Sehr persönliche Erinnerungen, geschrieben mit der Offenheit, die ihn als Psychotherapeuten so besonders und letztlich weltberühmt machten.
Irvin D. Yalom widmete sein Leben dem seelischen Leid anderer, in diesem Buch erzählt er von sich und den Umbrüchen, die ihn und seine Arbeit geprägt haben. Er berichtet von der Kindheit in prekären sozialen Verhältnissen, dem Minderwertigkeitsgefühl in jungen Jahren, der frühen Eigenwilligkeit, aber auch von den Kämpfen der verschiedenen psychotherapeutischen Schulen in den 1960er Jahren, den Anfängen der Studentenrevolte, der Menschenrechts- und Frauenbewegung, Drogen und Esoterik, und auch Berühmtheiten wie Viktor Frankl oder Rollo May kommen zu Wort.
Entstanden ist so das Porträt eines Mannes, der sein Leben in Gänze ausgekostet und gleichzeitig mit extremen Sinn gefüllt hat - von ausgelassenen Flitterwochen auf dem Motorrad durch Frankreich bis zur therapeutischen Arbeit mit Krebspatienten und dem Reflektieren über den eigenen Tod.
Irvin D. Yalom widmete sein Leben dem seelischen Leid anderer, in diesem Buch erzählt er von sich und den Umbrüchen, die ihn und seine Arbeit geprägt haben. Er berichtet von der Kindheit in prekären sozialen Verhältnissen, dem Minderwertigkeitsgefühl in jungen Jahren, der frühen Eigenwilligkeit, aber auch von den Kämpfen der verschiedenen psychotherapeutischen Schulen in den 1960er Jahren, den Anfängen der Studentenrevolte, der Menschenrechts- und Frauenbewegung, Drogen und Esoterik, und auch Berühmtheiten wie Viktor Frankl oder Rollo May kommen zu Wort.
Entstanden ist so das Porträt eines Mannes, der sein Leben in Gänze ausgekostet und gleichzeitig mit extremen Sinn gefüllt hat - von ausgelassenen Flitterwochen auf dem Motorrad durch Frankreich bis zur therapeutischen Arbeit mit Krebspatienten und dem Reflektieren über den eigenen Tod.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2018Transparent und mit viel Mitgefühl
Begeistert für Geschichten: Der Therapeut Irvin D. Yalom besichtigt sein Leben
Je besser wir uns selbst verstehen, desto besser ist das Leben, das wir führen: Mit dieser Überzeugung hat Irvin D. Yalom, einer der bekanntesten amerikanischen Psychotherapeuten, Stanford-Emeritus, Autor von Standardwerken zur Gruppentherapie und Existentieller Psychotherapie und internationalen Bestseller-Romanen, mehr als fünfzig Jahre lang versucht, verborgenen Beweggründen im Leben anderer auf die Spur zu kommen. In seinem, wie er ankündigt, letzten Werk rekonstruiert und analysiert er nun die eigene Geschichte.
Als Sohn jüdisch-russischer Einwanderer wächst er in einfachsten, aber bildungsorientierten Verhältnissen auf - sein erstes Fahrrad schenken die notgedrungen sparsamen Eltern dem Zwölfjährigen, nachdem er ihnen weisgemacht hat, nur mit diesem könne er regelmäßig die Bibliothek besuchen. Seiner Herkunft habe er sich immer geschämt, berichtet der Autor und beschreibt als Grundgefühl seines Lebens den Drang, eine vermeintliche Minderwertigkeit auszugleichen, einen Drang, der sich in einem unglaublichen Fleiß niederschlägt. Mit Bestnoten sichert er sich einen der wenigen seinerzeit für Juden reservierten Studienplätze in Medizin.
Seiner Begeisterung für Geschichten und Literatur schreibt er seine schnelle Entscheidung für das Fach Psychiatrie zu. Und hier ist es wiederum eine Geschichte, die Geschichte seiner ersten Patientin, Muriel, die Yalom der Prüfungskommission einfach erzählt, statt den Fall nach den vorgegebenen Kategorien zu analysieren, die ihn aus seinen Mitstudierenden heraushebt und ihn zu der Überzeugung gelangen lässt, er habe in diesem Fach vielleicht etwas Besonderes zu geben. Die Behandlung von Muriel enthält im Rückblick bereits die wichtigsten Elemente der therapeutischen Herangehensweise, die Yalom ein Leben lang ausarbeiten wird: ein freundschaftliches Gespräch, in dem der Therapeut sich empathisch auf sein Gegenüber einlässt und mit seinen eigenen Gefühlen und Erfahrungen nicht hinter dem Berg hält.
