In den angelsächsischen Ländern gibt es das Fach »creative writing« und in Deutschland zahllose Ratgeber, die den schnellen Weg zum Bestseller versprechen. Kann man jedoch literarisches Schreiben überhaupt lernen, kann man es lehren? Gibt es einfache Rezepte, die aus einem schlechten Text einen guten machen? In diesem Band kommen Autoren zu Wort, die alle am Deutschen Literaturinstitut Leipzig lehren oder gelehrt haben. Sie berichten aus der Praxis ihrer eigenen Schreibentwicklung sowie über ihre Erfahrungen, Schwierigkeiten und die Möglichkeiten, literarisches Schreiben beizubringen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.03.2005Selberklingen
Gemischte Erfahrungsberichte aus dem Deutschen Literaturinstitut
Kann man schreiben lernen? Aber ja! Kann man es lehren? Wahrscheinlich schon. Kann man von dieser Lehre berichten, und zwar so, dass einer, der nicht dabei war, auch was davon hat? Das ist die Frage.
Es ist die Frage aller Pädagogik, insofern sie den Anspruch erhebt, nicht nur eine Praxis zu sein, sondern darüber hinaus das System einer Praxis; insofern sie Vermittlung vermitteln will. Es kann jemand der begnadetste Lehrer sein und doch außerstande, sein oft erfolgreich umgesetztes Lernziel in andere Worte zu fassen als: „To sound like yourself” - das Selbst aber ist natürlich je nachdem. Und der dankbarste Schüler vermag vielleicht von seinem prägenden Erlebnis nichts anderes mitzuteilen außer: „Das Wissen um den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Satz ließ sich nicht mehr vergessen.”
Beide Sätze finden sich in dem Sammelband „Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? Berichte aus der Werkstatt”, in dem Dozenten des Deutschen Literaturinstituts Leipzig von ihren Erfahrungen sprechen. Die Erfolge dieses Instituts und seines Vorgängers in der DDR, des Instituts Johannes R. Becher, liegen auf der Hand, schon in den Namen der Schriftsteller, die aus ihm hervorgegangen sind. Und doch erweist es sich als sehr schwierig, von dem zu sprechen, was es eigentlich tut.
Der Titel, zu allem Überfluss noch ein ironisches Kryptozitat aus der Ecke der unseriös kecken Ratgeber („Wie schreibe ich einen verdammt guten Roman”), ist hier keine Hilfe, vor allem deswegen nicht, weil niemand den Beiträgern klar gemacht hat, was sie unter dem „ich” und was unter der „Werkstatt” zu verstehen hätten. Manche, so etwa Juli Zeh oder Josef Haslinger, haben das als Aufforderung begriffen, aus dem Nähkästchen ihrer höchstpersönlichen Erweckung zum Autor zu plaudern - „ich” heißt hier ganz einfach ich, und die Werkstatt ist meine, was dem Ich des suchenden Anderen wohl nicht viel Nutzen bringt. Manches davon liest sich recht amüsant, ja lehrreich, etwa der Beitrag von Tilman Krause, der überzeugend schildert, welche Gelassenheit und Souveränität er der Teilhabe am alten Bildungsbürgertum verdankt, oder von Katja Lange-Müller, die es hier wie immer schafft, ihren Leser zugleich zu nerven und zum Lachen zu bringen. Diese Texte haben ihr eigenes Recht - aber nur ein geringes im Rahmen des Buchs.
Das Versprechen der Sprache
Wer indes mit der gebotenen und legitimen Naivität in diesen Band hineinstolpert, weil er zum Beispiel wissen möchte, ob er sich als Schriftstellerschüler nach Leipzig bewerben soll, der wird bloß mit einem einzigen Beitrag vollauf zufrieden sein können: dem von Burkhard Spinnen. Spinnen referiert, worauf er in seinem Unterricht achtet, wie er die Gruppen zusammenstellt, welche Gefahren hier drohen, welche Qualifikationen deren Leiter mitzubringen hat, was er leisten kann und was nicht.
Burkhard Spinnen hält, gegen alle postmodernen Verkantungen, an einem schlichten emphatischen Begriff von Literatur fest - „die Einlösung der Versprechen, die in der menschlichen Sprachfähigkeit liegen”, eine schöne und klare Formulierung; und er betont dennoch auch den praktischen kompensatorischen Nutzen seines Instituts, in einer Zeit, in der Familien, Schulen, Lektorate und Agenturen den Sinn für das eigentlich Literarische immer weniger fördern und selbst besitzen. Das wird ohne kulturkritische Jammerei vorgetragen, als das Faktum, das es ist. Wenn Spinnen sein Institut als umgrenzte aber echte Alternative dazu empfiehlt, glaubt man es ihm.
BURKHARD MÜLLER
JOSEF HASLINGER, HANS-ULRICH TREICHEL (Hrsg.): Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? Berichte aus der Werkstatt. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 210 Seiten, 10,00 Euro.
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Gemischte Erfahrungsberichte aus dem Deutschen Literaturinstitut
Kann man schreiben lernen? Aber ja! Kann man es lehren? Wahrscheinlich schon. Kann man von dieser Lehre berichten, und zwar so, dass einer, der nicht dabei war, auch was davon hat? Das ist die Frage.
