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Der »Sams«-Erfinder Paul Maar erzählt den Roman seiner Kindheit
Paul Maar erinnert sich an den frühen Tod seiner Mutter, den viele Jahre im Krieg verschwundenen Vater, die neue Mutter, er erinnert sich an das Paradies bei den Großeltern und die unbarmherzige Strenge in den Wirtschaftswunderjahren. Paul Maars Erinnerungen sind zugleich Abenteuer- und Freundschaftsgeschichte, ein Vater-Sohn-Roman und eine Liebeserklärung an seine Frau Nele. Vor allem aber sind sie eine Feier der Lebensfreude, die er seinem Leben abtrotzen musste. Paul Maar beschreibt in seinen bewegenden Erinnerungen das,…mehr

Produktbeschreibung
Der »Sams«-Erfinder Paul Maar erzählt den Roman seiner Kindheit

Paul Maar erinnert sich an den frühen Tod seiner Mutter, den viele Jahre im Krieg verschwundenen Vater, die neue Mutter, er erinnert sich an das Paradies bei den Großeltern und die unbarmherzige Strenge in den Wirtschaftswunderjahren. Paul Maars Erinnerungen sind zugleich Abenteuer- und Freundschaftsgeschichte, ein Vater-Sohn-Roman und eine Liebeserklärung an seine Frau Nele. Vor allem aber sind sie eine Feier der Lebensfreude, die er seinem Leben abtrotzen musste.
Paul Maar beschreibt in seinen bewegenden Erinnerungen das, womit er sich auskennt wie kein Zweiter: die innere Insel, auf die sich Kinder zurückziehen. Wer dieses Buch gelesen hat, weiß, warum Paul Maar das »Sams« erfinden musste.
Autorenporträt
Paul Maar ist einer der beliebtesten und erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Er wurde 1937 in Schweinfurt geboren, studierte Malerei und Kunstgeschichte und war einige Jahre als Lehrer und Kunsterzieher an einem Gymnasium tätig, bevor er sich als freier Autor und Illustrator ganz auf seine künstlerische Arbeit konzentrierte. Bei S. Fischer erschien »Wie alles kam. Roman meiner Kindheit«. Paul Maars Werk wurde vielfach gewürdigt, unter anderem mit dem E. T. A.-Hoffmann-Preis und dem Friedrich-Rückert-Preis. Etliche Schulen tragen seinen Namen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Siggi Seuß scheint tief berührt von der Kindheits- und Jugendgeschichte, die Paul Maar in seinem autobiografischen Buch erzählt. Vom frühen Tod der Mutter und vom ablehnenden Vater berichtet der Autor, aber auch vom Trost einer Kindheit in der heilen fränkischen Provinz und vom Theater als Rettungsanker, erklärt Seuß. So sanft und selbstironisch wie Maar hier schreibt, zwischen Vergangenheit und Gegenwart springend, so anschaulich werden die Orte und Begebenheiten dem Rezensenten, dass er sogar die geschilderten Gerüche wahrzunehmen meint. Humor und Schwermut prägen diese Erinnerungen an eine Vater-Sohn-Tragödie, so Seuß.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2020

Schulscheitern als Glücksfall

Paul Maars Roman "Wie alles kam" sucht in der Kindheit des "Sams"-Autors nach dem Grund für den Aufbruch ins verspielte Reich der Kunst.

Von Uwe Ebbinghaus

Die Titelei des neuen Buchs von Paul Maar erstaunt in vielerlei Hinsicht. Warum wird hier "Wie alles kam" als "Roman meiner Kindheit" bezeichnet, wo die Handlung doch weit über die Kindheitsjahre hinausgeht? Und wie kann von einem Roman die Rede sein, wo das Geschehen doch nicht im geringsten fiktiv zu sein scheint, der Ich-Erzähler den gleichen Namen wie der Autor trägt und häufig einen anekdotischen Ton anschlägt?

Eine erste Erklärung für die eigenwillige Gattungsbezeichnung findet sich im zweiten Kapitel. Hier vergleicht Maar seine Erinnerungen mit unterschiedlich großen "Pfützen", zwischen denen es fließende Verbindungen herzustellen gelte. Und in diesem rein kompositorischen Sinn erinnert das Buch - gerade auch in seinem effektvollen Einsatz von dokumentarischem Material, von Briefen und Notizen - tatsächlich an ein fiktives Werk. Mit der Bezeichnung "Roman" will Maar seinen Lesern offenbar signalisieren, dass er sich in dem neuen Buch von seiner durch lineares Erzählen geprägten Kinderliteratur abzusetzen gedenkt.

Das erste Kapitel des neuen Buchs ist fulminant. Geschildert wird der Drogenrausch in einer dörflichen Kinderstube. Paul, gerade vier Jahre alt geworden, sieht nach der morgendlichen Waschzeremonie plötzlich Trugbilder in seinem Zimmer, schwebende Fische in blauer Luft, die durch den Mund atmen. Gelingt es ihm zunächst noch, "am Gehirnschalter" zu drehen und sich in die Realität zurückzuversetzen, gerät er in Panik, als er feststellt, dass der Schalter klemmt. Das Kind hat noch kein Wort dafür, fürchtet aber, verrückt zu werden. Als ihm doch wieder der Sprung in die Wirklichkeit gelingt, schwört es sich, nie mehr "den Weg in diese andere Welt" zuzulassen. Erst als Erwachsener findet Maar eine Erklärung für das Kindheitstrauma: Möglicherweise war das halluzinogene Mutterkorn in sein Frühstück geraten. Bemerkenswert jedenfalls für die Lebenserinnerungen des Sams-Erfinders - dieses Schaudern vor einer phantastischen Welt. Oder war diese frühe Furcht gerade die Voraussetzung für das geschützte literarische Spiel mit einer anderen Realität?

