zwischen dem moralischen und dem juridischen Bereich wird bei Messner aufs neue durchlässig. Nicht von ungefähr nimmt er die Erfahrung gesellschaftlicher Heterogenität, die den Anlaß zu jener Trennung gegeben hat, vorwiegend als Krankheitssymptom wahr. Die "Grundkrankheit der heutigen Gesellschaft, daß sie nicht zuletzt auf Grund der in der modernen Wirtschaft wirkenden zersetzenden Kräfte Masse geworden ist", weiß Messner denn auch nicht anders zu heilen als durch die einigermaßen hilflose Empfehlung, daß die Gesellschaft wieder zu einem "Organismus von Gemeinschaften" werden müsse.
Auch Messners ontologische Prämisse von der intrinsischen Sinnhaftigkeit der Natur des Menschen bleibt merkwürdig apodiktisch. Gegen schöpfungstheologische Voraussetzungen der Art, daß Gott nun einmal nichts Sinnloses schaffe, sträubt sich die große Mehrheit der heutigen praktischen Philosophen. Deren Haltung ist regelmäßig die eines "methodischen Atheismus" (Jürgen Habermas), und dafür zahlen sie den Preis einer inhaltlichen Ausdörrung ihrer Theorie. Wie Messners eigener Begründungsgang erkennen läßt, ist die Überwindung dieses Asketismus ebenfalls mit hohen Kosten verbunden. Der Weg in die Fülle führt bei Messner über den Glauben, und er endet in der Gemeinschaft.
MICHAEL PAWLIK
Johannes Messner: "Ausgewählte Werke". Band 4: "Widersprüche in der menschlichen Existenz". Tatsachen, Verhängnisse, Hoffnungen. XVI, 423 S., geb., 44,80 [Euro]. Band 5: "Vom Sinn der menschlichen Gesellschaft". Zwei Spätwerke Messners. Das Gemeinwohl. Idee - Wirklichkeit - Aufgaben - Du und der andere. Vom Sinn der menschlichen Gesellschaft. XXIV, 322 S., geb., 39,80 [Euro]. Verlag der Geschichte und Politik/Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München, Wien 2002 und 2003.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bitte nachsalzen: Wie Johannes Messner den Menschen zelebrierte
Es gibt Bücher, die schlägt man mit Befangenheit auf. Man weiß, daß ihr Verfasser zu seiner Zeit bekannt, vielleicht sogar berühmt war. In der intellektuellen Welt, in der man selbst aufgewachsen ist, spielt er hingegen keine Rolle mehr. Und nun liegen plötzlich Nachdrucke einiger seiner Werke auf dem Tisch und setzen ihn der Häme einer besserwisserischen Nachwelt aus. Wäre es nicht pietätvoller gewesen, auf ein solches Schauspiel zu verzichten und den Autor in Ruhe zu lassen? Welche Belehrung kann der Leser beispielsweise noch von Johannes Messner erwarten? Messner, der von 1891 bis 1984 lebte, war Jurist, Nationalökonom, Sozialwissenschaftler und - last, but not least - katholischer Priester. Wer in den fünfziger und sechziger Jahren nach einer repräsentativen Darstellung der katholischen Naturrechtslehre suchte, der griff zu Messners voluminösem Werk "Das Naturrecht" oder zu einer der zahlreichen kleineren Schriften, in denen Messner seine Lehre erläuterte und ergänzte.
Eine dieser opuscula haben jetzt erneut den Weg auf den Buchmarkt gefunden. Sie kommen mit so gravitätischen Titeln daher wie "Vom Sinn der menschlichen Gesellschaft" oder "Widersprüche in der menschlichen Existenz", sie kündigen an, "des modernen Menschen Mißverständnis seiner selbst" zu ergründen, und sie suchen zu diesem Zweck erst einmal über achtzig Seiten hinweg die Schädlichkeit des vorehelichen Geschlechtsverkehrs nachzuweisen. Kurzum: Der erste Blick in diese Bücher stellt eine Welt von gestern in Aussicht, eine Welt, in der ihr Autor noch allen Ernstes darauf hoffen konnte, daß "das natürliche Gewissen den stärksten Bundesgenossen der Kirche" bilde.
