Hitzejahre, klirrende Kälte, Sturmfluten: Eindrucksvoll zeigt Ronald D. Gerste, wie langfristige Klimaveränderungen und einzelne Wetterereignisse sich auf die Gesellschaften und die Kulturen der Menschheit auswirkten und sogar den Verlauf der Geschichte beeinflussten.
Erstmals schildert Ronald D. Gerste langfristige Klimaschwankungen und kurzzeitige Wetterepisoden, die das Schicksal der Menschheit geprägt haben, führt die Leser durch verschiedene Epochen und zeigt, welchen Einfluss das Klima und sein Wandel auf die Blüte wie den Zerfall von Kulturen haben. Zugleich betrachtet er auch jene Ereignisse, bei denen das Wetter über einen kurzen Zeitraum - manchmal an nur wenigen Tagen - zum historischen Entscheidungsfaktor wurde. Ein hochaktuelles Buch, das zeigt, dass unsere Geschichte und die Entwicklung unserer Kultur stärker vom Klima und vom Wetter geprägt wurden, als uns bewusst ist.
Erstmals schildert Ronald D. Gerste langfristige Klimaschwankungen und kurzzeitige Wetterepisoden, die das Schicksal der Menschheit geprägt haben, führt die Leser durch verschiedene Epochen und zeigt, welchen Einfluss das Klima und sein Wandel auf die Blüte wie den Zerfall von Kulturen haben. Zugleich betrachtet er auch jene Ereignisse, bei denen das Wetter über einen kurzen Zeitraum - manchmal an nur wenigen Tagen - zum historischen Entscheidungsfaktor wurde. Ein hochaktuelles Buch, das zeigt, dass unsere Geschichte und die Entwicklung unserer Kultur stärker vom Klima und vom Wetter geprägt wurden, als uns bewusst ist.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Einiges über das Klima der vergangenen Jahrtausende lässt sich herausfinden, wenn man Eisberge und Bäume zersägt, weiß Thorsten Gräbe. Ronald Gerste koppelt solche naturwissenschaftlichen Mittel in seinem Buch "Wie das Wetter Geschichte macht" mit früheren Wetteraufzeichnungen, die vor allem Ausnahmeerscheinungen verzeichneten, berichtet der Rezensent, dem das Material dabei insgesamt ein wenig zu militärbetont ist. Außer einigen interessanten Korrelationen von Klimaphänomenen und Politik - etwa einer allgemeinen Erwärmung und der Expansion Roms in der Antike - bleiben für Gräbe am Ende zu wenig allgemeine Aussagen übrig, die über das Verhältnis von Wetter und Schlachtenglück hinausgehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2016Was lehrt die Chronik der Ungewitter?
Warmzeit, Eiszeit, Heißzeit: Ronald Gerste widmet sich Einflüssen von Wetter und Klima auf den Lauf der Geschichte.
Klimahistoriker sind Experten für den Schnee von gestern. Der Schweizer Christian Pfister, ein führender Vertreter des Fachs, brachte dessen Anspruch einmal auf den schönen Begriff der "Wetternachhersage". Die Frage, wie das Klima hierzulande früher war, stellt sich etwa, wenn eine "Chronik der Ungewitter zu Nürnberg" vermerkt, im Sommer 1022 seien auf den Straßen viele Leute "vor grosser Hiz verschmachtet und ersticket", Früchte seien "verdorret und verbrenet", und es habe an Wasser gemangelt. Ebenso erstaunt ein Bericht der "Quebec Gazette" vom Juni 1816, als die kanadische Stadt und ihr Umland ausgesehen hätten wie im Winter. Häuser, Straßen und Plätze seien "vollständig mit Schnee bedeckt" gewesen.
Beide Texte zitiert Ronald Gerste in seinem neuen Buch "Wie das Wetter Geschichte macht". An historischen Ereignissen aus vier Jahrtausenden verfolgt der Journalist und Sachbuchautor die Einflüsse von Wetter und Klima. Wetter ist ein momentanes Phänomen. Dagegen umfasst das Klima das gesamte gewöhnliche Wetter einer Gegend über längere Zeit. Um das Klima in der Vergangenheit zu rekonstruieren, können Forscher historische und naturwissenschaftliche Zugänge kombinieren. Bevor Erfindungen wie Thermometer und Barometer meteorologische Messungen ermöglichten, trugen Gelehrte und Geistliche bereits regelmäßige Beobachtungen in Wetterjournale ein. Jenseits solcher Quellen lässt sich das natürliche Klimagedächtnis über die Analyse von Pollen, Korallen, Eisbohrkernen oder Jahresringen der Bäume erschließen.