Es ist die Frage aller Pädagogik, insofern sie den Anspruch erhebt, nicht nur eine Praxis zu sein, sondern darüber hinaus das System einer Praxis; insofern sie Vermittlung vermitteln will. Es kann jemand der begnadetste Lehrer sein und doch außerstande, sein oft erfolgreich umgesetztes Lernziel in andere Worte zu fassen als: „To sound like yourself” - das Selbst aber ist natürlich je nachdem. Und der dankbarste Schüler vermag vielleicht von seinem prägenden Erlebnis nichts anderes mitzuteilen außer: „Das Wissen um den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Satz ließ sich nicht mehr vergessen.”
Beide Sätze finden sich in dem Sammelband „Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? Berichte aus der Werkstatt”, in dem Dozenten des Deutschen Literaturinstituts Leipzig von ihren Erfahrungen sprechen. Die Erfolge dieses Instituts und seines Vorgängers in der DDR, des Instituts Johannes R. Becher, liegen auf der Hand, schon in den Namen der Schriftsteller, die aus ihm hervorgegangen sind. Und doch erweist es sich als sehr schwierig, von dem zu sprechen, was es eigentlich tut.
Der Titel, zu allem Überfluss noch ein ironisches Kryptozitat aus der Ecke der unseriös kecken Ratgeber („Wie schreibe ich einen verdammt guten Roman”), ist hier keine Hilfe, vor allem deswegen nicht, weil niemand den Beiträgern klar gemacht hat, was sie unter dem „ich” und was unter der „Werkstatt” zu verstehen hätten. Manche, so etwa Juli Zeh oder Josef Haslinger, haben das als Aufforderung begriffen, aus dem Nähkästchen ihrer höchstpersönlichen Erweckung zum Autor zu plaudern - „ich” heißt hier ganz einfach ich, und die Werkstatt ist meine, was dem Ich des suchenden Anderen wohl nicht viel Nutzen bringt. Manches davon liest sich recht amüsant, ja lehrreich, etwa der Beitrag von Tilman Krause, der überzeugend schildert, welche Gelassenheit und Souveränität er der Teilhabe am alten Bildungsbürgertum verdankt, oder von Katja Lange-Müller, die es hier wie immer schafft, ihren Leser zugleich zu nerven und zum Lachen zu bringen. Diese Texte haben ihr eigenes Recht - aber nur ein geringes im Rahmen des Buchs.
Das Versprechen der Sprache
Wer indes mit der gebotenen und legitimen Naivität in diesen Band hineinstolpert, weil er zum Beispiel wissen möchte, ob er sich als Schriftstellerschüler nach Leipzig bewerben soll, der wird bloß mit einem einzigen Beitrag vollauf zufrieden sein können: dem von Burkhard Spinnen. Spinnen referiert, worauf er in seinem Unterricht achtet, wie er die Gruppen zusammenstellt, welche Gefahren hier drohen, welche Qualifikationen deren Leiter mitzubringen hat, was er leisten kann und was nicht.
Burkhard Spinnen hält, gegen alle postmodernen Verkantungen, an einem schlichten emphatischen Begriff von Literatur fest - „die Einlösung der Versprechen, die in der menschlichen Sprachfähigkeit liegen”, eine schöne und klare Formulierung; und er betont dennoch auch den praktischen kompensatorischen Nutzen seines Instituts, in einer Zeit, in der Familien, Schulen, Lektorate und Agenturen den Sinn für das eigentlich Literarische immer weniger fördern und selbst besitzen. Das wird ohne kulturkritische Jammerei vorgetragen, als das Faktum, das es ist. Wenn Spinnen sein Institut als umgrenzte aber echte Alternative dazu empfiehlt, glaubt man es ihm.
BURKHARD MÜLLER
JOSEF HASLINGER, HANS-ULRICH TREICHEL (Hrsg.): Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? Berichte aus der Werkstatt. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 210 Seiten, 10,00 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Burkhard Müller zeigt sich zwar durchaus davon überzeugt, dass Schreiben lehrbar ist, hat jedoch Zweifel hinsichtlich der Möglichkeit, über die Vermittlung dessen zu berichten. Genau dies verspricht aber dieser Band, in dem Lehrende des Leipziger Literaturinstituts von ihren Erfahrungen erzählen, stellt der Rezensent fest. Vom Ergebnis ist er nur bedingt überzeugt und ein Problem sieht er darin, dass für die Beiträger dieses Sammelbandes offensichtlich nicht klar war, worüber genau sie schreiben sollten. So haben ihm die Beiträge von Autoren wie Julie Zeh oder Josef Haslinger, die über ihren eigenen Werdegang als Schriftsteller erzählen, zwar durchaus gefallen, aber er findet, das sie Lesern, die sich fragen, ob sie in Leipzig studieren sollen, "wohl nicht viel Nutzen" bringen. In dieser Hinsicht, so der Rezensent, kann man nur mit Burkhard Spinnens Bericht über seine Lehrtätigkeit "vollauf zufrieden" sein. Ohne "kulturkritische Jammerei" vertrete der Autor seinen "emphatischen Begriff von Literatur" und unterstreiche gleichzeitig den "praktischen kompensatorischen Nutzen seines Instituts", so Müller angetan.
© Perlentaucher Medien GmbH
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