Wie kaum eine andere soziologische Theorie der vergangenen Jahrzehnte bietet die Systemtheorie Niklas Luhmanns kulturwissenschaftliche Anschlussmöglichkeiten. Wer sich allerdings mehr vornimmt, als Luhmannsche Ansätze bloß 'anzuwenden', muss die Architektur der Theorie mitsamt ihren Vorentscheidungen, Ausblendungen und inhärenten Zwängen überprüfen. Das führt unmittelbar zu der Schlüsselfrage nach dem Verhältnis zwischen 'System' und 'Kultur'. Gibt es ein 'System der Kultur'? Und gibt es umgekehrt eine 'Kultur des Systems', eine kulturelle Codierung systematischer Vorgänge, die für deren Funktionsweise unentbehrlich ist, ohne von der Systemtheorie bisher hinlänglich beschrieben worden zu sein? Die Beiträge dieses Bandes gehen den Widerständen und der Widerständigkeit einer Theorie nach, die mit dem Anspruch auftritt, ein fugenloses Gesamtwerk zu präsentieren. Sie arbeiten Stil und Metaphorik heraus, wie sie der Systemtheorie eigen sind; sie erinnern an die darin versenkten Denktraditionen und binden die soziologische Theorie an ihre Herkunft aus Biologie und Kybernetik zurück.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die Zeit für eine Bestandsaufnahme der Systemtheorie sei gekommen, stellt Rezensent Nicolaus Pethes fest, und der nun erschienene Band biete das "faszinierende Panorama", das man sich erhoffen konnte. Die Tagung, auf die der Band zurückgeht, habe es sich zur Aufgabe gemacht, die blinden Flecken der Theorie Niklas Luhmanns in den Blick zu nehmen. Die Relektüre der systemtheoretischen Texte als "Literatur" durch Koschorke und Vissmann, die Einwände von psychoanalytischer Seite ebenso wie die kritische Perspektive der Kittlerschen Medientheorie in Bernhard Dotzlers Beitrag machten das Buch zur "äußerst facettenreichen" Auseinandersetzung. Die Hoffnung des Rezensenten auf eine "systemtheoretischen Kulturwissenschaft" bleibe zwar auch mit diesem Band noch unerfüllt, aber was "Widerstände der Systemtheorie " biete, sei "für den Moment mehr als genug".
© Perlentaucher Medien GmbH
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