»Das kühnste Debüt des Jahres« (The Observer) von einer aufregenden Newcomerin der Weltliteratur
»Wie viel von diesen Hügeln ist Gold« ist eins von Barack Obamas Lieblingsbüchern 2020
Mit einer Pistole in den Händen und der Leiche des Vaters auf dem Rücken des Pferdes sind die chinesischen Waisenkinder Lucy und Sam auf der Flucht durch die Prärie. Amerika ist ein unbarmherziges Land, von Bisonknochen übersät und dem Goldrausch verfallen. Die Geschwister wollen den Vater gemäß dem chinesischen Ritual begraben - mit zwei Silberdollars auf den Augen. Nur auf diese Weise kann Ba nach Hause finden. Doch wo in dieser fremden Welt ist für Lucy und Sam das Zuhause, das so unerreichbar scheint wie das versprochene Gold in den Hügeln?
Mit wilder Sprachmagie erzählt C Pam Zhang, Tochter chinesischer Einwanderer in Amerika, in ihrem Roman »Wie viel von diesen Hügeln ist Gold« von der Sehnsucht anzukommen - an einem Ort und in einer Identität, die sich über die Grenzen von Herkunft und Gender hinwegsetzt.
»Wie viel von diesen Hügeln ist Gold« ist eins von Barack Obamas Lieblingsbüchern 2020
Mit einer Pistole in den Händen und der Leiche des Vaters auf dem Rücken des Pferdes sind die chinesischen Waisenkinder Lucy und Sam auf der Flucht durch die Prärie. Amerika ist ein unbarmherziges Land, von Bisonknochen übersät und dem Goldrausch verfallen. Die Geschwister wollen den Vater gemäß dem chinesischen Ritual begraben - mit zwei Silberdollars auf den Augen. Nur auf diese Weise kann Ba nach Hause finden. Doch wo in dieser fremden Welt ist für Lucy und Sam das Zuhause, das so unerreichbar scheint wie das versprochene Gold in den Hügeln?
Mit wilder Sprachmagie erzählt C Pam Zhang, Tochter chinesischer Einwanderer in Amerika, in ihrem Roman »Wie viel von diesen Hügeln ist Gold« von der Sehnsucht anzukommen - an einem Ort und in einer Identität, die sich über die Grenzen von Herkunft und Gender hinwegsetzt.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensent Martin Oehlen kann verstehen, warum C Pam Zhangs Debüt "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" vergangenes Jahr auf der Longlist des Booker Prizes stand. Die chinesisch-amerikanische Schriftstellerin erzählt darin in Form eines Westernromans von zwei Geschwistern, der zwölfjährigen, schlauen Lucy und der elfjährigen, trotzigen Sam, die sich auf die Suche nach einem Zuhause und einer geeigneten Begräbnisstelle für ihren verstorbenen Vater Ba begeben, beschreibt Oehlen. Die Figuren sind ihm zufolge markant gezeichnet, ohne idealisiert zu werden. Außerdem findet der Rezensent es mutig, dass die Autorin im dritten Teil des Buches den toten Ba als Erzähler fungieren lässt. Und obwohl die Geschichten im Wilden Westen spielen, sind die behandelten Themen, darunter Rassismus, Sexismus, Umweltschutz, Migration und Selbstfindung hochaktuell und zeigen poetisch und bestimmt, wie der amerikanische Traum zum Alptraum werden kann. Ein glänzendes Debüt in einer glänzenden Übersetzung von Eva Regul, schließt Oehlen zufrieden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2021Ein schmaler, verwilderter Pfad
Unerfüllter amerikanischer Traum: C Pam Zhangs chinesische Einwanderergeschichte
Früher war alles gewaltiger, die Bisons beispielsweise: "War eine kalte Zeit damals. Fast das ganze Jahr über lag Schnee. Aber ich glaube, es ist nach und nach wärmer geworden, die Tiere wurden kleiner. Auch der See ist geschrumpft", so erzählt der Vater seinen jungen Töchtern von der Welt, in der sie leben und von der sie offenkundig nur die Schrumpfform kennen. Was von der alten Herrlichkeit noch übrig bleiben mag, hofft er im Gold zu finden, das die Hügel ringsum bergen sollen: ein Glücksversprechen, dem er mit der Familie jahrelang gefolgt ist. Wie zigtausend andere zog er nach Westen, um zu schürfen. Doch zu Reichtum kam er nie, und sein amerikanischer Traum ist schon deshalb unerfüllt geblieben, weil er sich nie zugehörig fühlen durfte: Chinesische Einwanderer und ihre Nachkommen werden im gelobten Land allenfalls als Lohnsklaven geduldet. Wenn der Vater daher von den großen Urzeiten des Landes fantasiert, formuliert er seinen Claim, dass auch er und die Seinen dort zu Hause sind.
