Hans-Jochen Vogel und Sandra Maischberger: Ein Gespräch
Was hält unser Land in Zukunft zusammen? Das ist die zentrale Frage, auf die Hans-Jochen Vogel, der die Bundesrepublik als Politiker und engagierter Bürger im Laufe von Jahrzehnten mitgeprägt hat, der angesehenen TV-Journalistin Sandra Maischberger Rede und Antwort steht. Ein tief gehendes, auch persönliches und unterhaltsames Gespräch über Geschichte und Gegenwart, Politik und bürgerliche Verantwortung, über Familie und Religion. Hochaktuell und zugleich weit über die Tagespolitik hinausweisend.
Hans-Jochen Vogel ist einer der Politiker, deren Stimme von allen Seiten und über alle Lager hinweg Gehör geschenkt wird, weil er aufrichtig und ohne Rücksicht auf tagespolitische Zwänge über drängende Probleme unserer Zeit spricht. In diesem Buch denkt er darüber nach, ob die vorhandenen politischen Strukturen unseres Landes dazu in der Lage sind, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu meistern und den Menschen auch weiterhin ein gutes Leben in Frieden und Wohlstand zu gewährleisten.
Die Schwierigkeiten und Gefahren, die auf das deutsche Gemeinwesen zukommen, werden von Vogel genau benannt. Und doch ist seine scharfe Analyse von einer optimistischen Grundhaltung geprägt, die er mit Blick auf die historische Entwicklung unseres Landes seit 1945 gewonnen hat und die in einem zunehmend verunsicherten Land Mut machen kann.
Was hält unser Land in Zukunft zusammen? Das ist die zentrale Frage, auf die Hans-Jochen Vogel, der die Bundesrepublik als Politiker und engagierter Bürger im Laufe von Jahrzehnten mitgeprägt hat, der angesehenen TV-Journalistin Sandra Maischberger Rede und Antwort steht. Ein tief gehendes, auch persönliches und unterhaltsames Gespräch über Geschichte und Gegenwart, Politik und bürgerliche Verantwortung, über Familie und Religion. Hochaktuell und zugleich weit über die Tagespolitik hinausweisend.
Hans-Jochen Vogel ist einer der Politiker, deren Stimme von allen Seiten und über alle Lager hinweg Gehör geschenkt wird, weil er aufrichtig und ohne Rücksicht auf tagespolitische Zwänge über drängende Probleme unserer Zeit spricht. In diesem Buch denkt er darüber nach, ob die vorhandenen politischen Strukturen unseres Landes dazu in der Lage sind, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu meistern und den Menschen auch weiterhin ein gutes Leben in Frieden und Wohlstand zu gewährleisten.
Die Schwierigkeiten und Gefahren, die auf das deutsche Gemeinwesen zukommen, werden von Vogel genau benannt. Und doch ist seine scharfe Analyse von einer optimistischen Grundhaltung geprägt, die er mit Blick auf die historische Entwicklung unseres Landes seit 1945 gewonnen hat und die in einem zunehmend verunsicherten Land Mut machen kann.
"Aktuell und zugleich über die Tagespolitik hinausweisend. Trotz scharfer Analysen und großer Schwierigkeiten bewahrt sich Vogel eine optimistische Grundhaltung." -- Bayern 2 - Diwan. Büchermagazin, 01.10.2011
"Das Buch ist ein ausführliches Streitgespräch, darüber, was Deutschland in Zukunft zusammenhält." -- Münchner Merkur Unterhaching, 01.10.2011
"Jochen Vogel urteilt differenziert und mit historischer Kenntnis." -- Hamburger Abendblatt, 08.09.2011
"Das Buch ist ein ausführliches Streitgespräch, darüber, was Deutschland in Zukunft zusammenhält." -- Münchner Merkur Unterhaching, 01.10.2011
"Jochen Vogel urteilt differenziert und mit historischer Kenntnis." -- Hamburger Abendblatt, 08.09.2011
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2011Da muss ich ja schon wieder konkret werden
Erst wissen, dann werten: Hans-Jochen Vogel bricht im Gespräch mit Sandra Maischberger den Bann der Vorurteile, indem er nach Tatsachen fragt.
