Es handelt sich um eine auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte, in deren Mittelpunkt ein 13-jähriges Mädchen steht. Ihre Eltern sind vor Jahren zur Arbeit aus dem heimatlichen Dorf nach Peking gezogen, ohne sie mitnehmen zu können.Sie wohnt bei ihrer alten Großmutter und muss mit ihrem Leben aus eigener Kraft fertig werden. Der bewegende Roman erzählt von ihren Erlebnissen, ihren Gedanken und Gefühlen und ihrer tiefen Zuneigung zu einem Klassenkameraden, den sie seit ihrer Kindheit kennt und der ihr stets zur Seite steht.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Anna Xiulan Zeeck nimmt sich in ihrem neuen Jugendroman eines gewichtigen Themas an, das der "zurückgelassenen Kinder", meint Petra Steinberger. So werden, erklärt die Rezensentin, Kinder genannt, die 'alleine' - meist bei den Großeltern oder anderen Verwandten - in den abgelegenen Dörfern Chinas aufwachsen, während ihre Eltern in der Stadt leben und arbeiten. Um ebensolche Schicksale ginge es in "Wie die wilden Gräser", eine traurige, didaktische Allegorie, so Steinberger und konkretisiert: An Hand einiger Schicksale, doch vor allem dem des 13-jährigen Tongli, wird die Trostlosigkeit, die Einsamkeit und Verlassenheit der Kinder geschildert und eine neue Perspektive auf das vielgestaltige China des 21.Jahrhunderts eröffnet.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2015Ahnenkult ist keine Lösung
Anna Zeecks "Wie wilde Gräser" erzählt von Chinas verlassenen Kindern
Berichte über chinesische Wanderarbeiter sind nicht selten. Doch wie sich die deutsch schreibende Chinesin Anna Xiulan Zeeck des Themas annimmt, ist ungewöhnlich: Sie schreibt aus der Perspektive derer, die in den Dörfern zurückgelassen werden, während ihre Eltern andernorts arbeiten. Und das sind sehr viele: Nach der jüngsten Volkszählung leben in China 58 Millionen Jugendliche ohne Eltern auf dem Land.
Im Fokus von Zeecks Roman stehen das dreizehnjährige Mädchen Tongli und ihre ebenso auf sich gestellten Schulfreunde. Acht Jahre zuvor waren ihre Eltern zu den prekären Arbeitsplätzen und Großbaustellen des Wirtschaftswunders gezogen, Tongli kam in die Obhut der Großmutter. Mitunter hat Zeeck beide Welten im Blick: Zwischen Stadt und Peripherie oszillierende Episoden überblenden, wie im Kapitel "Pekinger Mäusesippe", Bilder des strukturschwachen Hinterlands mit dem Los der in Kellern unter Hochhäusern wohnenden Eltern.
"Wie wilde Gräser" ist ein kapitalistisches Märchen über verkehrte Fürsorgepflichten. Die nur nach langem Fußweg erreichbare Dorfschule, die Doppelbelastung von Lernen und Feldarbeit, Kriminalität und Naturkatastrophen bilden das Dekor der brüchigen ländlichen Idyllen. Unter Tonglis Klassenkameraden finden sich der ihr in platonischer Liebe und gemeinsamen universitären Zukunftsträumen verbundene Lin Kai oder der in ein Umerziehungslager verbrachte Luo Jun. Und ihre beste Freundin Tao Jia, die, von den Verwandten eher gelitten als geliebt, mehrmals ihr Zuhause wechselt und an Selbstmord denkt.
In der sozialistischen Marktwirtschaft, eng mit der Weltwirtschaft verwoben, erinnern nur Kulte wie Ahnenverehrung oder konfuzianische Pietät an Traditionen lokaler Verbundenheit. Und auch die neue Generation, zeigt die Autorin, ist aufbruchsbereit und wird den Eltern in die Städte folgen. So macht das Jugendbuch zwischen Landflucht und Lohnbetrug, Stigma der Geburt und nachträglicher Entrechtung die Situation der verlassenen Kinder als Chinas "Schmerz des Jahrhunderts" begreiflich.
STEFFEN GNAM.
Anna Xiulan Zeeck: "Wie wilde Gräser". Desina Verlag, Oldenburg 2014. 190 S., geb., 13,90 [Euro]. Ab 11 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Anna Zeecks "Wie wilde Gräser" erzählt von Chinas verlassenen Kindern
Berichte über chinesische Wanderarbeiter sind nicht selten. Doch wie sich die deutsch schreibende Chinesin Anna Xiulan Zeeck des Themas annimmt, ist ungewöhnlich: Sie schreibt aus der Perspektive derer, die in den Dörfern zurückgelassen werden, während ihre Eltern andernorts arbeiten. Und das sind sehr viele: Nach der jüngsten Volkszählung leben in China 58 Millionen Jugendliche ohne Eltern auf dem Land.
Im Fokus von Zeecks Roman stehen das dreizehnjährige Mädchen Tongli und ihre ebenso auf sich gestellten Schulfreunde. Acht Jahre zuvor waren ihre Eltern zu den prekären Arbeitsplätzen und Großbaustellen des Wirtschaftswunders gezogen, Tongli kam in die Obhut der Großmutter. Mitunter hat Zeeck beide Welten im Blick: Zwischen Stadt und Peripherie oszillierende Episoden überblenden, wie im Kapitel "Pekinger Mäusesippe", Bilder des strukturschwachen Hinterlands mit dem Los der in Kellern unter Hochhäusern wohnenden Eltern.
"Wie wilde Gräser" ist ein kapitalistisches Märchen über verkehrte Fürsorgepflichten. Die nur nach langem Fußweg erreichbare Dorfschule, die Doppelbelastung von Lernen und Feldarbeit, Kriminalität und Naturkatastrophen bilden das Dekor der brüchigen ländlichen Idyllen. Unter Tonglis Klassenkameraden finden sich der ihr in platonischer Liebe und gemeinsamen universitären Zukunftsträumen verbundene Lin Kai oder der in ein Umerziehungslager verbrachte Luo Jun. Und ihre beste Freundin Tao Jia, die, von den Verwandten eher gelitten als geliebt, mehrmals ihr Zuhause wechselt und an Selbstmord denkt.
In der sozialistischen Marktwirtschaft, eng mit der Weltwirtschaft verwoben, erinnern nur Kulte wie Ahnenverehrung oder konfuzianische Pietät an Traditionen lokaler Verbundenheit. Und auch die neue Generation, zeigt die Autorin, ist aufbruchsbereit und wird den Eltern in die Städte folgen. So macht das Jugendbuch zwischen Landflucht und Lohnbetrug, Stigma der Geburt und nachträglicher Entrechtung die Situation der verlassenen Kinder als Chinas "Schmerz des Jahrhunderts" begreiflich.
STEFFEN GNAM.
Anna Xiulan Zeeck: "Wie wilde Gräser". Desina Verlag, Oldenburg 2014. 190 S., geb., 13,90 [Euro]. Ab 11 J.
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