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Spitzenmanager und Kreative, Ingenieure, Wissenschaftler und Psychologen aus der ganzen Welt haben ein Lese- und Diskussionsbuch geschrieben, das Mut macht, der Krise die Stirn zu bieten und sich nicht damit begnügt, den allgemeinen Stillstand zu beklagen.

Produktbeschreibung
Spitzenmanager und Kreative, Ingenieure, Wissenschaftler und Psychologen aus der ganzen Welt haben ein Lese- und Diskussionsbuch geschrieben, das Mut macht, der Krise die Stirn zu bieten und sich nicht damit begnügt, den allgemeinen Stillstand zu beklagen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.10.1997

Warum der Rat erfahrener Männer ratlos läßt
Wolfgang Rihm hat auch niemand gesagt, wie man Komponist wird: Die Tragik der Managerliteratur

Es ist eine dieser Fragen, die Eltern in Verlegenheit bringen: "Wie kommt das Neue in die Welt?" Der Siemens-Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer und der Wirtschaftsberater Bolko von Oetinger haben sie siebenunddreißig meist prominenten Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik wie auch aus Kultur und Wissenschaft gestellt. Das Ergebnis ist ein Buch, das sich trotz seiner breiten Anlage wohl vor allem an Führungskräfte richtet. Wer sich nicht in dieser Welt bewegt, mag seine Grundannahme etwas überspannt finden. Der Leser ist gehalten, sich die Zeit als einen Fluß vorzustellen, der unablässig neue Ideen heranspült und alte fortschwemmt - und mit ihnen die, die sich daran festhalten. Das Neue ist da, verkünden die Herausgeber, "es will zu uns", wir müssen nur danach greifen. Aber wie macht man das?

Hinter der abstrakten Frage steht ein sehr konkretes Problem: "Nenne einen Markt, der mit zwanzig Prozent und mehr pro Jahr wächst, und es ist fast sicher: deutsche Unternehmen sind in diesem Markt nicht oder kaum zu finden." So formuliert es Konrad Seitz, der deutsche Botschafter in China. Und wenn es kein deutsches Problem ist, so doch eine deutsche Angst. Gar nicht so wenige Manager hierzulande werden von der Sorge umgetrieben, sie seien fleißig, aber phantasielos. In solchen Momenten streunen sie in jenen Bezirken des Denkens, von denen sie vermuten, daß es dort gerade umgekehrt sei. Im kleinen Kreis werden sie dann gern ein wenig frivol und reden vom Querdenken und von Visionen, von Spieltheorien und von Schumpeters "schöpferischer Zerstörung". Einer der Autoren stellt sogar eine Jazztheorie der Unternehmensführung vor.

Kaum jemand wird dieses buntscheckige Buch in seiner Gänze beurteilen können. Es vereint die unterschiedlichsten Beiträge, auch solche, in denen das Wort "neu" nicht einmal vorkommt. Sie handeln von Yin und Yang, Adolf Eichmann oder dem japanischen Markt für Wegwerfwindeln. Die Irritation ist erwünscht. Das Neue sollte nicht in eine alte Form gegossen werden. Doch so fortschrittlich der Band sich gibt, erinnert er schon in den Kapitelüberschriften an die frühen Tage der populären Sachliteratur, als die Bücher noch "Sinn und Sein" oder "Welt im Wandel" hießen und mit ihren mächtigen Begriffsklammern so ziemlich alles umspannten, was überhaupt denkbar war.

