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Joseph geht für eine NGO nach Argentinien, um sieben Monate in Buenos Aires zu arbeiten, und hat seine Freundin ohne ein Wort im heimatlichen Österreich zurückgelassen. Dann kehrt er ebenso unvermittelt zurück und muss erkennen, dass die Welt sich weitergedreht hat.In vier Perspektiven wird das Porträt eines außergewöhnlichen jungen Mannes gezeichnet. Joseph übt eine eigenartige Faszination auf seine Mitmenschen aus. Der Grund muss in seiner grenzenlosen Unabhängigkeit liegen. Unbeirrbar folgt er seinem Interesse, seinem Innern, seiner Intuition. Als Joseph Savina begegnet, gibt es für ihn…mehr

Produktbeschreibung
Joseph geht für eine NGO nach Argentinien, um sieben Monate in Buenos Aires zu arbeiten, und hat seine Freundin ohne ein Wort im heimatlichen Österreich zurückgelassen. Dann kehrt er ebenso unvermittelt zurück und muss erkennen, dass die Welt sich weitergedreht hat.In vier Perspektiven wird das Porträt eines außergewöhnlichen jungen Mannes gezeichnet. Joseph übt eine eigenartige Faszination auf seine Mitmenschen aus. Der Grund muss in seiner grenzenlosen Unabhängigkeit liegen. Unbeirrbar folgt er seinem Interesse, seinem Innern, seiner Intuition. Als Joseph Savina begegnet, gibt es für ihn kein Ausweichen; er denkt auch nicht an die Frau, die er in Österreich zurückließ. Doch immer an demselben Punkt hat er das Gefühl, er kann nicht weiter. Dann wendet er sich ab. Und ihm kommt seine ehemalige Freundin erst wieder in den Sinn, als er sie nach Monaten in Fiumicino am Flughafen als Fotomodel wiedersieht. So ist die Kraft, die in einem Leben in der Gegenwart liegt, zugleich ein Verhängnis."Respektvolle Distanznahme statt bösartiger Introspektion. Reinhard Kaiser-Mühlecker belässt seinen Figuren ihre Würde." Schaffhauser Nachrichten
Autorenporträt
Kaiser-Mühlecker, Reinhard
Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems, Oberösterreich, geboren. 2008 debütierte er mit dem Roman Der lange Gang über die Stationen. Es folgten die Romane Magdalenaberg (2009), Wiedersehen in Fiumicino (2011), Roter Flieder (2012) und zuletzt Schwarzer Flieder (2014). Seine Arbeit wurde u. a. mit dem Jürgen-Ponto-Literaturpreis, dem Kunstpreis Berlin und dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.2011

Die graue Decke der Erinnerungen

Prekäre Bauernsöhne: Reinhard Kaiser-Mühlecker schickt den Helden seines neuen Romans nach Buenos Aires. Der österreichische Autor schildert in "Wiedersehen in Fiumicino" die Suche nach einem angemessenen Ort in der Welt als Generationsproblem.

Der junge österreichische Schriftsteller Reinhard Kaiser-Mühlecker hat für seine ersten beiden Romane, "Der lange Gang über die Stationen" (2008) und "Magdalenaberg" (2009), viele Komplimente erhalten, darunter einige zwiespältige. Wie aus der Zeit gefallen schreibe der 1982 in Kirchdorf an der Krems Geborene, nämlich an Adalbert Stifter gemahnend in der gemächlichen Erzähltechnik des neunzehnten Jahrhunderts.

Die Stilmittel des poetischen Realismus schienen allerdings der in den beiden Romanen komplementär gestalteten Frage angemessen, wie denn in der beschleunigten und kommerzialisierten Welt der ländlichen Herkunft gemäß zu leben sei. Der Jungbauer in dem ersten Roman übernimmt wie selbstverständlich den elterlichen Hof, aber der Einklang mit Natur und Tradition gelingt unter den Zwängen des Ökonomischen ebenso wenig wie die Liebe. Joseph, der Held des zweiten Romans, hat dagegen das bäuerliche Erbe verweigert und ist zum Studium in die Stadt gegangen, die Landschaft seines Herkommens ist ihm nur noch Gedächtnisort, der im Spaziergang desto unwirklicher erscheint, je näher er ins Auge gefasst wird.

Als ob Kaiser-Mühlecker demonstrieren wollte, dass er kein oberösterreichischer Heimatdichter ist, schickt er in seinem neuen Roman den Haupthelden nach Buenos Aires. Dennoch erscheint "Wiedersehen in Fiumicino" als globalisierte Variante des gleichen Gedankenexperiments. Der Bauernsohn, der wiederum Joseph heißt, ist wie sein Autor nunmehr studierter Agronom und untersucht für eine Nichtregierungsorganisation die Folgen industrieller Landwirtschaft im Hinblick auf "Welternährung und Entwicklungspolitik". Er demonstriert seine Unabhängigkeit, indem er seine Freundin ohne ein Wort des Abschieds in Wien zurücklässt, was aber nicht ohne Verlogenheit und innere Pose abgeht. "Die Flüche trafen mich nicht. Welchen Verfluchten trifft noch ein Fluch?"