Von Patrick Bahners
Die Aussicht könnte ihn reizen, gibt Hans-Jochen Vogel zu: eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. "Er ist ein kluger Mann. Ich würde ihm dann allerdings auch kritische Fragen stellen." Zum Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen zum Beispiel, zu denen Vogel selbst gehört, gemessen am Entgegenkommen gegenüber den in der Piusbruderschaft organisierten Gegnern des Konzils. Sandra Maischbergers Gespräche mit Vogel fanden zwischen März und Juni diesen Jahres statt. Auf Juli 2011 sind die beiden Vorworte des daraus hervorgegangenen Buches datiert. Man kann sich gut vorstellen, dass Vogel dem Papst auch zu dessen Rede vor dem Deutschen Bundestag vom 22. September 2011 kritische Fragen stellen würde.
Benedikt beschrieb eine "dramatische Situation": In "unserem öffentlichen Bewusstsein" gebe es eine "alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft". Es sähe Vogel ähnlich, zunächst wissen zu wollen, ob diese Schilderung den Tatsachen entspricht: In welchem Sinne kann hier von Alleinherrschaft die Rede sein? Gefragt, was er im Studium für den Politikerberuf gelernt habe, nennt Vogel "die Unterscheidung zwischen Ermittlung des Sachverhalts und Beurteilung des Sachverhalts", die zu den "juristischen Grundkenntnissen" gehöre. Das ist der ins Methodische gewendete Positivismus: Die Unterscheidung von Sein und Sollen ist selbst keine Wertentscheidung, sondern Grundwissen des Rechtskundigen.
Wie es Vogels Art ist, beglaubigt er die Selbstauskunft praktisch: Auf Schritt und Tritt bewährt sich, wenn er mit Frau Maischberger alle Streitfelder der gegenwärtigen Politik inspiziert, eine Heuristik, die zuerst die Tatsachen ermittelt, um Raum zu schaffen für ein freies, informiertes Urteil. Die Interviewerin legt, wie es Talkshow-Gastgeberinnen, aber auch Leitartikler tun, ihrem Gegenüber Lagebeschreibungen nahe, in denen die Bewertungen schon enthalten sind. Selbstlos erbringt Sandra Maischberger ihren Beitrag zum sokratischen Charakter des Dialogs: Sie liefert Gemeinplätze, die gemacht sind, um zerpflückt zu werden. Gegenfragen sind der Königsweg der Aufklärung unter Demokraten. Ironisch stellt Vogel dann fest, dass er schon wieder konkret werden muss: wenn die faktischen Voraussetzungen eines Arguments nicht gegeben sind oder die begrifflichen Voraussetzungen sich als undurchdacht erweisen.
So beschreibt Vogel eine Fortentwicklung des Völkerrechts, deren jüngste Etappe die Intervention in den libyschen Bürgerkrieg bildet: Humanitäre Nothilfe rechtfertigt die Verletzung der Souveränität bei Ermächtigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Frau Maischberger wendet ein, es gebe auch Ratsmitglieder, deren "Bonität man in diesen Fragen in Zweifel ziehen" könne. Vogels Rückfrage bleibt ohne Antwort: "In welchen Fällen haben solche Länder, die nicht Veto-Mächte sind, einen derartigen Beschluss des Sicherheitsrats erst möglich gemacht oder verhindert?" Die so definierte Menge ist leer.
Es fasziniert Frau Maischberger, dass Vogel für eine Vermögensteuer plädiert und sich zur Umverteilung bekennt. Als sie hören möchte, ob dieses Bekenntnis denn auch für den Fall gilt, dass das Abschöpfen von Gewinnen aus Kapitalanlagen "in die Freiheit des Einzelnen eingreift", will er im Gegenzug wissen: "Wo greift das ein?" Soll heißen: im Unterschied zu allen anderen Steuergesetzen? Sie übernimmt seine Nachfragetechnik, kann ihn damit aber nicht überlisten. Er ist auf alles vorbereitet. Wie denn die soziale Gerechtigkeit, die für ihn die Identität der SPD ausmacht, definiert sei? "Das steht im Grundsatzprogramm der Partei, da ist es wunderbar definiert, da habe ich sogar ein bisschen mitgeholfen."
