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"Während sich alle um mich herum im Gebrauch des Fleischermessers oder der Machete üben, wenn nicht gar der Pistole, bediene ich mich der Feder: mit nicht weniger messerscharfem Vergnügen." Luis Pineda, genannt "Pinedito", bleibt wie durch ein Wunder unbehelligt von den politischen Wirren seines Heimatlandes, eines Unrechtsstaats durch und durch. An den Rollstuhl gefesselt, kann er sich auf die Rolle des Beobachters zurückziehen. So wird er unversehens zum Chronisten eines bestialischen Szenarios von ungeahnten Ausmaßen: Mord, Korruption, rohe Gewalt und der Greuel mehr, wohin das Auge blickt.…mehr

Produktbeschreibung
"Während sich alle um mich herum im Gebrauch des Fleischermessers oder der Machete üben, wenn nicht gar der Pistole, bediene ich mich der Feder: mit nicht weniger messerscharfem Vergnügen." Luis Pineda, genannt "Pinedito", bleibt wie durch ein Wunder unbehelligt von den politischen Wirren seines Heimatlandes, eines Unrechtsstaats durch und durch. An den Rollstuhl gefesselt, kann er sich auf die Rolle des Beobachters zurückziehen. So wird er unversehens zum Chronisten eines bestialischen Szenarios von ungeahnten Ausmaßen: Mord, Korruption, rohe Gewalt und der Greuel mehr, wohin das Auge blickt. Dem kritischen Geist fällt in der übelsten aller möglichen Welten die Aufgabe zu, eine ungeschönte Chronik der laufenden Ereignisse zu erstellen. Doch ist der selbsternannte Aufklärer Pinedito tatsächlich der unbescholtene Beobachter, als der er sich ausgibt? Unter der Hand wird aus dem historischen Bericht eine umfassende Anklage, die auch seine eigene Rolle in Frage stellt: Denn wo verläuft der schmale Grat zwischen Verstrickung und Schuld, zwischen Mittäter- und Mitläuferschaft, zwischen Alibi und Lebenslüge?
Autorenporträt
Francisco Ayala wurde 1906 in Granada geboren. Schon während des Jurastudiums widmete er sich der Erzählkunst und Essayistik. Am Ende des Spanischen Bürgerkriegs floh er nach Argentinien, später als Literaturprofessor in die USA.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr bedauerlich findet es der Rezensent Paul Ingendaay, dass Francisco Ayalas Diktatorenroman, der nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt, auch in seiner spanischen Heimat im Grunde ohne Wirkung geblieben ist. Dabei nahm der heute hundertjährige Ayala, als er ihn 1958 veröffentlichte, die großen lateinamerikanischen Diktatorenromane eines Garcia Marquez oder Augusto Roa Bastos in mancher Hinsicht vorweg. Der Diktator, um den es hier geht - wenngleich er nicht unbedingt die Zentralfigur ist - ähnelt in vielen Zügen Juan Peron, vereint aber, so Ingendaay, alle Untugenden lateinamerikanischer Diktatoren auf sich, vom "Machtwillen" zu "Eitelkeit" und "mangelnder Bildung". Die große Kunst Ayalas ist dabei die Blickverengung auf den Horizont der Figuren selbst, die sich in der Darstellung selbst dekuvrieren. Die Handlung ist grotesk und man werde den Eindruck nicht los, dass jeder Aufdeckung von Geheimnissen eine neue Verschleierung entspricht. Neben der raffinierten Erzählstrategie und der genauen Durchleuchtung politischer  Machtverhältnisse findet der Rezensent auch den sehr "trockenen Humor" des Autors bewundernswert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Mit fünfzig Jahren Verspätung können wir einen Schriftsteller von hohen Graden entdecken, der zum Bestand der europäischen Moderne gehört." Paul Ingendaay, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2006

Hauen und Stechen
Francisco Ayalas Roman und das Bild des Diktators

Zu den besonderen Merkmalen von Francisco Ayalas 1958 veröffentlichtem Diktatorenroman "Wie Hunde sterben" gehört einerseits, daß er berühmten lateinamerikanischen Vertretern dieser Gattung wie "Der Herbst des Patriarchen" von Gabriel García Márquez, "Ich, der Allmächtige" von Augusto Roa Bastos oder "Die Methode der Macht" von Alejo Carpentier weit vorausgeht. Und andererseits, daß er nicht von einem Lateinamerikaner geschrieben wurde.

