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Stop making sense: Antonius versucht der allgemeinen Sinnlosigkeit Herr zu werden, indem er selbst nur noch sinnlose Dinge tut. Darum räumt er Mülltonnen auf. Als er jedoch keine Antwort auf die Frage findet, ob Mülltonnenkontrolle nicht vielleicht doch eine sinnvolle Tätigkeit sei, hört er sofort wieder auf damit. Renate hingegen möchte gerne verschwinden, weil sie ihr Leben so langweilig findet. Dabei ist gerade ihres recht angenehm.

Produktbeschreibung
Stop making sense: Antonius versucht der allgemeinen Sinnlosigkeit Herr zu werden, indem er selbst nur noch sinnlose Dinge tut. Darum räumt er Mülltonnen auf. Als er jedoch keine Antwort auf die Frage findet, ob Mülltonnenkontrolle nicht vielleicht doch eine sinnvolle Tätigkeit sei, hört er sofort wieder auf damit. Renate hingegen möchte gerne verschwinden, weil sie ihr Leben so langweilig findet. Dabei ist gerade ihres recht angenehm.
Autorenporträt
Iris Hanika, geboren 1962 in Würzburg, lebt seit 1979 in Berlin. Sie wurde für ihr Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: u.a. Hans-Fallada-Preis (2006), »Treffen sich zwei« Shortlist Deutscher Buchpreis (2008), »Das Eigentliche« European Union Prize for Literature und dem Preis der LiteraTour Nord (2010), »Echos Kammern« Hermann-Hesse-Literaturpreis (2020), Preis der Leipziger Buchmesse (2021).
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Was soll man tun? Versuchen, dem Leben einen Sinn abzutrotzen, oder sich ganz und gar seiner Sinnlosigkeit ausliefern? Antonius hat sich für die Sinnlosigkeit entschieden und es daher zu seiner Gewohnheit gemacht, den Müll zu sortieren, den seine Nachbarn im Hof regelmäßig in die falschen Tonnen entsorgen. Gerade als er an der hinreichenden Sinnlosigkeit dieser Tätigkeit zu zweifeln beginnt und schon beschlossen hat, die Routine wieder aufzugeben, findet er im Restmüll das Tagebuch einer Frau. Die Lektüre löst viel aus in Antonius, der eigentlich immer gern Manfred geheißen hätte und in einem früheren Leben, in dem er Adrian genannt wurde, viel Zeit in psychiatrischen Krankenhäusern verbrachte. Im zweiten Teil des Romans wird Rückschau gehalten: Adrian, ein Vierteljahrhundert jünger, ist der lebensuntüchtige Erbe eines großen Familienunternehmens. Als eines Tages eine junge Germanistin in der Bibliothek seines Vaters ein seltenes Buch entdeckt, greift er zum Messer. Anders als in ihrem Bestseller "Treffen sich zwei", zeigt Iris Hanika in ihrem neuen Roman die Irrungen und Zufälle des Lebens nicht als freundliches Durcheinander, sondern als sinnloses Chaos. Und die Liebe gibt es gar nicht.

© BÜCHERmagazin, Katharina Granzin (kgr)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2015

Ist unser Lebensmüll wiederverwertbar?
Iris Hanika erzählt vom Chaos in der Mitte des Lebens, wenn alles noch einmal neu geordnet werden muss

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen", hatte Theodor W. Adorno in seinen "Minima Moralia" geschrieben, die er "Reflexionen aus dem beschädigten Leben" nannte. Die Prosastücke skizzieren eine Morallehre, die von der Hohlform des falschen, entfremdeten Lebens ausgeht, von dem, was nicht sein darf, weil es den Menschen bis in die privatesten Verästelungen seiner Psyche hinein zerstört. Der traurige und liebenswerte Held in Iris Hanikas Roman "Wie der Müll geordnet wird" kann als umgestülptes Prachtexemplar der Spezies gelten, die Adorno im Sinn hatte: Weil dieser Antonius sich an den romantischen Wunsch klammert, ein wahrhaftiges, ehrliches und auf diese Weise erfüllendes Leben zu führen, fasst er notgedrungen lauter absurde, sich an den unerträglichen Manieren und der Egomanie seiner Mitmenschen ausrichtende Vorsätze. So nimmt er sich vor, täglich in Einkaufszentren zu gehen, um seinen Menschenhass zu stärken.

Antonius ist knapp über fünfzig und hat schon etliche Lebenskatastrophen hinter sich. Er lebt in Berlin, kurz nach dem Mauerfall, doch die wirre Euphorie der Stadt mit ihrer Goldgräberstimmung dringt nur selten zu ihm durch, und wenn, dann kann Antonius nur schwer zwischen der äußeren und seiner inneren Verwirrung unterscheiden. Jeden Tag zermartert er sich den Kopf, was er anfangen soll mit seinen Tagen, und die Autorin führt ihm und den Lesern einige besonders rigorose Varianten der Sinnerzeugung wie Folterwerkzeuge vor. Schon der ironische Titel spielt auf Nikolai Ostrowskis realsozialistischen Klassiker "Wie der Stahl gehärtet wurde" (1936) an, der ein gnadenlos zugerichtetes Leben feiert, das sich für einen willkürlich behaupteten Zweck - "Befreiung der Menschheit" genannt - aufopfert. Da ist Antonius viel bescheidener: Er wäre schon glücklich, wenn er sich selbst auch nur ein bisschen von sich selbst befreien könnte, und das verweist auf die zweite Bedeutung des Titels: Müll meint hier auch den aufgehäuften Lebensmüll.