Mehr als in den ersten beiden Romanen schildert Kaiser-Mühlecker die Suche nach einem angemessenen Ort in der Welt als Generationsproblem, indem er neben Joseph drei weitere Ich-Erzähler im Alter um die dreißig auftreten lässt, die alle zuweilen von existentieller Müdigkeit befallen werden. Da ist Augusto, Sohn eines Grundbesitzers aus dem Norden Argentiniens, der Wälder roden lässt, um im großen Stil genmanipuliertes Soja anzubauen. Augusto hat sich von seinem cholerischen Vater und seinen eigenen Privilegien distanziert und steht zu seinem mühseligen Leben als Arzt in der Großstadt, in der er sich aber oft "stumpf und leer" fühlt. Er interessiert sich für Joseph, auf einer Reise in den Norden entdecken sie die Ähnlichkeit ihrer Geschicke, aber zu der von Augusto erhofften Freundschaft kommt es nicht, als ob die Verödung der malträtierten Landschaft sich ihren Seelen eingesenkt hätte.

Auch Savina, bei der Joseph zur Untermiete wohnt, hat unter dessen Unnahbarkeit, seiner scheinbaren Unabhängigkeit und seiner unablässigen Arbeitswut zu leiden. Sie hat ihre Fortbildung als Musikerin im Zweifel am eigenen Talent aufgegeben und schlägt sich als Kellnerin durch. Es gelingt ihr nur mit Mühe, Joseph zu einer Reise nach Mar del Plata zu überreden, aber die wirkt wie ein "Vergrößerungsglas, und ich sah uns beide darunter wie von außen und sah, dass es mir Unglück brachte, mich an Joseph zu hängen. Es gab keine Stabilität." Trotzdem hält sie an ihrer Liebe zu ihm fest. Er aber wird sie bald mit der gleichen Unbarmherzigkeit verlassen wie seine Freundin in Wien.

Der Einzige, der in Argentinien einen Einklang mit der Welt gefunden zu haben scheint, ist Hans, Juan genannt, auch er ein Bauernsohn aus Österreich. Zwar hat er nur einen schlechtbezahlten Job als Museumswärter gefunden, aber der gefällt ihm. Noch mehr gefällt ihm Cecilia, die er heiraten will. Der Erfolg seines Buches über einen vor den Nationalsozialisten geflohenen jüdischen Emigranten bildet seine warmherzige Fähigkeit zur Empathie ab. So kann er verschmerzen, dass Joseph auch ihm die Freundschaft verweigert. Dass der ausgerechnet in der Einöde bei Rohr in Niederösterreich, dem Dorf, aus dem Hans stammt, ein Haus kauft, findet er abwegig, "als wäre sein Leben schon vorbei".

An Joseph aber werden sein Solipsismus und sein Mangel an Verständnis immer deutlicher. Nach seiner Rückkehr zieht er nach Rohr in die Unwirklichkeit, um sich wegzusperren, "um nicht mehr zu verletzen, nicht mehr zu enttäuschen". Dabei entdeckt sich der Umweltaktivist unversehens als Schriftsteller und die Literatur als Medium der Empathie. "Ich war verwundert, dass ich im Aufschreiben scheinbar doch imstande war, andere Menschen in ihren Gedanken und Handlungen nachzuvollziehen."

Das scheint aber im Leben nichts zu helfen, auch nicht mehr die Gänge übers Land. In der Einöde kommt Joseph seine eigene Öde, die er im sozialen Engagement verborgen hatte, nur schärfer zu Bewusstsein. Dass diese Öde schließlich doch etwas mit dem sprichwörtlichen Leiden der Schriftsteller an Österreich zu tun hat, deutet Kaiser-Mühlecker, wohl nicht ohne Augenzwinkern, in einer rotweißrot gesäumten grauen Decke an. "Noch einmal zog ich mir die Decke über den Kopf, aber sie war plötzlich noch schwerer als eben, schwer wie Erinnerung, schwer wie die Jahre."

Am offenen Ende scheint aber im Grau kurz die Möglichkeit wahrer Empfindung aufzublitzen. Den geduldigen Leser, der von den ersten beiden Romanen dieses begabten Autors berührt wurde, wird auch "Wiedersehen in Fiumicino" nicht kaltlassen. Wo in der beschleunigten Welt die Orte der Selbstbesinnung und der Selbstliebe zu finden sind, ohne die das Soziale nicht zustande kommen kann, stellt der Roman sehr ambivalent dar. Literatur ist bei Reinhard Kaiser-Mühlecker Medium der Verständigung, aber auch der schmerzhaft empfundenen Isolierung des prekären Individuums.

FRIEDMAR APEL

Reinhard Kaiser-Mühlecker: "Wiedersehen in Fiumicino". Roman.

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2011. 320 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dieser Roman kreist um sich selbst, findet Maike Albath und manchmal ist ihr Reinhard Kaiser-Mühlbeckers selbstreflexives Erzählmuster ein wenig zu viel Konstruktion für zu wenig Erzählung. Sein Roman handelt von einem emotionslosen Menschen. Joseph hat seine Frau im wahrsten Sinne des Wortes "verlassen" und ist ohne Abschied für seine Agrargeschäfte nach Argentinien gereist.   Sein Jugendfreund, ein Bekannter und seine Geliebte kommen zu Wort, kreisen aber nur aus der Beobachterperspektive wie "Magnetspäne" um den geheimnisvollen Protagonisten. Für Maike Albath klingen diese Erzählstimmen leider zu flach und undifferenziert und weil noch dazu der Schluss des Romans nahelegt, dass die einzelnen Figuren nur Projektionen des selbstherapeutisch schreibenden Protagonisten sind, hält sie diesen Roman für übermäßig konstruiert und austauschbar.

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