Zu einem Kolloquium, das Lehrbücher politischer Logik ersetzt, wächst sich dank Vogels Hartnäckigkeit das Kapitel über den Islam aus: ein funkelndes Sternstündlein der Aufklärung. Frau Maischberger referiert: "Es gibt Menschen, die der Überzeugung sind, die Islamisierung ist eine der größten Gefahren, denen Deutschland ausgesetzt ist." Schon an der Verbindung des Subjekts "Islamisierung" mit der Kopula "ist" in dieser indirekten Rede ohne Konjunktiv nimmt Vogel Anstoß. Was soll mit Islamisierung gemeint sein? "Für die Behauptung, dass wir uns islamisieren, dass der Islam in Deutschland missionarisch tätig ist, bräuchte ich zunächst einmal Fakten. Wie groß ist denn die Zahl derer, die zum Islam übertreten?" Ohne statistischen Beleg keine Islamisierung im Wortsinn. "In meinen Augen wird das alles zu sehr aufgebauscht."
Im Schreckbild der Islamisierung im übertragenen Sinne, der schleichenden Veränderung Deutschlands durch die bloße Anwesenheit von Muslimen, erkennt Vogel den Ausdruck eines merkwürdigen Unterlegenheitsgefühls, für das er keine Gründe sieht. Frau Maischberger beschwört Grenzen der Toleranz: "Aber kann sich eine Nation wie Deutschland erlauben, dass so viele Menschen sich so viel anders definieren, dass sie nicht nur anderen Glaubens-, sondern auch anderen Lebensregeln folgen? Sind nicht Parallelgesellschaften eine Bedrohung für die Gemeinschaft?" Vogel bricht den Bann des Vorurteils hinter den Suggestivfragen, indem er sowohl die normative als auch die faktische Triftigkeit des Szenarios bestreitet. Normativ: "Wo ist denn die Handhabe, dies zu verbieten? Worauf will man sich stützen?" Faktisch: "Sind andere Glaubens- und Lebensregeln derzeit wirklich eine Gefahr für unsere Grundordnung?" Oder kurz gefragt: "Gibt es denn diese Parallelgesellschaften?"
Titel und Untertitel des Buches behandeln die soziologische Frage, was das Land zusammenhalten wird, und die moralische Frage, wie wir leben wollen, als austauschbar. Vogel, der 1948 die Erste Juristische Staatsprüfung bestand und 1950 in die SPD eintrat, hat auf die so gestellte Frage nach dem guten Leben eine positivistische Antwort zur Hand: das Grundgesetz. Vor den Bundestagsabgeordneten klagte Benedikt XVI., "die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht" seien "außer Kraft gesetzt", wo aus dem "Bereich der Vernunft" ausgeschlossen werde, was "nicht verifizierbar oder falsifizierbar" sei. Hans-Jochen Vogel zeigt, wie weit man mit Verifikation und Falsifikation kommen kann.
Hans-Jochen Vogel und Sandra Maischberger: "Wie wollen wir leben?" Was unser Land in Zukunft zusammenhält.
Siedler Verlag, München 2011. 256 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erst wissen, dann werten: Hans-Jochen Vogel bricht im Gespräch mit Sandra Maischberger den Bann der Vorurteile, indem er nach Tatsachen fragt.
Von Patrick Bahners
Die Aussicht könnte ihn reizen, gibt Hans-Jochen Vogel zu: eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. "Er ist ein kluger Mann. Ich würde ihm dann allerdings auch kritische Fragen stellen." Zum Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen zum Beispiel, zu denen Vogel selbst gehört, gemessen am Entgegenkommen gegenüber den in der Piusbruderschaft organisierten Gegnern des Konzils. Sandra Maischbergers Gespräche mit Vogel fanden zwischen März und Juni diesen Jahres statt. Auf Juli 2011 sind die beiden Vorworte des daraus hervorgegangenen Buches datiert. Man kann sich gut vorstellen, dass Vogel dem Papst auch zu dessen Rede vor dem Deutschen Bundestag vom 22. September 2011 kritische Fragen stellen würde.
