Statt mit der Eisenbahn zum Strandurlaub ans Meer zu fahren, kam man Mitte
des 19. Jahrhunderts auf die Idee, das Meer in die Stadt zu bringen: Das Aquarium
war geboren. Die geheimnisvollen Unterwasserwelten ? Szenarien wie bei
Jules Verne ? setzten sich so im bürgerlichen Wohnzimmer fest und warfen
ganz neue Fragen auf: Welche Fische gehören überhaupt ins Aquarium? Einheimische
oder aber Exoten? Oder gar beides, in gemischten Populationen? Sollten
Proletarier hiesige Fische halten, Bessergestellte hingegen fremdländische? Und
dürfen auch Frauen Fische züchten?
Bernd Brunners wunderbar illustrierte kleine Kulturgeschichte des Aquariums
gibt unerwartete Einblicke in eine Gesellschaft im Umbruch, in das Leben
von Leuten, die sich mit Süß- und Meerwasserfischen aus ihren eigenen vier
Wänden hinaus in fremde Gefilde phantasieren oder auf den Weltausstellungen
des 19. Jahrhunderts unter riesigen Aquarien hindurchschreiten: Abenteurertum
im Kleinen also ? was nicht zu verwechseln ist mit Spießertum.
des 19. Jahrhunderts auf die Idee, das Meer in die Stadt zu bringen: Das Aquarium
war geboren. Die geheimnisvollen Unterwasserwelten ? Szenarien wie bei
Jules Verne ? setzten sich so im bürgerlichen Wohnzimmer fest und warfen
ganz neue Fragen auf: Welche Fische gehören überhaupt ins Aquarium? Einheimische
oder aber Exoten? Oder gar beides, in gemischten Populationen? Sollten
Proletarier hiesige Fische halten, Bessergestellte hingegen fremdländische? Und
dürfen auch Frauen Fische züchten?
Bernd Brunners wunderbar illustrierte kleine Kulturgeschichte des Aquariums
gibt unerwartete Einblicke in eine Gesellschaft im Umbruch, in das Leben
von Leuten, die sich mit Süß- und Meerwasserfischen aus ihren eigenen vier
Wänden hinaus in fremde Gefilde phantasieren oder auf den Weltausstellungen
des 19. Jahrhunderts unter riesigen Aquarien hindurchschreiten: Abenteurertum
im Kleinen also ? was nicht zu verwechseln ist mit Spießertum.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2011Träume
vom Meer
Millionen Fernsehzuschauer blickten im vergangenen Jahr gebannt in ein Aquarium: Es war Fußballweltmeisterschaft, der Krake Paul sagte den Ausgang der Deutschlandspiele voraus. Er lag immer richtig. Mag auch die Aufmerksamkeit für das Orakel in erster Linie einer fußballverrückten Welt geschuldet gewesen sein, so üben doch seit rund 150 Jahren Aquarien aller Art eine magische Anziehungskraft auf uns Menschen aus. Für Bernd Brunner sind sie materialisierte Träume vom Meer. Seine wunderbare Kulturgeschichte „Wie das Meer nach Hause kam“ (2003), in der er die Geschichte der Ozeane en miniature lebendig und klug erzählt, liegt nun als Taschenbuch vor, um ein Kapitel erweitert. Es behandelt Probleme des ökologischen Gleichgewichts: Mehr als 20 Millionen tropischer Fische werden heute jährlich für den Aquarienhandel gefangen. Ein „dunkles Hobby“.
Florian Welle
Bernd
Brunner:
Wie das Meer nach Hause kam. Wagenbach Verlag, Berlin 2011.
138 Seiten, 10,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
vom Meer
Millionen Fernsehzuschauer blickten im vergangenen Jahr gebannt in ein Aquarium: Es war Fußballweltmeisterschaft, der Krake Paul sagte den Ausgang der Deutschlandspiele voraus. Er lag immer richtig. Mag auch die Aufmerksamkeit für das Orakel in erster Linie einer fußballverrückten Welt geschuldet gewesen sein, so üben doch seit rund 150 Jahren Aquarien aller Art eine magische Anziehungskraft auf uns Menschen aus. Für Bernd Brunner sind sie materialisierte Träume vom Meer. Seine wunderbare Kulturgeschichte „Wie das Meer nach Hause kam“ (2003), in der er die Geschichte der Ozeane en miniature lebendig und klug erzählt, liegt nun als Taschenbuch vor, um ein Kapitel erweitert. Es behandelt Probleme des ökologischen Gleichgewichts: Mehr als 20 Millionen tropischer Fische werden heute jährlich für den Aquarienhandel gefangen. Ein „dunkles Hobby“.
Florian Welle
Bernd
Brunner:
Wie das Meer nach Hause kam. Wagenbach Verlag, Berlin 2011.
138 Seiten, 10,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Nach zwei Stunden taucht der Leser vergnügt wieder auf, den Kopf randvoll mit Geschichten und Bildern." Florian Welle, Süddeutsche Zeitung