Später findet Yalom in der Gruppentherapie sein Spezialgebiet, denn er ist überzeugt, dass Menschen in der Einsicht, mit ihrem Leid nicht allein zu sein, den größten Trost finden können. Die Offenheit behält er bei. Statt die Sitzung durch ein Fensterchen in der Wand von Kollegen beobachten und später analysieren zu lassen, bezieht er die Beobachter ein, stellt sie den Patienten vor, lässt sie mitdiskutieren, bespricht die Notizen, die er sich zu den Sitzungen anfertigt, mit den Patienten. Diese Transparenz stößt manche Kollegen vor den Kopf und macht ihm selbst, wie er zugibt, gelegentlich Angst, doch sie zahlt sich in Form überraschender therapeutischer Einsichten und Fortschritte für die Patienten aus.
Yalom arbeitet sich an den Größen seines Fachs ebenso ab wie an den großen literarischen Persönlichkeitsstudien und an Philosophen wie Spinoza, Nietzsche und Schopenhauer. Für den Leser wird die Autobiographie so zu einem Ausflug in die Geschichte der Psychotherapie. Für seine eigene Praxis bleibt Yalom konsequent dabei, sein Gefühl für gelingende Kommunikation höher zu schätzen als Vorstellungen davon, was ein Therapeut den verschiedenen Schulen zufolge tun müsse und nicht tun dürfe. Seine Karriere führt Yalom derweil zuerst in die Armee, die den wehrpflichtigen Facharzt mit einer Abkommandierung nach Hawaii zwangsbeglückt, später nach London und Paris und auf den Spuren Freuds zu einer Lehranalyse nach Wien, bevor er an der Stanford University sesshaft wird.
In den letzten Kapiteln reflektiert Yalom das Näherkommen des eigenen Todes, Die Entwicklung gehe weiter und er komme nicht mehr recht mit, konstatiert Yalom, findet aber trotzdem noch die Energie, um über Therapien via SMS und Skype und die Bedeutung des Hirnscanners für die Psychiatrie der Zukunft nachzudenken.
Schreibklausuren in den schönsten Gegenden der Welt, Lese- und Vortragsreisen rund um den Globus, eine wachsende Familie, deren organisatorische Last allerdings zum größten Teil seine Frau zu tragen hatte, die zeitgleich um ihre akademische Karriere kämpfte: Man möge so leben, konstatiert der Autor im Rückblick, dass man nicht mit dem Eindruck scheiden müsse, nicht gelebt zu haben. In dieser Hinsicht dürfte Yalom sich wenig vorzuwerfen haben.
MANUELA LENZEN
Irvin D. Yalom: "Wie man wird, was man ist". Memoiren eines Psychotherapeuten.
Aus dem Englischen von Barbara von Bechtolsheim. btb Verlag, München 2017. 444 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Begeistert für Geschichten: Der Therapeut Irvin D. Yalom besichtigt sein Leben
Je besser wir uns selbst verstehen, desto besser ist das Leben, das wir führen: Mit dieser Überzeugung hat Irvin D. Yalom, einer der bekanntesten amerikanischen Psychotherapeuten, Stanford-Emeritus, Autor von Standardwerken zur Gruppentherapie und Existentieller Psychotherapie und internationalen Bestseller-Romanen, mehr als fünfzig Jahre lang versucht, verborgenen Beweggründen im Leben anderer auf die Spur zu kommen. In seinem, wie er ankündigt, letzten Werk rekonstruiert und analysiert er nun die eigene Geschichte.
Als Sohn jüdisch-russischer Einwanderer wächst er in einfachsten, aber bildungsorientierten Verhältnissen auf - sein erstes Fahrrad schenken die notgedrungen sparsamen Eltern dem Zwölfjährigen, nachdem er ihnen weisgemacht hat, nur mit diesem könne er regelmäßig die Bibliothek besuchen. Seiner Herkunft habe er sich immer geschämt, berichtet der Autor und beschreibt als Grundgefühl seines Lebens den Drang, eine vermeintliche Minderwertigkeit auszugleichen, einen Drang, der sich in einem unglaublichen Fleiß niederschlägt. Mit Bestnoten sichert er sich einen der wenigen seinerzeit für Juden reservierten Studienplätze in Medizin.