Benedikt beschrieb eine "dramatische Situation": In "unserem öffentlichen Bewusstsein" gebe es eine "alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft". Es sähe Vogel ähnlich, zunächst wissen zu wollen, ob diese Schilderung den Tatsachen entspricht: In welchem Sinne kann hier von Alleinherrschaft die Rede sein? Gefragt, was er im Studium für den Politikerberuf gelernt habe, nennt Vogel "die Unterscheidung zwischen Ermittlung des Sachverhalts und Beurteilung des Sachverhalts", die zu den "juristischen Grundkenntnissen" gehöre. Das ist der ins Methodische gewendete Positivismus: Die Unterscheidung von Sein und Sollen ist selbst keine Wertentscheidung, sondern Grundwissen des Rechtskundigen.
Wie es Vogels Art ist, beglaubigt er die Selbstauskunft praktisch: Auf Schritt und Tritt bewährt sich, wenn er mit Frau Maischberger alle Streitfelder der gegenwärtigen Politik inspiziert, eine Heuristik, die zuerst die Tatsachen ermittelt, um Raum zu schaffen für ein freies, informiertes Urteil. Die Interviewerin legt, wie es Talkshow-Gastgeberinnen, aber auch Leitartikler tun, ihrem Gegenüber Lagebeschreibungen nahe, in denen die Bewertungen schon enthalten sind. Selbstlos erbringt Sandra Maischberger ihren Beitrag zum sokratischen Charakter des Dialogs: Sie liefert Gemeinplätze, die gemacht sind, um zerpflückt zu werden. Gegenfragen sind der Königsweg der Aufklärung unter Demokraten. Ironisch stellt Vogel dann fest, dass er schon wieder konkret werden muss: wenn die faktischen Voraussetzungen eines Arguments nicht gegeben sind oder die begrifflichen Voraussetzungen sich als undurchdacht erweisen.
So beschreibt Vogel eine Fortentwicklung des Völkerrechts, deren jüngste Etappe die Intervention in den libyschen Bürgerkrieg bildet: Humanitäre Nothilfe rechtfertigt die Verletzung der Souveränität bei Ermächtigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Frau Maischberger wendet ein, es gebe auch Ratsmitglieder, deren "Bonität man in diesen Fragen in Zweifel ziehen" könne. Vogels Rückfrage bleibt ohne Antwort: "In welchen Fällen haben solche Länder, die nicht Veto-Mächte sind, einen derartigen Beschluss des Sicherheitsrats erst möglich gemacht oder verhindert?" Die so definierte Menge ist leer.
Es fasziniert Frau Maischberger, dass Vogel für eine Vermögensteuer plädiert und sich zur Umverteilung bekennt. Als sie hören möchte, ob dieses Bekenntnis denn auch für den Fall gilt, dass das Abschöpfen von Gewinnen aus Kapitalanlagen "in die Freiheit des Einzelnen eingreift", will er im Gegenzug wissen: "Wo greift das ein?" Soll heißen: im Unterschied zu allen anderen Steuergesetzen? Sie übernimmt seine Nachfragetechnik, kann ihn damit aber nicht überlisten. Er ist auf alles vorbereitet. Wie denn die soziale Gerechtigkeit, die für ihn die Identität der SPD ausmacht, definiert sei? "Das steht im Grundsatzprogramm der Partei, da ist es wunderbar definiert, da habe ich sogar ein bisschen mitgeholfen."
Zu einem Kolloquium, das Lehrbücher politischer Logik ersetzt, wächst sich dank Vogels Hartnäckigkeit das Kapitel über den Islam aus: ein funkelndes Sternstündlein der Aufklärung. Frau Maischberger referiert: "Es gibt Menschen, die der Überzeugung sind, die Islamisierung ist eine der größten Gefahren, denen Deutschland ausgesetzt ist." Schon an der Verbindung des Subjekts "Islamisierung" mit der Kopula "ist" in dieser indirekten Rede ohne Konjunktiv nimmt Vogel Anstoß. Was soll mit Islamisierung gemeint sein? "Für die Behauptung, dass wir uns islamisieren, dass der Islam in Deutschland missionarisch tätig ist, bräuchte ich zunächst einmal Fakten. Wie groß ist denn die Zahl derer, die zum Islam übertreten?" Ohne statistischen Beleg keine Islamisierung im Wortsinn. "In meinen Augen wird das alles zu sehr aufgebauscht."