Dann aber geschieht das Unerwartete: Je weiter man liest, desto stärker fühlt man sich irritiert und herausgefordert. Wer sich daran gewöhnt hat, unter dem Banner des "nachmetaphysischen Denkens" nur verfahrensorientierte Konzeptionen praktischer Philosophie als diskutabel anzusehen, der sieht sich angesichts der an die innere Erfahrung des Lesers appellierenden eindringlichen Ausführungen Messners mit der Frage konfrontiert: Glaubst du wirklich, so wenig davon zu wissen, was es heißt, ein vollmenschliches Leben zu führen, daß du dich mit den anämischen Konzeptionen des philosophischen Prozeduralismus abspeisen läßt? Gelassen, aber hartnäckig widerspricht nämlich Messner dem ontologischen und erkenntnistheoretischen Skeptizismus des philosophischen juste milieu.
Nun ist Messner freilich Aristoteliker genug, um zu erkennen, daß es den aus sich heraus fertigen Einzelmenschen nicht gibt. "Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen, weil er nur als solches Vollmensch werden kann. Die eigentlichen, das Leben des Menschen und seine Person zu innerst formenden Kräfte erwachsen ihm aus dem Kulturstrom, der, vermittelt durch seine Familie als Glied der Generationen, von frühester Jugend an Denken und Fühlen, Werten und Wollen, Haltungen und Verhaltensweisen des Menschen prägt." Hier erweist Messner sich geradezu als Kommunitarist avant la lettre; der Mensch ist bis in die letzten Fasern seines Selbstverständnisses hinein kulturell imprägniert. Dementsprechend ist nach Messner das Recht nie als abstrakte Idee wirksam, sondern nur als Lebensform einer durch gemeinsame Überzeugungen verbundenen Gemeinschaft.
Wird aber mit diesem Zugeständnis nicht das von Messner angestrebte Naturrecht auf den Status eines bloßen Kulturrechts reduziert? Ist dieses sogenannte Naturrecht am Ende also bloß das Ergebnis einer sozialhermeneutischen Selbstvergewisserung, die Explikation eines bestimmten politischen Überzeugungskomplexes, nämlich der auf die Anerkennung der Würde des Menschen gegründeten "Ethosform unserer westlichen politischen Gemeinschaften"? Nein, sagte Messner. Den variablen, der geschichtlichen Entwicklung unterworfenen Ausprägungen der menschlichen Natur lägen einige konstant bleibende Züge zugrunde. Jeder Mensch erfahre an sich den Geschlechts-, Glücks-, Freiheits- und Erkenntnistrieb. Deshalb habe man kulturunabhängige Grundbedürfnisse, etwa sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu erhalten und seine Anlagen und Kräfte zur Entfaltung zu bringen.
Es liegt nahe, dieser Trieb- und Bedürfnisanalyse vorzuhalten, daß sie die Modellierbarkeit der menschlichen Triebstruktur unterschätze und daß wegen deren Offenheit jeder weitere Konkretisierungsschritt unweigerlich im Treibsand der sich wandelnden politischen Selbstverständnisse versinke. Zudem ist mit einer Untersuchung der menschlichen Grundbedürfnisse nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer normativen Theorie bewältigt. Die Frage, an der die neuzeitliche praktische Philosophie seit Hobbes sich abarbeitet, lautet, wie man von der Feststellung bestimmter Bedürfnisse - einem Sein - zur Begründung moralischer oder juridischer Rechte - einem Sollen - gelangt. Messner nimmt dieses Problem erstaunlich leicht. Die natürlichen Rechte des Menschen sieht er in dessen Verantwortung für die Erfüllung seiner Grundbedürfnisse begründet. Die Erfüllung der eigenen Grundbedürfnisse, allgemeiner gesprochen: die Entwicklung seiner selbst zu einer vollmenschlichen Existenz ist mithin für Messner eine Verpflichtung des einzelnen Menschen. Dessen natürliche Rechte sollen ihn in den Stand versetzen, diese Verpflichtung zu erfüllen.