Diesem Anspruch stellt sich dieser Roman: Er will zeigen, dass amerikanische Geschichte vielfältiger und vielsprachiger ist, als sie in gängigen Darstellungen erscheint, und dass auch ein prägendes Ereignis wie der kalifornische Goldrausch nicht im Mythos starker weißer Männer aufgeht, den wir aus so vielen Büchern oder Filmen kennen. Die Autorin C Pam Zhang, Jahrgang 1990, kam in China zur Welt und als Kind in die Vereinigten Staaten. Dort wurde ihr Erzähldebüt im letzten Jahr zu einem Sensationserfolg; sogar mit einer Empfehlung von Barack Obama lässt sich ihr Buch jetzt bewerben. Wie also setzt es sein zweifellos wichtiges Anliegen um?
Die Kapitel heißen "Gold", "Salz", "Schädel", "Wind", "Erde", "Fleisch" oder "Blut" und deuten schon durch diese Titel an, dass hier jemand ganz aufs Essenzielle setzt. Die Schauplätze werden durch bloße Versatzstücke markiert: Von "Creek" ist die Rede, von "Saloon" oder "Hufschmiede" - das muss reichen, um die Atmosphäre von Goldgräberstädten und Frontier-Siedlungen zu entwerfen. Die historische Lokalisierung wird durch geheimnisvolle Jahresangaben wie "XX62" gezielt verunklart. Das ganze Wildwest-Szenario wirkt durchweg wie Found-Footage-Material, das grell nachkoloriert und mit allerhand rätselhaften Zutaten versehen worden ist, mit Tigern beispielsweise, die nachts durch die Prärie streunen, oder Schakalen, die sich unversehens in bärtige Männer verwandeln und alles zerstören.
Die Geschichte setzt ein, als der Vater stirbt und die beiden Töchter, elf- und zwölfjährig, den verwesenden Leichnam auf der Suche nach einem passenden Begräbnisort wochenlang im Treck hinter sich herziehen. Und schon finden Belesene ein weiteres Versatzstück, das William Faulkners modernistisch vielstimmigem Südstaatenepos "Als ich im Sterben lag" entnommen scheint, in dem eine solche Konstellation bereits erzählt wird und ebenfalls die Totenstimme einen Erzählpart erhält. Doch bei Zhang gibt es noch mehr: Eine der Töchter wäre lieber ein Sohn und steckt sich daher Steine oder Möhren in die Hose - ein transsexuelles Verlangen, das offenbar nicht nur eigenem Begehren folgt, sondern zugleich dem Vater über den Verlust des dritten Kindes hinweghelfen soll, eines Sohnes, der bei der Geburt verstarb und dabei auch die Mutter von der Restfamilie entfernt hat. Weiterhin finden sich Überschwemmungen, Feuersbrünste und Verfolgungsjagden.
Erzählt wird das alles im historischen Präsens und in einer Sprache, die in amerikanischen Rezensionen als "lyrisch" gepriesen wurde und sich in Eva Reguls deutscher Übersetzung so ausnimmt: "Ein Leben aus knospenden Möglichkeiten, die nur darauf warteten aufzublühen." Oder: Lucy "staunt, hat sie doch das Grab ihrer Kindheit so festgetrampelt, dass kaum noch Gefühle herausflattern". Oder: "Lucy sehnt sich einfach nur nach der leeren Straße und dem Nachhall von Sams Brüllen, das immer noch in ihr klingt wie ein schmaler, verwilderter Pfad." Oder: "Lucy lässt einen Schwall Flüche los. Das Gras verschluckt sie mit zustimmendem Nicken." Diese Mischung aus Klischees und Stilblüten, fast beliebig herausgegriffen, findet sich innerhalb weniger Seiten.
Dies ist ein Debüt, das alles zugleich sein will - historischer Roman, Geschichtsrevision, Familiensaga, Western, Coming-of-Age-Geschichte, Abenteuerstory, Magischer Realismus, Traumabewältigung - und doch mit seinen Möglichkeiten nichts davon erreicht. Vielleicht ist das wie mit den Bisons: Früher war eben alles gewaltiger. TOBIAS DÖRING
C Pam Zhang: "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Regul. Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2021. 342 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unerfüllter amerikanischer Traum: C Pam Zhangs chinesische Einwanderergeschichte
Früher war alles gewaltiger, die Bisons beispielsweise: "War eine kalte Zeit damals. Fast das ganze Jahr über lag Schnee. Aber ich glaube, es ist nach und nach wärmer geworden, die Tiere wurden kleiner. Auch der See ist geschrumpft", so erzählt der Vater seinen jungen Töchtern von der Welt, in der sie leben und von der sie offenkundig nur die Schrumpfform kennen. Was von der alten Herrlichkeit noch übrig bleiben mag, hofft er im Gold zu finden, das die Hügel ringsum bergen sollen: ein Glücksversprechen, dem er mit der Familie jahrelang gefolgt ist. Wie zigtausend andere zog er nach Westen, um zu schürfen. Doch zu Reichtum kam er nie, und sein amerikanischer Traum ist schon deshalb unerfüllt geblieben, weil er sich nie zugehörig fühlen durfte: Chinesische Einwanderer und ihre Nachkommen werden im gelobten Land allenfalls als Lohnsklaven geduldet. Wenn der Vater daher von den großen Urzeiten des Landes fantasiert, formuliert er seinen Claim, dass auch er und die Seinen dort zu Hause sind.