Ansonsten ist der Alltag des kleinen Paul von dem bodenständigen Realismus einer dörflichen Existenz im Krieg geprägt. Die Bombenangriffe auf Schweinfurt haben seine Stiefmutter, die ihn wie ihren leiblichen Sohn umhegt, zu den Eltern aufs Land getrieben. Dort wächst Paul zwischen zwei sich bekämpfenden Großmüttern im familiengeführten Gasthof auf, direkt am Main gelegen. In der Schule macht Paul, der sich das Lesen selbst beigebracht hat, große Fortschritte. Dann kehrt sein Vater aus dem Krieg zurück und hat hinfort nur das eine Ziel: sein Malergeschäft in Schweinfurt wieder zu eröffnen. Als es so weit ist, stürzt für Paul eine Welt zusammen. Hatte er das Dorf als "Paradies" empfunden, kommt ihm die Stadt wie die "Hölle" vor.

Das angespannte Verhältnis zum Vater, der die Sensibilität und Zartheit des Sohns als Schwäche bekämpft, verschlechtert sich zunehmend. Auf der höheren Schule fällt Paul zurück, er gerät unter schlechten Einfluss, stiehlt und wird vom Vater gezwungen, den Kontakt zu seiner ersten Liebe, einem Mädchen aus der Barackensiedlung, abzubrechen. Nur knapp entgeht er einem Schulverweis und bleibt schließlich sitzen, was sich jedoch als Glücksfall erweist. Mit den neuen Klassenkameraden befindet er sich auf einer Wellenlänge, und er lernt die aus einer Künstlerfamilie stammende Nele kennen. Mit dem Tod seines Freundes Franz endet die äußere Handlung von "Wie alles kam", die in den eher harmlosen Episoden wie ein Prequel zu Maars Kinderbuchkosmos wirkt.

Es gibt aber auch eine Reihe von Details, die Maar in seinen Kinderbüchern ausspart. So ging die Strenge des Vaters zuweilen über ein für die Nachkriegszeit gewöhnliches Maß hinaus. Paul und sein Bruder Bernd werden brutal mit einem Gartenschlauch gezüchtigt, der Vater verlangt von ihnen sogar, das Bestrafungsinstrument herbeizuholen. In Szenen wie diesen fühlt sich der Leser an Michael Hanekes "Das weiße Band" erinnert und bewundert die ungezwungene Wahrhaftigkeit, mit der Maar die heile Welt seiner Kinderbücher aufbricht. Gewagt auch der Erklärungsversuch im vorletzten Kapitel: Vielleicht habe er, Paul Maar, erst durch den Tod seines Schulfreunds Franz, der die Rolle des Schriftstellers für sich vereinnahmt hatte, vom Maler zum Autor werden können.

Besonders beeindruckend ist ein kurzes Intermezzo, in dem Maar den Alltag mit seiner inzwischen an Alzheimerdemenz erkrankten Frau Nele, seiner Jugendliebe, schildert. In dieser Episode laufen viele Leitmotive zusammen, die sich unerwartet als Herausforderung formieren. Muss Maar den "Weg in die andere Welt", den er zeitlebens nicht mehr beschreiten wollte, nun nicht doch zulassen? Zudem ringt er mit der ihm zugewachsenen Rolle des "Bestimmers", als den ihn seine Frau, die trotz ihrer Krankheit ganz bemerkenswerte, von Maar dokumentierte Notizen zu Papier bringt, neuerdings wahrnimmt. Maar will nicht dominieren, aber er kann es kaum vermeiden.

Zum Schluss wirft das Buch, das zuweilen an Kafkas "Brief an den Vater" erinnerte, durch einen jüngst aufgetauchten, im Krieg geschriebenen Brief des Vaters an die Stiefmutter ein neues Licht auf das gesamte Geschehen. Maar muss sich fragen, ob er durch seine frühe Ablehnung des Vaters nicht das Scheitern ihres Verhältnisses mitverschuldet hatte. Neu stellt sich die Frage, wann Schwäche in Stärke umschlägt - und umgekehrt. Einen Teil der Antwort geben Maars Kinderbücher, für den anderen bedurfte es dieses Spätwerks.

Paul Maar: "Wie alles kam". Roman meiner Kindheit.

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2020.

304 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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ein wunderbarer Erzähler Ijoma Mangold ZEIT Online 20201217
Siggi Seuß scheint tief berührt von der Kindheits- und Jugendgeschichte, die Paul Maar in seinem autobiografischen Buch erzählt. Vom frühen Tod der Mutter und vom ablehnenden Vater berichtet der Autor, aber auch vom Trost einer Kindheit in der heilen fränkischen Provinz und vom Theater als Rettungsanker, erklärt Seuß. So sanft und selbstironisch wie Maar hier schreibt, zwischen Vergangenheit und Gegenwart springend, so anschaulich werden die Orte und Begebenheiten dem Rezensenten, dass er sogar die geschilderten Gerüche wahrzunehmen meint. Humor und Schwermut prägen diese Erinnerungen an eine Vater-Sohn-Tragödie, so Seuß.

© Perlentaucher Medien GmbH