»Eines Tages wollte Gott wissen, wie die Wesen seiner Schöpfung ihn sahen. Er, der alles erschaffen hatte, die Sonne und die anderen Sterne, die Erde und die anderen Planeten, wusste nicht genau, was seine Geschöpfe über ihn dachten. Und so kam Gott auf die Erde, unsichtbar wie ein Gedanke und
neugierig wie ein Kind.«
Rafik Schami ist – nicht nur in meinen Augen – ein einfach begnadeter…mehr»Eines Tages wollte Gott wissen, wie die Wesen seiner Schöpfung ihn sahen. Er, der alles erschaffen hatte, die Sonne und die anderen Sterne, die Erde und die anderen Planeten, wusste nicht genau, was seine Geschöpfe über ihn dachten. Und so kam Gott auf die Erde, unsichtbar wie ein Gedanke und neugierig wie ein Kind.«
Rafik Schami ist – nicht nur in meinen Augen – ein einfach begnadeter Erzähler. Er findet Formulierungen und Worte, die gleichzeitig treffend und wunderschön sind, geeignet, beim Lesen jeden einzelnen Satz zu genießen. Darüber hinaus ist er für mich ein großer Vermittler zwischen den Kulturen – ich wünschte, es gäbe mehr Menschen wie ihn.
Dieses Buch kaufte ich blind, eben weil es von ihm ist. Und schreibe nun mit sehr schwerem Herzen diese Rezi.
Gott kommt also auf die Erde, um seine Geschöpfe zu fragen, wie er für sie aussieht und was er ihnen bedeutet. Er befragt jede Menge verschiedener Tiere und Pflanzen, Atome, Wolken und einen Regenbogen. Und ganz am Schluss die Krone seiner Schöpfung. Die jeweiligen Antworten sind tiefgründig und ausdrucksstark, sie lassen den Leser nachdenken und philosophieren. Dieses Buch ist keines, das man in einem Rutsch lesen sollte. Jede einzelne Begegnung stellt neue Thesen in den Raum, die bedacht werden wollen. Und die gewählten Worte dabei sind wie erwartet wunderschön.
Aber jetzt kommt der Knackpunkt: An wen sind sie gerichtet? Wer ist die eigentliche Zielgruppe?
Nehme ich als Erwachsener das Buch zur Hand, erfreue ich mich zwar an den klug gewählten Worten, denke aber ständig, dass es nur so wenige auf jeder Seite sind. Jede Begegnung umfasst lediglich wenige Sätze, auf beinahe jeder Seite findet sich freie Fläche, die Kinder einladen soll, die vorhandenen Zeichnungen mit eigenen zu ergänzen.
Tatsächlich ist das Buch so angelegt, dass man es als Erwachsener zusammen mit seinen jüngeren Kindern lesen sollte. In kleinen Abschnitten, zum Beispiel eine Begegnung pro Abend. Dann könnte man mit dem Kind die jeweiligen Aussagen besprechen, seine Meinung dazu hören und es abschließend ein Bild malen lassen. Klingt gut, aber ob es funktioniert? Es mag Kinder geben, die über Sätze wie „Er ist die unendliche Wärme, die mich zum Leben erweckt und mitten im Frost den Sommer fühlen lässt.“ reden möchten, aber sicher nicht alle. Und auf jeden Fall muss der erwachsene Vorleser mehr tun, als nur Vorlesen – Buch zuklappen – Gute-Nacht-Sagen. Ich sehe so manche abendliche Vorleserunde misslingen!
Ein weiterer Punkt sind die Zeichnungen. Sie sind recht einfach gehalten und bestehen nur aus einfarbigen, einfachen Linien. Die meisten jüngeren Kinder würden aber eher bunte Bilder als schön empfinden und das Betrachten dieses Buchs folglich als wenig reizvoll.
Das größte Problem aber ist der Schluss. Denn während die Aussagen von Tieren, Pflanzen usw. im Grunde alle positiv und von Ehrfurcht geprägt sind, greift der Mensch, auf der letzten Seite als krönender Schluss befragt, gehörig daneben. Eine gewaltige Portion Kritik steckt darin und die ist (mit den Augen eines Erwachsenen betrachtet) sehr gerechtfertigt und gut angebracht, aber was soll ein jüngeres Kind damit anfangen? Ich halte das für eine glatte Überforderung und nicht altersgerecht.
Um welchen Gott es sich übrigens handelt, wird weder erwähnt noch kann man es ableiten, so dass das Buch in allen Religionen, die an einen Gott als Schöpfer der Welt und des Lebens glauben, gelesen werden kann.
Fazit: Philosophie mit jüngeren Kindern? Ich vermute, mit diesem Buch wird das nicht klappen, es spräche doch eher Erwachsene an.