Ihr Hang zur Grundsätzlichkeit trägt der Managerliteratur oftmals Spott ein. Zumal die Künste reagieren eher belästigt, wenn jemand ihre Theorien wörtlich nehmen oder gar anwenden möchte. Gerade das tut aber der Leser, an den sich das Buch vom Neuen richtet. Er besieht das bunte Treiben und stellt zwei aufreizend vernünftige Fragen: Wie geht das, und was habe ich davon? In Großkonzernen glaubt man noch an die Weisheit des großen Mannes. Man denkt sich, daß Dichter oder Komponisten Strategien anwenden, um zum Erfolg zu kommen, und daß man mit diesen Strategien ebensogut Kühlschränke verkaufen kann. Diese Annahme ist schmeichelhaft, aber wohl doch nicht sehr plausibel. Wer zu Feder, Pinsel oder Taktstock greift, will ja im allgemeinen nichts Besonderes, außer vielleicht unsterblich werden oder seinen Freunden imponieren.

Für handfeste und anwendbare Antworten hätte man Simmel befragen können statt Harry Mulisch, Spielberg statt Peter Greenaway und Andrew Lloyd-Webber statt Wolfgang Rihm. Aber der Ehrgeiz war wohl, von den besten, von den eigenwilligsten Köpfen zu lernen. Mit der Kreativität, zitiert der Betriebswirtschaftler John Kao beifällig einen Kollegen, sei es wie mit dem Weihnachtsmann: "Wenn man nicht an ihn glaubt, dann kommt er auch nicht und bringt einem keine Geschenke." Aber wer würde in seinem Glauben früher enttäuscht als derjenige, der vor Begeisterung zu heftig an den Rockschößen zieht? In der Beschwörung kreativer Freiheit liegt auch schon der Versuch ihrer Vereinnahmung. Nicht umsonst regte Niklas Luhmann vor zehn Jahren in dieser Zeitung einen Kreativitätstest an, den man nur bestehen kann, indem man ihn nicht ablegt: Ein schöpferischer Geist unterwirft sich nicht ohne Not fremden Regeln. Das macht den sogenannten Kreativen meist zu einem schlechten Lehrer.

Ironischerweise ist es gerade das Geld, das die Wirtschaftsintelligenz in ihrer Sinnsuche hemmt. Die in diesem Band vertretenen Künstler und Intellektuellen vermögen jedenfalls nicht den Eindruck zu erwecken, als sei es schon immer ihr Herzenswunsch gewesen, zu diesem Thema zu schreiben. Nicht jeder freilich zeigt das so deutlich wie Wolfgang Rihm, der die ganze Suche zum Irrweg erklärt: "Absichtslosigkeit ist der höchste Luxus, den wir uns leisten können. Absichtslosigkeit ist nirgend zu erwerben und hat schon gar nichts mit den lachhaften Freizeit-Chimären zu tun, mit denen wir die tiefe Unfreiheit kaschieren müssen, die dazu zwingt, freie Zeit ,gestalten' zu müssen. Absichtslosigkeit kann etwas momentan Trostloses sein, ein Zustand höchster unfroher Melancholie, nichts ,Positives', nichts Auf-zu-neuen-Ufern-haftes. Wenn wir diesen Zustand aber ertragen und ihn auch durch die scheinbar nutzlos verstreichende Zeit hindurch aushalten, kann es sein, daß wir plötzlich vor etwas Neuem stehen und wissen: Das ganze Gebarme um ,Innovation' ist auch nur Beschäftigungstherapie. Wir kennen ja nicht einmal das, was wir erneuern wollen."

Das ist alles nicht sehr nett, und man bedauert die Interviewerin, die nichts getan hat, als Rihm artig nach seinem "Time-Management" zu fragen. Doch vergebens; der Meister wird seine Eleven nicht abschütteln können. Wahrscheinlich wird das Hindernis ihren Eifer nur noch stärker beflügeln. Man sieht es schon vor sich in den Programmen der Managerseminare von morgen: "Sechzehn Uhr bis sechzehn Uhr dreißig: Kreatives Nichtstun. Anschließend Diskussion." MICHAEL ALLMAIER

Heinrich von Pierer, Bolko von Oetinger (Hrsg.): "Wie kommt das Neue in die Welt?" Carl Hanser Verlag, München 1997. 336 S., geb., 49,80 DM.

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