Mit dieser Konzeption unterläuft Messner die Sein-Sollens-Dichotomie. Dem Sein, der Natur des Menschen, wohnt danach ein teleologisch-normatives Moment inne. Dieses Telos zu verwirklichen ist Pflicht. Die Gesellschaft hat den einzelnen auf diesem Weg zu sich selbst zu unterstützen. Die Demokratie ist, so gesehen, eine Verfahrensform, welche weniger der Setzung als der Findung des gemeinsamen Guten dient; Messner definiert sie als "Prozeß der Gemeinwohlverwirklichung unter Mitverantwortung aller Staatsbürger".
Die vom Liberalismus gezogene Schranke zwischen dem moralischen und dem juridischen Bereich wird bei Messner aufs neue durchlässig. Nicht von ungefähr nimmt er die Erfahrung gesellschaftlicher Heterogenität, die den Anlaß zu jener Trennung gegeben hat, vorwiegend als Krankheitssymptom wahr. Die "Grundkrankheit der heutigen Gesellschaft, daß sie nicht zuletzt auf Grund der in der modernen Wirtschaft wirkenden zersetzenden Kräfte Masse geworden ist", weiß Messner denn auch nicht anders zu heilen als durch die einigermaßen hilflose Empfehlung, daß die Gesellschaft wieder zu einem "Organismus von Gemeinschaften" werden müsse.
Auch Messners ontologische Prämisse von der intrinsischen Sinnhaftigkeit der Natur des Menschen bleibt merkwürdig apodiktisch. Gegen schöpfungstheologische Voraussetzungen der Art, daß Gott nun einmal nichts Sinnloses schaffe, sträubt sich die große Mehrheit der heutigen praktischen Philosophen. Deren Haltung ist regelmäßig die eines "methodischen Atheismus" (Jürgen Habermas), und dafür zahlen sie den Preis einer inhaltlichen Ausdörrung ihrer Theorie. Wie Messners eigener Begründungsgang erkennen läßt, ist die Überwindung dieses Asketismus ebenfalls mit hohen Kosten verbunden. Der Weg in die Fülle führt bei Messner über den Glauben, und er endet in der Gemeinschaft.
MICHAEL PAWLIK
Johannes Messner: "Ausgewählte Werke". Band 4: "Widersprüche in der menschlichen Existenz". Tatsachen, Verhängnisse, Hoffnungen. XVI, 423 S., geb., 44,80 [Euro]. Band 5: "Vom Sinn der menschlichen Gesellschaft". Zwei Spätwerke Messners. Das Gemeinwohl. Idee - Wirklichkeit - Aufgaben - Du und der andere. Vom Sinn der menschlichen Gesellschaft. XXIV, 322 S., geb., 39,80 [Euro]. Verlag der Geschichte und Politik/Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München, Wien 2002 und 2003.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Michael Pawlik gibt zu, die neu aufgelegten "Opuscula" von Johannes Messmer mit Befangenheit aufgeschlagen zu haben. Was können einem heute die moraltheologischen und sozialphilosophischen Ergüsse eines katholischen Priesters sagen, der außerdem gelernter Jurist und Nationalökonom war? Nun ja, mag Pawlik gedacht und sich bestätigt gefühlt haben, als er von der Schädlichkeit vorehelichen Geschlechtsverkehrs las. Schnee von gestern. Mit fortschreitender Lektüre aber fühlte er sich immer stärker irritiert und herausgefordert, behauptet der Rezensent. Messners Lebensphilosophie biete etwas, das die "anämischen Konzeptionen des philosophischen Prozeduralismus" nicht hätten: die Frage nach der inneren Erfahrung, nach einer "vollmenschlichen" Existenz, die zu verwirklichen Pflicht und Grundrecht des Menschen sei. Über die übliche philosophische Dichotomie von Sein und Sollen setzt sich Messner mit erstaunlicher Leichtigkeit hinweg, meint Pawlik fasziniert: die Demokratie diene bei Messner weniger der Setzung als vielmehr der Findung des "gemeinsamen Guten". Atheistische Philosophen, resümiert Pawlik gegen Ende seine fasziniert-skeptische Haltung, zahlten häufig den Preis inhaltlicher Ausdörrung ihrer Theorie. Wolle man diesen Asketismus überwinden, dann führe dieser Weg in die Fülle über den Glauben - aber auch das sei ein hoher Preis.
© Perlentaucher Medien GmbH
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