Im Schreckbild der Islamisierung im übertragenen Sinne, der schleichenden Veränderung Deutschlands durch die bloße Anwesenheit von Muslimen, erkennt Vogel den Ausdruck eines merkwürdigen Unterlegenheitsgefühls, für das er keine Gründe sieht. Frau Maischberger beschwört Grenzen der Toleranz: "Aber kann sich eine Nation wie Deutschland erlauben, dass so viele Menschen sich so viel anders definieren, dass sie nicht nur anderen Glaubens-, sondern auch anderen Lebensregeln folgen? Sind nicht Parallelgesellschaften eine Bedrohung für die Gemeinschaft?" Vogel bricht den Bann des Vorurteils hinter den Suggestivfragen, indem er sowohl die normative als auch die faktische Triftigkeit des Szenarios bestreitet. Normativ: "Wo ist denn die Handhabe, dies zu verbieten? Worauf will man sich stützen?" Faktisch: "Sind andere Glaubens- und Lebensregeln derzeit wirklich eine Gefahr für unsere Grundordnung?" Oder kurz gefragt: "Gibt es denn diese Parallelgesellschaften?"
Titel und Untertitel des Buches behandeln die soziologische Frage, was das Land zusammenhalten wird, und die moralische Frage, wie wir leben wollen, als austauschbar. Vogel, der 1948 die Erste Juristische Staatsprüfung bestand und 1950 in die SPD eintrat, hat auf die so gestellte Frage nach dem guten Leben eine positivistische Antwort zur Hand: das Grundgesetz. Vor den Bundestagsabgeordneten klagte Benedikt XVI., "die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht" seien "außer Kraft gesetzt", wo aus dem "Bereich der Vernunft" ausgeschlossen werde, was "nicht verifizierbar oder falsifizierbar" sei. Hans-Jochen Vogel zeigt, wie weit man mit Verifikation und Falsifikation kommen kann.
Hans-Jochen Vogel und Sandra Maischberger: "Wie wollen wir leben?" Was unser Land in Zukunft zusammenhält.
Siedler Verlag, München 2011. 256 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2012Heiter bis bewölkt
Hans-Jochen Vogel
spricht über sein Leben
Interviewbücher mit Politikern dienen oft dazu, Prominenz oder Beliebtheit des Befragten zu mehren. Solche Imagewerbung erregt bei der Lektüre nur Verdruss. Hans-Jochen Vogel braucht kein Buch, um bekannt oder sonst irgendetwas zu werden. Er ist ein Staatsmann, dessen Wort nach dem Ende der Karriere (Münchner Oberbürgermeister, Bundesminister, SPD-Vorsitzender) etwas gilt.
Am 3. Februar feiert er seinen 86. Geburtstag. Im Gespräch mit Sandra Maischberger zieht er selbstironisch, manchmal streng und manchmal altersmilde eine Art Bilanz aus seinem politischen und auch aus seinem privaten Leben. Überraschendes im gängigen Sinne findet sich kaum, Tagesaktualität spielt eine Nebenrolle. Vogel ist ein Zeitzeuge, einer aus der Generation jener, deren Leben und späteres politisches Engagement durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg bestimmt wurden und deren Stimmen in nicht allzu ferner Zukunft verstummen werden.
Ob er sich in seiner Jugend Ausschweifungen hingegeben habe, fragt die Interviewerin. Vogel – Ausschweifungen? Wer mit 19 Jahren Soldat ist, verwundet wird, nach der Heimkehr bitterlich friert, weil es keine Kohle für den Ofen gibt, liebäugelt nicht mit Ausschweifungen, sondern organisiert das Überleben – und übernimmt früh Verantwortung. Vogels Wirken wurde und wird bestimmt durch großes Pflichtbewusstsein und einen unerschütterlichen Glauben an den Wert des Gemeinwohls.
