In den Details das Ganze wiederzuentdecken, um das es einmal ging. Beim Scheitern der Analyse den Wert der Einzelheiten bemerken, von denen die Gegenwart fast birst: In Marius Hulpes formbewußten, aber fragilen und beinah verletzlichen Gedichten offenbart sich der Blick auf eine Wirklichkeit, die nach Erlösung von der Schwere, der metaphysischen Sinnlosigkeit jappst, zugleich den Glauben an einen Mehrwert der Geschichte noch immer nicht aufgeben läßt. Wovon auch die Rede ist, vom frühmorgendlichen Warmlaufen der Schulbusse, von zersiedelten osteuropäischen Landschaften, von Chatrooms, in denen sich das Ich verliert oder vom Frühlingsregen, der aufs Fensterbankblech prasselt immer werden die Details auch zu Indikatoren dessen, was noch sein könnte und Indiz dafür, daß noch gewünscht werden darf, so anachronistisch sich die Wünsche auch darstellen mögen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2008Glühwurmvermessung
Eindringlich melden sich im Debütland des sechsundzwanzigjährigen Lyrikers Marius Hulpe die Signale unserer gegenwärtigen Welt: die sinnlichen Eindrücke des städtischen Lebens, das Aufeinanderstoßen von Natur und Zivilisation, die zudringlichen Objekte der Kameras und die "wahrheitsfinder" in den Talkshows des Fernsehens, ebenso Monitor und Chatroom, "zinsvermehrung" und die Frage nach dem "zinssatz der sätze". Spürbar tappt man im "nebel der werte". Wo metaphysische Verheißung aus dem Makrokosmos nicht mehr erwartet wird, begibt man sich an die Erforschung des Mikrokosmos, an die "vermessung der glühwürmchen". Man fühlt sich verschlagen in die Welt des "wolfes", doch fällt in sie ein Hoffnungsschimmer: Die "wiederbelebten lämmer" haben, ohne es selbst zu sehen, "die welt längst geändert". Eine gute Nachricht, die so unmittelbar nicht einleuchten will. Und doch ist dieser Band für mich eine Entdeckung. Obwohl der Autor gelegentlich einem Metaphernrausch erliegt, spricht aus seinen Gedichten eine ursprüngliche poetische Ausdruckskraft. Überzogene Selbstreflexion meidet er. Was er zu sagen hat, bannt er ins anschauliche Bild: In einer "traumlandschaft" sieht er sich "unter schattigen buchstaben" liegen. Mancher übt sich in der "Sprach-Installation" nach dem Vorbild Thomas Klings. Bei Hulpe erscheinen diese Versuche einem Durchgangsstadium anzugehören. In den besten Gedichten erreichen die Sprache und der drängende Rhythmus die Intensität hymnischen Ausdrucks. Eine poetische Stimme, die sich einprägt. (Marius Hulpe: "wiederbelebung der lämmer". Gedichte. Ammann Verlag, Zürich 2008. 112 S., geb., 18,90 [Euro].) WHi.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eindringlich melden sich im Debütland des sechsundzwanzigjährigen Lyrikers Marius Hulpe die Signale unserer gegenwärtigen Welt: die sinnlichen Eindrücke des städtischen Lebens, das Aufeinanderstoßen von Natur und Zivilisation, die zudringlichen Objekte der Kameras und die "wahrheitsfinder" in den Talkshows des Fernsehens, ebenso Monitor und Chatroom, "zinsvermehrung" und die Frage nach dem "zinssatz der sätze". Spürbar tappt man im "nebel der werte". Wo metaphysische Verheißung aus dem Makrokosmos nicht mehr erwartet wird, begibt man sich an die Erforschung des Mikrokosmos, an die "vermessung der glühwürmchen". Man fühlt sich verschlagen in die Welt des "wolfes", doch fällt in sie ein Hoffnungsschimmer: Die "wiederbelebten lämmer" haben, ohne es selbst zu sehen, "die welt längst geändert". Eine gute Nachricht, die so unmittelbar nicht einleuchten will. Und doch ist dieser Band für mich eine Entdeckung. Obwohl der Autor gelegentlich einem Metaphernrausch erliegt, spricht aus seinen Gedichten eine ursprüngliche poetische Ausdruckskraft. Überzogene Selbstreflexion meidet er. Was er zu sagen hat, bannt er ins anschauliche Bild: In einer "traumlandschaft" sieht er sich "unter schattigen buchstaben" liegen. Mancher übt sich in der "Sprach-Installation" nach dem Vorbild Thomas Klings. Bei Hulpe erscheinen diese Versuche einem Durchgangsstadium anzugehören. In den besten Gedichten erreichen die Sprache und der drängende Rhythmus die Intensität hymnischen Ausdrucks. Eine poetische Stimme, die sich einprägt. (Marius Hulpe: "wiederbelebung der lämmer". Gedichte. Ammann Verlag, Zürich 2008. 112 S., geb., 18,90 [Euro].) WHi.
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