Seiner Begeisterung für Geschichten und Literatur schreibt er seine schnelle Entscheidung für das Fach Psychiatrie zu. Und hier ist es wiederum eine Geschichte, die Geschichte seiner ersten Patientin, Muriel, die Yalom der Prüfungskommission einfach erzählt, statt den Fall nach den vorgegebenen Kategorien zu analysieren, die ihn aus seinen Mitstudierenden heraushebt und ihn zu der Überzeugung gelangen lässt, er habe in diesem Fach vielleicht etwas Besonderes zu geben. Die Behandlung von Muriel enthält im Rückblick bereits die wichtigsten Elemente der therapeutischen Herangehensweise, die Yalom ein Leben lang ausarbeiten wird: ein freundschaftliches Gespräch, in dem der Therapeut sich empathisch auf sein Gegenüber einlässt und mit seinen eigenen Gefühlen und Erfahrungen nicht hinter dem Berg hält.
Später findet Yalom in der Gruppentherapie sein Spezialgebiet, denn er ist überzeugt, dass Menschen in der Einsicht, mit ihrem Leid nicht allein zu sein, den größten Trost finden können. Die Offenheit behält er bei. Statt die Sitzung durch ein Fensterchen in der Wand von Kollegen beobachten und später analysieren zu lassen, bezieht er die Beobachter ein, stellt sie den Patienten vor, lässt sie mitdiskutieren, bespricht die Notizen, die er sich zu den Sitzungen anfertigt, mit den Patienten. Diese Transparenz stößt manche Kollegen vor den Kopf und macht ihm selbst, wie er zugibt, gelegentlich Angst, doch sie zahlt sich in Form überraschender therapeutischer Einsichten und Fortschritte für die Patienten aus.
Yalom arbeitet sich an den Größen seines Fachs ebenso ab wie an den großen literarischen Persönlichkeitsstudien und an Philosophen wie Spinoza, Nietzsche und Schopenhauer. Für den Leser wird die Autobiographie so zu einem Ausflug in die Geschichte der Psychotherapie. Für seine eigene Praxis bleibt Yalom konsequent dabei, sein Gefühl für gelingende Kommunikation höher zu schätzen als Vorstellungen davon, was ein Therapeut den verschiedenen Schulen zufolge tun müsse und nicht tun dürfe. Seine Karriere führt Yalom derweil zuerst in die Armee, die den wehrpflichtigen Facharzt mit einer Abkommandierung nach Hawaii zwangsbeglückt, später nach London und Paris und auf den Spuren Freuds zu einer Lehranalyse nach Wien, bevor er an der Stanford University sesshaft wird.
In den letzten Kapiteln reflektiert Yalom das Näherkommen des eigenen Todes, Die Entwicklung gehe weiter und er komme nicht mehr recht mit, konstatiert Yalom, findet aber trotzdem noch die Energie, um über Therapien via SMS und Skype und die Bedeutung des Hirnscanners für die Psychiatrie der Zukunft nachzudenken.
Schreibklausuren in den schönsten Gegenden der Welt, Lese- und Vortragsreisen rund um den Globus, eine wachsende Familie, deren organisatorische Last allerdings zum größten Teil seine Frau zu tragen hatte, die zeitgleich um ihre akademische Karriere kämpfte: Man möge so leben, konstatiert der Autor im Rückblick, dass man nicht mit dem Eindruck scheiden müsse, nicht gelebt zu haben. In dieser Hinsicht dürfte Yalom sich wenig vorzuwerfen haben.
MANUELA LENZEN
Irvin D. Yalom: "Wie man wird, was man ist". Memoiren eines Psychotherapeuten.
Aus dem Englischen von Barbara von Bechtolsheim. btb Verlag, München 2017. 444 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Irvin D. Yalom beweist immer wieder, dass die Psychoanalyse Stoff für die schönsten und aufregendsten Geschichten bietet, wenn sie nur in die richtigen Hände gerät.« The New York Times