Von einem, der auszog, die Kunst des Fliehens zu vollenden, und der dabei den Wert des Humors schätzen lernte. Knappe eines edlen Ritters wollte der Waisenjunge Tom werden. Statt dessen sitzt er in der Schreibstube des Duke von Lancaster und muss Briefe vom Papst an den Erzbischof von Reims übersetzen, die der Duke abgefangen hat. Bevor er sich richtig darüber aufregen kann, wird er von einem unheimlichen Zeitgenossen entführt und findet sich ausgerechnet im Kerker des Erzbischofs wieder. Mit knapper Not einem kannibalisch angehauchten Mitgefangenen entronnen, startet Tom seine Flucht durch den Palast, die ihn - nach einem kurzen Zwischenfall mit einem Nachttopf - ins Schlafgemach der schönen Emily führt. Die beiden begeben sich gemeinsam auf eine abenteuerliche Reise, auf der sie nicht nur Freunde treffen und wieder aus den Augen verlieren, sondern auch immer wieder vor ihrem Feind, dem Erzbischof, fliehen müssen. Toms Handstand und den verrücktesten Fluchtwegen, aber auch de r Liebe ist es zu verdanken, dass Tom sein Ziel, den Papstpalast von Avignon, halbwegs unbeschadet erreicht. Wer denkt, dem Happyend stände nichts mehr im Wege, der irrt gewaltig, denn an der Tafel des Papstes schmaust bereits der Erzbischof, während Tom noch ratlos vor den verschlossenen Toren und mächtigen Mauern des Palastes steht ...Ein historischer Abenteuerroman, der vor Situationskomik und Verwegenheit überschäumt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002Deftiges Mittelalter
In der Etappe: Tom, Alan und Emily schlagen sich durch
Der Hundertjährige Krieg, diese lange Auseinandersetzung zwischen England und Frankreich, fällt in den Herbst des Mittelalters. Johan Huizinga, der große Historiker dieser Epoche, hat beschrieben, wie die ritterlichen Ideale damals noch einmal aufblühten - nicht weil sie im Leben Geltung besaßen, sondern weil sie, als Fiktionen, die Unbegreiflichkeit der Gegenwart mit einer "Illusion der Ordnung" überspielten. Froissart etwa, ein zeitgenössischer Autor, schwelgte in hochromantischen Ritterträumen, aber zugleich schrieb, wie Huizinga berichtet, "seine Journalistenfeder fortwährend über Verrat und Grausamkeit, schlaue Habgier und Übermacht, kurz ein Kriegshandwerk, das ganz Sache der Gewinnsucht geworden ist". Ungefähr so würde sich wohl auch der Knabe Tom ausdrücken, der der Leibeigenschaft auf dem Dorf entrinnt und nun als Knappe bei Henry, dem Duke of Lancaster, dient.
Aber nicht im Schwertkampf wird er unterrichtet, nicht die Rüstung darf er pflegen - er muß die lateinisch geschriebene Post der Geistlichkeit überwachen. Ist nicht der Geheimdienst, seit Kiplings "Kim", die vornehmste Sozialisationsagentur für britische Ideal-Knaben? Tom also sitzt in der Champagne in der Etappe, aber nicht lang. Dann beginnen die Wirrnisse des Krieges ihn durch Frankreich zu wirbeln, in üble Gefängnisse, in den Schacht eines Brunnens, zu unterirdisch versteckten, halbverhungerten Menschen. Oben wird inzwischen geplündert und gebrandschatzt. Tom kämpft auf keiner Seite, sondern um sein Überleben; meist gelingt es ihm, sich gerade so durchzuschlagen. Im Zweifelsfall können die Begegnungen mit seinen Landsleuten von der englischen Armee genauso gefährlich enden wie die mit den "Feinden". Dann findet er die Aufgabe, die ihm, nur ihm zugedacht ist: Er muß die Botschaft der Verhungernden an den Papsthof nach Avignon bringen.
Tom bleibt nicht allein. Alan, ein zweiter Knappe, in dessen Kleidern sich in Wahrheit Ann verbirgt, begegnete dem Leser schon im ersten Band. Nun kommt die hochgeborene Emily hinzu, und Tom erlebt in allen äußeren Verwicklungen und Proben vor allem die inneren: das mal zartere, mal drängendere Erwachen der Liebe.