Wir kennen Iris Hanika als eine spöttische und kluge Beobachterin ihrer Mitmenschen. In "Katharina oder Die Existenzverpflichtung" (1992) betrachtet sie das Desaster eines fremdbestimmten Lebens, ihre Prosaskizzen "Musik auf Flughäfen" (2005) sammeln alltägliche Missverständnisse und Zeugnisse der Einsamkeit, und "Tanzen auf Beton" (2012) protokolliert bizarr scheiternde Liebesverhältnisse. Ihr neuer Roman bündelt alle diese Motive auf anrührende Weise, denn seine Hauptfigur Antonius ist von entwaffnender Sanftheit. Wie Herman Melvilles Schreiber Bartleby lebt er nach dem selbstzerstörerischen Grundsatz "I would prefer not to", der ihn besonders in Liebesdingen vor Peinlichkeiten und Seelenschmerz bewahrt. Es zeugt von Iris Hanikas kluger Erzählkunst, dass ihr in diesem scheinbar gefühlsleeren Raum eine besonders intensive, dabei sehr zarte Liebesszene gelingt, die in der monddurchfluteten Küche von Antonius spielt, mit einer imaginierten Doppelgängerin an seiner Seite.

Das Buch, in drei Teilen erzählt, ist als doppelte Spiegelung gebaut. Der erste, elegant geschriebene und besonders amüsant zu lesende Teil trägt den Titel "Durcheinander" und spielt in der spätkapitalistischen Gegenwart. Antonius betrachtet die Welt wie ein Zaungast, legt Listen von besonders hässlichen Gebäuden, unangenehmen Stimmen oder Orten an, an denen Geld gefunden wurde, und ordnet den Müll in den Recyclingtonnen im Hof. Eigentlich wollte er, als Akt der Befreiung, etwas vollkommen Sinnloses tun, doch als er sich durch diese Tätigkeit unversehens in einem Knäuel aus kulturellen Einsichten und Schicksalsbegegnungen, also mitten in der Gesellschaft, wiederfindet, hört er sofort damit auf. Aber es ist schon passiert: Bei der Lektüre eines gefundenen Heftes, der schriftlichen Selbsterforschung einer gewissen Renate, bleibt er hängen. Die Schreiberin steckt genau wie er in der Mitte des Lebens fest, was Gefühlsstürme in ihm auslöst.

Die Tagebuchpassagen und seine sarkastischen Anmerkungen greifen witzig ineinander, denn diese Renate ist nicht die Allerklügste, und Antonius leidet beredt an ihren hilflosen Sätzen. Andererseits katapultiert sie ihn in seine bedrohliche Vergangenheit zurück, und so läuft alles auf den rasant, aber streng linear erzählten zweiten Teil zu. Er beginnt in den frühen neunziger Jahren und schraubt sich immer tiefer in die Vergangenheit, wo es genauso wild und chaotisch zuging wie in den Jahrzehnten danach, nur wirkt im Rückblick alles ganz stringent: Weltreiche gingen unter, Eltern wurden ermordet, Aufsteiger kämpften um ihren Platz in der Firma, waren verliebt oder eben gerade nicht, Familienfeste entgleisten. Der Leser erfährt endlich, warum Antonius in der Mitte seines Lebens aus diesem ausstieg und wie ihn die sonderbare, sehr ruhige Begegnung mit der Barockforscherin Dorothea direkt in die Katastrophe führte.

Die Autorin hat sich intensiv mit dem schlesischen Barockdichter Johann Christian Hallmann beschäftigt, nach dessen verschollenem Trauerspiel Dorothea in der Bibliothek von Antonius' reichem Vater sucht. Eine Kriminal- und Campusgeschichte wird hier miterzählt, vor allem geht es Hanika aber um eine schneidend scharfe Gesellschaftssatire und um Feldforschung in unterschiedlichen Milieus. Wie nebenbei errichtet sie ein Denkmal für das geschlagene Kind Antonius, das einem spätestens jetzt ans Herz wächst. Der dritte und letzte Teil ihres Buches heißt "Zukunft" und ist sehr kurz. Denn eigentlich, das wissen wir von Vladimir Nabokov, gibt es die Zukunft ja gar nicht.

NICOLE HENNEBERG

Iris Hanika: "Wie der Müll geordnet wird".

Literaturverlag Droschl, Graz, Wien 2015. 299 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Rezensentin kennt die Autorin als kluge Beobachterin ihrer Mitmenschen. Auch in ihrem neuem Roman gelingt Iris Hanika laut Nicole Henneberg der Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse, klug und schneidend satirisch, meint sie. Die rasante, amüsant zu lesende Darstellung verschiedener Milieus paart die Autorin hier mit einem Rückblick auf eine so traurige wie rührende Existenz, erklärt Henneberg. Erstaunlich findet sie, wie Hanika in dieses Porträt eines postmodernen Bartleby Liebesszenen von großer Intensität, Elemente des Krimis und des Campusromans mit einzubauen versteht.

© Perlentaucher Medien GmbH