Das spiegeln seine Antworten wider auf Fragen zu so unterschiedlichen Themen wie die Moral der Banker, Atomenergie, Armut und Reichtum, Sexualmoral und Gottesglauben. Noch etwas mehr Autobiographisches hätte man sich gewünscht, schließlich kann Vogel ein sehr heiterer Erzähler sein. Heiter ist auch das Credo des Zeitzeugen, der sich als junger Mann nicht vorstellen konnte, dass es ein lebenswertes Leben nach dem Krieg geben könnte. Er freut sich, trotz all seiner Kritik an politischen und gesellschaftlichen Missständen oder Versäumnissen, über Erreichtes und Gelungenes. Kein Verdruss also, weder auf Seiten des Redners noch beim Leser.
SUSANNE HÖLL
HANS-JOCHEN VOGEL, SANDRA MAISCHBERGER: Wie wollen wir leben? Was unser Land in Zukunft zusammenhält. Siedler Verlag, München 2011. 252 Seiten, 19.99 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Hans-Jochen Vogel
spricht über sein Leben
Interviewbücher mit Politikern dienen oft dazu, Prominenz oder Beliebtheit des Befragten zu mehren. Solche Imagewerbung erregt bei der Lektüre nur Verdruss. Hans-Jochen Vogel braucht kein Buch, um bekannt oder sonst irgendetwas zu werden. Er ist ein Staatsmann, dessen Wort nach dem Ende der Karriere (Münchner Oberbürgermeister, Bundesminister, SPD-Vorsitzender) etwas gilt.
Am 3. Februar feiert er seinen 86. Geburtstag. Im Gespräch mit Sandra Maischberger zieht er selbstironisch, manchmal streng und manchmal altersmilde eine Art Bilanz aus seinem politischen und auch aus seinem privaten Leben. Überraschendes im gängigen Sinne findet sich kaum, Tagesaktualität spielt eine Nebenrolle. Vogel ist ein Zeitzeuge, einer aus der Generation jener, deren Leben und späteres politisches Engagement durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg bestimmt wurden und deren Stimmen in nicht allzu ferner Zukunft verstummen werden.
Ob er sich in seiner Jugend Ausschweifungen hingegeben habe, fragt die Interviewerin. Vogel – Ausschweifungen? Wer mit 19 Jahren Soldat ist, verwundet wird, nach der Heimkehr bitterlich friert, weil es keine Kohle für den Ofen gibt, liebäugelt nicht mit Ausschweifungen, sondern organisiert das Überleben – und übernimmt früh Verantwortung. Vogels Wirken wurde und wird bestimmt durch großes Pflichtbewusstsein und einen unerschütterlichen Glauben an den Wert des Gemeinwohls.
Das spiegeln seine Antworten wider auf Fragen zu so unterschiedlichen Themen wie die Moral der Banker, Atomenergie, Armut und Reichtum, Sexualmoral und Gottesglauben. Noch etwas mehr Autobiographisches hätte man sich gewünscht, schließlich kann Vogel ein sehr heiterer Erzähler sein. Heiter ist auch das Credo des Zeitzeugen, der sich als junger Mann nicht vorstellen konnte, dass es ein lebenswertes Leben nach dem Krieg geben könnte. Er freut sich, trotz all seiner Kritik an politischen und gesellschaftlichen Missständen oder Versäumnissen, über Erreichtes und Gelungenes. Kein Verdruss also, weder auf Seiten des Redners noch beim Leser.
SUSANNE HÖLL
HANS-JOCHEN VOGEL, SANDRA MAISCHBERGER: Wie wollen wir leben? Was unser Land in Zukunft zusammenhält. Siedler Verlag, München 2011. 252 Seiten, 19.99 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Keine Frage, dieser Mann begeistert den Rezensenten durch Vorsicht, Kenntnis und scharfen Verstand. Mehr als einmal kann Patrick Bahners erleben, wie der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel, Jurist seit 1948, die Fragen von Sandra Maischberger auseinandernimmt durch heuristische Trennung von Tatsache und Urteil und Gegenfrage. Maischbergers selbstlose Hilfestellung zur sokratischen Methode beurteilt Bahners mit Respekt. Noch mehr aber imponiert ihm naturgemäß Vogels Gang durch die Gegenwartspolitik, sein Blick auf begriffliche Voraussetzungen und konkrete Sachverhalte. Ob bei den Themen Völkerrecht, soziale Gerechtigkeit oder Islamismus (hier vor allem) - Bahners erlebt Sternstunden der Aufklärung.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH