Gutenacht- und Spiellieder gehören zum unveräußerbaren Schatz der frühen Kindheitskultur. Die farbintensiven Illustrationen der Künstlerin Henrike Wilson schaffen zu jedem Lied einen wunderbaren Traumraum und machen es nicht nur zu einem Hör-, sondern auch zu einem visuellen Erlebnis.
Widewidewenne: Weite Bildkulissen für kleine Liedermacher
Kinder machen sich ihre Lieder selbst. Auch wenn man ihnen alte Volksweisen singt, mit Texten, die wahrhaftig nicht aktuell sind - Kinder machen in ihrer Vorstellung etwas daraus, was für sie genügend Sinn ergibt. Logisch muß das nicht sein. Beim Singen, erst recht beim Singen vor dem Schlafengehen, geht es ohnehin mehr um den Klang, auch um den Klang von Worten. Sie können getrost ein wenig ins Unverständliche abdriften, so daß man noch weicher hinübergleitet in den Schlaf. Solche Lieder geben den Auftakt zu Träumen.
Die Bilderbuchkünstlerin Henrike Wilson hat vier traditionelle Kinderlieder in solche ahnungsvollen Traumszenen versetzt. Jedes Lied hat ein ganzes Buch für sich. Das scheint auf den ersten Blick verschwenderisch. Aber wenn ein Lied von einer längeren Sequenz erzählender Bilder begleitet wird, dann verbinden sich Betrachten und Singen, die Konzentration wird tief, und alles prägt sich im Nu ein. Das liegt auch an den Bildern: Henrike Wilson malt großflächig, mit warm leuchtenden Farben und deutlichen Konturen. Die wenigen, oft nah herangeholten Figuren sind ein unaufdringliches Angebot an die Phantasie. Vor allem die beiden Schlaflied-Bücher mit dem nachtblauen Himmel und den schlafenden Tieren strömen Ruhe aus. So erhalten die Lieder eine weite Kulisse - viel Raum, um die Gedanken wandern zu lassen.
MONIKA OSBERGHAUS
Henrike Wilson: "Die Blümelein, sie schlafen"; "Grün, grün, grün sind alle meine Kleider"; "Schlafe, mein Prinzchen"; "Widewidewenne". Middelhauve Verlag, Weinheim 2003. Je 12 S., geb., 6,90 [Euro]. Ab 2 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main