Das Buch bietet zum einen Überblickskapitel zu prägenden Klimaphasen. Roms Expansion in der Antike war durch das damalige Klima begünstigt, so Gerste, weil das Imperium sein Korn aus dem fruchtbaren Ägypten bezog und in ein erwärmtes Europa vorstieß, wo es nun auch das eigene Wirtschaftssystem einführte. Der Niedergang des Reichs ereignete sich in der Zeit, in der Europa abkühlte und Ägypten seltener durch die Nilschwemme ausreichend bewässert wurde. Die Nürnberger Sommerhitze von 1022 markiert ein Wetterextrem in einer insgesamt bemerkenswert warmen Periode des Mittelalters, als die Bevölkerung wuchs und zahlreiche neue Städte entstanden.
Als Kontrast dazu sind für die "Kleine Eiszeit" des vierzehnten bis neunzehnten Jahrhunderts eher die berühmten Winterbilder von Avercamp und Bruegel ein kulturelles Emblem. Zu den Krisenphänomenen dieser Epoche zählt Gerste die Seuchenanfälligkeit der durch Missernten geschwächten Bevölkerung, aber auch die Verfolgung vermeintlicher Hexen, die man für die Wetterkapriolen verantwortlich machte.
Zum anderen behandelt der Band einige folgenreiche Naturereignisse wie die Sturmflut von 1962, die ein Fünftel Hamburgs überschwemmte, oder den Ausbruch des Tamboras im April 1815. Die Emissionen des indonesischen Vulkans verursachten nicht nur den Schnee, der im Juni 1816 in Quebec fiel, sondern wirkten sich global auf das Klima aus: 1816 war das "Jahr ohne Sommer". Die meist knappen Kapitel widmen sich aber zu oft Militärthemen. Schwere Stürme trafen 1274 und 1281 die mongolische Flotte bei erfolglosen Versuchen, Japan zu unterwerfen, und 1588 die spanische Armada, als die Invasion Englands scheiterte. Im harten russischen Winter erlitten Napoleon und Hitler hohe Verluste. Nur zeigt das letztlich nicht mehr, als dass extremes Wetter im Krieg halt gut sein kann oder schlecht - je nachdem, auf welcher Seite man steht.
Beim Blick auf den vergangenen Klimawandel kommt Gerste auch auf aktuelle Debatten zu sprechen und konstatiert, manche Klimaforscher verbreiteten "eine Schlagzeilen heischende Weltuntergangsstimmung", um "Forschungsmittel zu akquirieren". Freilich wünscht er sich ja selbst, "dass jeder Einzelne das in seinen Kräften Stehende tun möge, um diesen kleinen, zerbrechlichen und so vollen Planeten zu bewahren". Dann wiederum ist Gerste "ein wenig benommen", denn bei einem Übermaß an Treibhausgasen werde es zu warm, und bei deren Mangel "zieht eine Kleine Eiszeit über die Welt".
Doch zum Schwanken zwischen Polemik, Pathos und Schulterzucken kommt in einem nachlässig lektorierten Werk leider noch hinzu, dass Druckfehler und krumme Sätze den Sinn verschleiern. Die "Mittelalterliche Warmzeit" sei im Klimastreit "dem Status einer interessanten, aber weit entfernten historischen Epoche entrissen worden". Also ist sie jetzt wohl langweilig und zeitlich näher?
THORSTEN GRÄBE
Ronald D. Gerste: "Wie das Wetter Geschichte macht". Katastrophen und Klimawandel von der Antike bis heute.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2015. 288 S., Abb., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Warmzeit, Eiszeit, Heißzeit: Ronald Gerste widmet sich Einflüssen von Wetter und Klima auf den Lauf der Geschichte.
Klimahistoriker sind Experten für den Schnee von gestern. Der Schweizer Christian Pfister, ein führender Vertreter des Fachs, brachte dessen Anspruch einmal auf den schönen Begriff der "Wetternachhersage". Die Frage, wie das Klima hierzulande früher war, stellt sich etwa, wenn eine "Chronik der Ungewitter zu Nürnberg" vermerkt, im Sommer 1022 seien auf den Straßen viele Leute "vor grosser Hiz verschmachtet und ersticket", Früchte seien "verdorret und verbrenet", und es habe an Wasser gemangelt. Ebenso erstaunt ein Bericht der "Quebec Gazette" vom Juni 1816, als die kanadische Stadt und ihr Umland ausgesehen hätten wie im Winter. Häuser, Straßen und Plätze seien "vollständig mit Schnee bedeckt" gewesen.