Diesem Anspruch stellt sich dieser Roman: Er will zeigen, dass amerikanische Geschichte vielfältiger und vielsprachiger ist, als sie in gängigen Darstellungen erscheint, und dass auch ein prägendes Ereignis wie der kalifornische Goldrausch nicht im Mythos starker weißer Männer aufgeht, den wir aus so vielen Büchern oder Filmen kennen. Die Autorin C Pam Zhang, Jahrgang 1990, kam in China zur Welt und als Kind in die Vereinigten Staaten. Dort wurde ihr Erzähldebüt im letzten Jahr zu einem Sensationserfolg; sogar mit einer Empfehlung von Barack Obama lässt sich ihr Buch jetzt bewerben. Wie also setzt es sein zweifellos wichtiges Anliegen um?
Die Kapitel heißen "Gold", "Salz", "Schädel", "Wind", "Erde", "Fleisch" oder "Blut" und deuten schon durch diese Titel an, dass hier jemand ganz aufs Essenzielle setzt. Die Schauplätze werden durch bloße Versatzstücke markiert: Von "Creek" ist die Rede, von "Saloon" oder "Hufschmiede" - das muss reichen, um die Atmosphäre von Goldgräberstädten und Frontier-Siedlungen zu entwerfen. Die historische Lokalisierung wird durch geheimnisvolle Jahresangaben wie "XX62" gezielt verunklart. Das ganze Wildwest-Szenario wirkt durchweg wie Found-Footage-Material, das grell nachkoloriert und mit allerhand rätselhaften Zutaten versehen worden ist, mit Tigern beispielsweise, die nachts durch die Prärie streunen, oder Schakalen, die sich unversehens in bärtige Männer verwandeln und alles zerstören.
Die Geschichte setzt ein, als der Vater stirbt und die beiden Töchter, elf- und zwölfjährig, den verwesenden Leichnam auf der Suche nach einem passenden Begräbnisort wochenlang im Treck hinter sich herziehen. Und schon finden Belesene ein weiteres Versatzstück, das William Faulkners modernistisch vielstimmigem Südstaatenepos "Als ich im Sterben lag" entnommen scheint, in dem eine solche Konstellation bereits erzählt wird und ebenfalls die Totenstimme einen Erzählpart erhält. Doch bei Zhang gibt es noch mehr: Eine der Töchter wäre lieber ein Sohn und steckt sich daher Steine oder Möhren in die Hose - ein transsexuelles Verlangen, das offenbar nicht nur eigenem Begehren folgt, sondern zugleich dem Vater über den Verlust des dritten Kindes hinweghelfen soll, eines Sohnes, der bei der Geburt verstarb und dabei auch die Mutter von der Restfamilie entfernt hat. Weiterhin finden sich Überschwemmungen, Feuersbrünste und Verfolgungsjagden.
Erzählt wird das alles im historischen Präsens und in einer Sprache, die in amerikanischen Rezensionen als "lyrisch" gepriesen wurde und sich in Eva Reguls deutscher Übersetzung so ausnimmt: "Ein Leben aus knospenden Möglichkeiten, die nur darauf warteten aufzublühen." Oder: Lucy "staunt, hat sie doch das Grab ihrer Kindheit so festgetrampelt, dass kaum noch Gefühle herausflattern". Oder: "Lucy sehnt sich einfach nur nach der leeren Straße und dem Nachhall von Sams Brüllen, das immer noch in ihr klingt wie ein schmaler, verwilderter Pfad." Oder: "Lucy lässt einen Schwall Flüche los. Das Gras verschluckt sie mit zustimmendem Nicken." Diese Mischung aus Klischees und Stilblüten, fast beliebig herausgegriffen, findet sich innerhalb weniger Seiten.
Dies ist ein Debüt, das alles zugleich sein will - historischer Roman, Geschichtsrevision, Familiensaga, Western, Coming-of-Age-Geschichte, Abenteuerstory, Magischer Realismus, Traumabewältigung - und doch mit seinen Möglichkeiten nichts davon erreicht. Vielleicht ist das wie mit den Bisons: Früher war eben alles gewaltiger. TOBIAS DÖRING
C Pam Zhang: "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Regul. Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2021. 342 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
'Wie viel von diesen Hügel ist Gold' ist eines der erstaunlichsten Bücher des letzten Jahres. Victor Lachner Ultimo 20220225