Terry Jones erzählt die Geschichte mit deftigem Humor, wie man es bei einem früheren Mitglied von Monty Python erwarten darf. Das Mittelalter hat es Terry Jones seit den "Rittern der Kokosnuß" angetan; mit einem Buch und einer Fernsehserie über die Kreuzzüge hat er seine historischen Kenntnisse erneut unter Beweis gestellt. Aber hier bilden sie nur den Hintergrund der Erzählung, und niemals drängt sich ein belehrender Impuls vor die Spannung.
LORENZ JÄGER
Terry Jones: "Wie der Knappe Tom einen Handstand machte, sein Herz verlor und beinahe die Wasserspülung erfand". Aus dem Englischen übersetzt von Yvonne Hergane. Mit Illustrationen von Michael Foreman. Bertelsmann Jugendbuch Verlag, München 2002. 351 S., geb., 15,- [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In der Etappe: Tom, Alan und Emily schlagen sich durch
Der Hundertjährige Krieg, diese lange Auseinandersetzung zwischen England und Frankreich, fällt in den Herbst des Mittelalters. Johan Huizinga, der große Historiker dieser Epoche, hat beschrieben, wie die ritterlichen Ideale damals noch einmal aufblühten - nicht weil sie im Leben Geltung besaßen, sondern weil sie, als Fiktionen, die Unbegreiflichkeit der Gegenwart mit einer "Illusion der Ordnung" überspielten. Froissart etwa, ein zeitgenössischer Autor, schwelgte in hochromantischen Ritterträumen, aber zugleich schrieb, wie Huizinga berichtet, "seine Journalistenfeder fortwährend über Verrat und Grausamkeit, schlaue Habgier und Übermacht, kurz ein Kriegshandwerk, das ganz Sache der Gewinnsucht geworden ist". Ungefähr so würde sich wohl auch der Knabe Tom ausdrücken, der der Leibeigenschaft auf dem Dorf entrinnt und nun als Knappe bei Henry, dem Duke of Lancaster, dient.
Aber nicht im Schwertkampf wird er unterrichtet, nicht die Rüstung darf er pflegen - er muß die lateinisch geschriebene Post der Geistlichkeit überwachen. Ist nicht der Geheimdienst, seit Kiplings "Kim", die vornehmste Sozialisationsagentur für britische Ideal-Knaben? Tom also sitzt in der Champagne in der Etappe, aber nicht lang. Dann beginnen die Wirrnisse des Krieges ihn durch Frankreich zu wirbeln, in üble Gefängnisse, in den Schacht eines Brunnens, zu unterirdisch versteckten, halbverhungerten Menschen. Oben wird inzwischen geplündert und gebrandschatzt. Tom kämpft auf keiner Seite, sondern um sein Überleben; meist gelingt es ihm, sich gerade so durchzuschlagen. Im Zweifelsfall können die Begegnungen mit seinen Landsleuten von der englischen Armee genauso gefährlich enden wie die mit den "Feinden". Dann findet er die Aufgabe, die ihm, nur ihm zugedacht ist: Er muß die Botschaft der Verhungernden an den Papsthof nach Avignon bringen.
Tom bleibt nicht allein. Alan, ein zweiter Knappe, in dessen Kleidern sich in Wahrheit Ann verbirgt, begegnete dem Leser schon im ersten Band. Nun kommt die hochgeborene Emily hinzu, und Tom erlebt in allen äußeren Verwicklungen und Proben vor allem die inneren: das mal zartere, mal drängendere Erwachen der Liebe.
Terry Jones erzählt die Geschichte mit deftigem Humor, wie man es bei einem früheren Mitglied von Monty Python erwarten darf. Das Mittelalter hat es Terry Jones seit den "Rittern der Kokosnuß" angetan; mit einem Buch und einer Fernsehserie über die Kreuzzüge hat er seine historischen Kenntnisse erneut unter Beweis gestellt. Aber hier bilden sie nur den Hintergrund der Erzählung, und niemals drängt sich ein belehrender Impuls vor die Spannung.
LORENZ JÄGER
Terry Jones: "Wie der Knappe Tom einen Handstand machte, sein Herz verlor und beinahe die Wasserspülung erfand". Aus dem Englischen übersetzt von Yvonne Hergane. Mit Illustrationen von Michael Foreman. Bertelsmann Jugendbuch Verlag, München 2002. 351 S., geb., 15,- [Euro]. Ab 10 J.
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