Beide Texte zitiert Ronald Gerste in seinem neuen Buch "Wie das Wetter Geschichte macht". An historischen Ereignissen aus vier Jahrtausenden verfolgt der Journalist und Sachbuchautor die Einflüsse von Wetter und Klima. Wetter ist ein momentanes Phänomen. Dagegen umfasst das Klima das gesamte gewöhnliche Wetter einer Gegend über längere Zeit. Um das Klima in der Vergangenheit zu rekonstruieren, können Forscher historische und naturwissenschaftliche Zugänge kombinieren. Bevor Erfindungen wie Thermometer und Barometer meteorologische Messungen ermöglichten, trugen Gelehrte und Geistliche bereits regelmäßige Beobachtungen in Wetterjournale ein. Jenseits solcher Quellen lässt sich das natürliche Klimagedächtnis über die Analyse von Pollen, Korallen, Eisbohrkernen oder Jahresringen der Bäume erschließen.
Das Buch bietet zum einen Überblickskapitel zu prägenden Klimaphasen. Roms Expansion in der Antike war durch das damalige Klima begünstigt, so Gerste, weil das Imperium sein Korn aus dem fruchtbaren Ägypten bezog und in ein erwärmtes Europa vorstieß, wo es nun auch das eigene Wirtschaftssystem einführte. Der Niedergang des Reichs ereignete sich in der Zeit, in der Europa abkühlte und Ägypten seltener durch die Nilschwemme ausreichend bewässert wurde. Die Nürnberger Sommerhitze von 1022 markiert ein Wetterextrem in einer insgesamt bemerkenswert warmen Periode des Mittelalters, als die Bevölkerung wuchs und zahlreiche neue Städte entstanden.
Als Kontrast dazu sind für die "Kleine Eiszeit" des vierzehnten bis neunzehnten Jahrhunderts eher die berühmten Winterbilder von Avercamp und Bruegel ein kulturelles Emblem. Zu den Krisenphänomenen dieser Epoche zählt Gerste die Seuchenanfälligkeit der durch Missernten geschwächten Bevölkerung, aber auch die Verfolgung vermeintlicher Hexen, die man für die Wetterkapriolen verantwortlich machte.
Zum anderen behandelt der Band einige folgenreiche Naturereignisse wie die Sturmflut von 1962, die ein Fünftel Hamburgs überschwemmte, oder den Ausbruch des Tamboras im April 1815. Die Emissionen des indonesischen Vulkans verursachten nicht nur den Schnee, der im Juni 1816 in Quebec fiel, sondern wirkten sich global auf das Klima aus: 1816 war das "Jahr ohne Sommer". Die meist knappen Kapitel widmen sich aber zu oft Militärthemen. Schwere Stürme trafen 1274 und 1281 die mongolische Flotte bei erfolglosen Versuchen, Japan zu unterwerfen, und 1588 die spanische Armada, als die Invasion Englands scheiterte. Im harten russischen Winter erlitten Napoleon und Hitler hohe Verluste. Nur zeigt das letztlich nicht mehr, als dass extremes Wetter im Krieg halt gut sein kann oder schlecht - je nachdem, auf welcher Seite man steht.
Beim Blick auf den vergangenen Klimawandel kommt Gerste auch auf aktuelle Debatten zu sprechen und konstatiert, manche Klimaforscher verbreiteten "eine Schlagzeilen heischende Weltuntergangsstimmung", um "Forschungsmittel zu akquirieren". Freilich wünscht er sich ja selbst, "dass jeder Einzelne das in seinen Kräften Stehende tun möge, um diesen kleinen, zerbrechlichen und so vollen Planeten zu bewahren". Dann wiederum ist Gerste "ein wenig benommen", denn bei einem Übermaß an Treibhausgasen werde es zu warm, und bei deren Mangel "zieht eine Kleine Eiszeit über die Welt".
Doch zum Schwanken zwischen Polemik, Pathos und Schulterzucken kommt in einem nachlässig lektorierten Werk leider noch hinzu, dass Druckfehler und krumme Sätze den Sinn verschleiern. Die "Mittelalterliche Warmzeit" sei im Klimastreit "dem Status einer interessanten, aber weit entfernten historischen Epoche entrissen worden". Also ist sie jetzt wohl langweilig und zeitlich näher?
THORSTEN GRÄBE
Ronald D. Gerste: "Wie das Wetter Geschichte macht". Katastrophen und Klimawandel von der Antike bis heute.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2015. 288 S., Abb., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Anschaulich und gut beschrieben, lesbar und ziemlich interessant ist das neue Buch des Historikers und Arztes Ronald D. Gerste, in dem in vielen kurzen Kapiteln über diese Wetterwendepunkte berichtet wird.« GEW, Dezember 2016/Januar 2017 GEW 20161201