Beide Tatsachen erklären sich aus Ayalas erratischem Lebensweg, der die Exilorte Argentinien, Puerto Rico und die Vereinigten Staaten umfaßt. Die Heimatlosigkeit und das Fehlen sozialer Bindung dürften dafür verantwortlich sein, daß dieser raffiniert verschachtelte Roman seit seinem Erscheinen vor einem halben Jahrhundert praktisch ohne Wirkung geblieben ist. Nachholen läßt sich so etwas schwerlich. Auch in Spanien begann Ayalas Wirkungsgeschichte erst nach seiner Rückkehr, in der Spätzeit des Franco-Regimes. Immerhin kann der inzwischen Hundertjährige, der in seiner spanischen Heimat alle erdenklichen literarischen Auszeichnungen erhalten hat und als Klassiker zu Lebzeiten gilt, nach dem Erzählband "Der Kopf des Lammes" (F.A.Z. vom 4. November 2003) schon auf seine zweite deutschsprachige Veröffentlichung bei Manesse zurückblicken. Und wie beim Vorgänger ist Erna Brandenberger eine mustergültige Übersetzung gelungen, während in Hanjo Kestings Nachwort alles steht, was man wissen muß.

Seit dem Roman "Der Herr Präsident" (1946) des Guatemalteken Miguel Ángel Asturias hat der Diktatorenroman eine weitgefächerte Herrschertypologie hervorgebracht, von elefantenfüßigen Monstren in verfaulenden Palästen bis zu kalten Bürokraten der Macht. Sosehr bei Ayala, der nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs einige Jahre in Buenos Aires verbrachte, der Demagoge Perón hindurchschimmert, während die Primera Dama unverkennbar Züge von Eva Duarte trägt, so deutlich ist der Diktator seines Romans eine Konstruktion, die mehrere typische Übel des Kontinents in einem einzigen Herrscher vereint - Machtwillen, Skrupellosigkeit, Eitelkeit, mangelnde Bildung und einen Hang zu billigen Vergnügungen.

Ayala ist ein Meister beschränkter Perspektiven. Seine Figuren verraten mehr über sich selbst, als ihnen lieb sein kann, und oft demontieren sie im Reden ihren eigenen Anspruch. Als wollte er auf keinen Fall wie ein Eiferer wirken, verbirgt sich der Autor dabei hinter seinen Geschöpfen. Und je komischer die Situation, desto trockener Ayalas Humor. Bei einer feierlichen Zeremonie etwa müssen die zahlreichen Zuhörer in glühender Hitze der Nationalhymne lauschen, die einfach nicht enden will. "Unsere Nationalhymne hat nämlich eigentlich keinen Schluß - eine von mehreren ihrer Besonderheiten: Sie besteht aus einem einzigen schlichten, kurzen und großartigen Motiv, das sich wie unsere Geschichte abwechselnd in einem sehr langsamen und einem sehr schnellen Tempo beliebig oft wiederholt, und aus diesem Gegensatz ergibt sich eine noble dramatische Spannung."

Antón Bocanegra, der Diktator eines kleinen karibischen Landes "irgendwo abseits in einem Winkel in den Tropen, leicht zu übersehen zwischen den großen ,Nachbarmächten'", steht durchaus nicht im Mittelpunkt der Handlung. Eher geht es darum, wer von den Intrigen an der Staatsspitze profitiert, wer skrupelloser ist als die Gegenspieler oder, ganz simpel, wer das erbarmungslose Hauen und Stechen überlebt. Der Diktator ist es nicht, und auch die nachfolgenden Figuren werden eine nach der anderen von Morden hinweggerafft.

Getreu der modernistischen Maxime, daß es nicht auf den Inhalt, sondern die Erzählweise ankommt, entfaltet der Roman seine Geheimnisse mit fortschreitender Lektüre und läßt hinter den teils grotesken, teils gewalttätigen Szenen die Möglichkeit aufscheinen, die Chronik der laufenden Ereignisse werde im selben Zug, wie sie vor dem Leser enthüllt wird, wieder verschleiert. Als Meister der Manipulation erweist sich im doppelten Sinn der Chronist der Geschehnisse, der im Rollstuhl sitzende Luis Pineda, der zunächst wie ein Beobachter am Rande wirkt und erst im Lauf des Romans seine Beteiligung an den verwickelten Intrigen zu erkennen gibt. In seinen Bericht mischt er großzügig die Aufzeichnungen von Bocanegras Privatsekretär, dem Emporkömmling Tadeo Requena, der dem Machtspiel ebenfalls zum Opfer fällt.

Dieses Interesse am Erzählen von der Macht - statt an der Macht selbst - zeigt, wie scharf der Soziologe Francisco Ayala über die Diskursivierung der Politik nachgedacht hat. "Wie Hunde sterben" nimmt schon die aufwendigen Strategien vorweg, die Roa Bastos' Hauptwerk "Ich, der Allmächtige" sechzehn Jahre später aufbieten wird, um den lateinamerikanischen Diktator und seine Mythologie, seinen Kontrollwahn und seine Geschichtsbesessenheit in einen Roman zu bannen. Und nichts garantiert, daß es mit diesem Phänomen so bald ein Ende hat.

Francisco Ayala: "Wie Hunde sterben". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Erna Brandenberger. Mit einem Nachwort von Hanjo Kesting. Manesse Verlag, Zürich 2006. 384 S., geb., 19,90 [Euro].

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"Ein atemberaubend präzis gefügter politischer Kriminalroman, [...] besticht durch Intelligenz und Tempo." Jörg Drews - Tages-Anzeiger