Die Macht Wiens erstreckt sich auf ein im Laufe der Zeit unterschiedlich großes Gebiet, und auch seine weltpolitische Bedeutung variiert. Als Wien unter dem Namen Vindobona in die Geschichte eintritt, ist es als Legionslager Teil der römischen Verteidigungslinie, des Limes. In seiner Funktion als Grenzstadt befindet es sich häufig auf einer kulturellen Scheidelinie. Die ottonische Ostmark zählt zu den äußersten Vorposten des Heiligen Römischen Reiches in Mitteleuropa. Mehr als eineinhalb Jahrhunderte lang ist Wien zwischen den beiden Türkenbelagerungen das Bollwerk des Christentums gegen das Osmanische Reich. Nach dem Zweiten Weltkrieg und auch nach dem Staatsvertrag von 1955 ist Wien die letzte Station vor jenem Teil Europas, der unter kommunistische Herrschaft kam.
Neben dieser Funktion als Grenzstadt wird das Schicksal Wiens auch von seinem Aufstieg zu einer Metropole geprägt. Nach dem Ende der Kriege gegen das Frankreich Ludwigs XIV. ist Wien Hauptstadt eines riesigen Reic hes, das einen Großteil Mitteleuropas umfasst. Es übt dabei nicht nur politische Macht aus, sondern verbreitet auch jene kulturellen Vorbilder, die diesen Raum kennzeichnen und seine Identität prägen. Mit dem Aufkommen nationaler Bestrebungen werden Städte wie Budapest und vor allem Prag zunehmend zu Konkurrenten, Wien vermag aber seine Vormachtstellung bis 1918 zu bewahren und überschreitet kurz vor 1914 die Schwelle von zwei Millionen Einwohnern.
Die Geschichte Wiens wird von einem Dualismus bestimmt, umfasst Bewegungen und Strömungen, die im Laufe der Jahrhunderte den ganzen Kontinent durchziehen. Diese bisweilen konfliktbeladenen Spannungen sind aber auch kreativ.
Neben dieser Funktion als Grenzstadt wird das Schicksal Wiens auch von seinem Aufstieg zu einer Metropole geprägt. Nach dem Ende der Kriege gegen das Frankreich Ludwigs XIV. ist Wien Hauptstadt eines riesigen Reic hes, das einen Großteil Mitteleuropas umfasst. Es übt dabei nicht nur politische Macht aus, sondern verbreitet auch jene kulturellen Vorbilder, die diesen Raum kennzeichnen und seine Identität prägen. Mit dem Aufkommen nationaler Bestrebungen werden Städte wie Budapest und vor allem Prag zunehmend zu Konkurrenten, Wien vermag aber seine Vormachtstellung bis 1918 zu bewahren und überschreitet kurz vor 1914 die Schwelle von zwei Millionen Einwohnern.
Die Geschichte Wiens wird von einem Dualismus bestimmt, umfasst Bewegungen und Strömungen, die im Laufe der Jahrhunderte den ganzen Kontinent durchziehen. Diese bisweilen konfliktbeladenen Spannungen sind aber auch kreativ.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2003Wien für Schöngeister
Wien wurde nicht zuletzt vom Wein geprägt. "Zwölfhundert Pferde spannt man täglich an, um die Weinernte einzubringen", staunte im fünfzehnten Jahrhundert Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II. Schon damals hoben die Beobachter die Opulenz und Lebensfreude in Wien hervor. Solange jedoch die Türken die Residenz der Habsburger bedrängten, blieb das Wachstum der Stadt gehemmt. Erst nach 1683 konnte Wien deshalb zur Metropole von europäischem Rang aufsteigen. Während Soziologen, die die feine Lebensart untersuchen, oft bedauern, daß es im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation keine wirkliche Großstadt mit üppigem Luxus gegeben habe, stellt Jean-Paul Bled ein Wien vor, das nach 1683 als kaiserliche Residenz groß auftrumpfte. Architektur, Theater und Musik erlebten einen Aufschwung, der kaum hinter dem von Rom, Paris und London zurückblieb. Kirchen und Paläste wurden gebaut, Salons eingerichtet, gutes Benehmen geübt. Hundert Jahre lang entfaltete sich der Glanz des Barock. Im neunzehnten Jahrhundert gab es unter Metternich ein ideologisches Rückzugsgefecht. Doch am Übergang zum zwanzigsten Jahrhundert erfuhr die Stadt eine neue Blüte. Nicht der äußere Schein, sondern die innere Wahrheit sollte nun gelten. Wiener Architektur, Theater und Musik gehörten abermals zur europäischen Avantgarde, verbunden mit Namen wie Loos, Schnitzler und Mahler. Bled, Direktor des Centre d'Etudes Germaniques de Strasbourg und Professor an der Sorbonne, hat ein Gespür für die wichtigen Phasen und Höhepunkte der Entwicklung, die Wien durchlief - und ein Faible für die zivile Kraft, die von Wien noch immer ausgeht.
eiz
"Wien - Residenz, Metropole, Hauptstadt" von Jean-Paul Bled. Böhlau Verlag, Wien 2002. 448 Seiten, einige Schwarzweißbilder. Gebunden, 49 Euro. ISBN 3-205-99077-3
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wien wurde nicht zuletzt vom Wein geprägt. "Zwölfhundert Pferde spannt man täglich an, um die Weinernte einzubringen", staunte im fünfzehnten Jahrhundert Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II. Schon damals hoben die Beobachter die Opulenz und Lebensfreude in Wien hervor. Solange jedoch die Türken die Residenz der Habsburger bedrängten, blieb das Wachstum der Stadt gehemmt. Erst nach 1683 konnte Wien deshalb zur Metropole von europäischem Rang aufsteigen. Während Soziologen, die die feine Lebensart untersuchen, oft bedauern, daß es im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation keine wirkliche Großstadt mit üppigem Luxus gegeben habe, stellt Jean-Paul Bled ein Wien vor, das nach 1683 als kaiserliche Residenz groß auftrumpfte. Architektur, Theater und Musik erlebten einen Aufschwung, der kaum hinter dem von Rom, Paris und London zurückblieb. Kirchen und Paläste wurden gebaut, Salons eingerichtet, gutes Benehmen geübt. Hundert Jahre lang entfaltete sich der Glanz des Barock. Im neunzehnten Jahrhundert gab es unter Metternich ein ideologisches Rückzugsgefecht. Doch am Übergang zum zwanzigsten Jahrhundert erfuhr die Stadt eine neue Blüte. Nicht der äußere Schein, sondern die innere Wahrheit sollte nun gelten. Wiener Architektur, Theater und Musik gehörten abermals zur europäischen Avantgarde, verbunden mit Namen wie Loos, Schnitzler und Mahler. Bled, Direktor des Centre d'Etudes Germaniques de Strasbourg und Professor an der Sorbonne, hat ein Gespür für die wichtigen Phasen und Höhepunkte der Entwicklung, die Wien durchlief - und ein Faible für die zivile Kraft, die von Wien noch immer ausgeht.
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"Wien - Residenz, Metropole, Hauptstadt" von Jean-Paul Bled. Böhlau Verlag, Wien 2002. 448 Seiten, einige Schwarzweißbilder. Gebunden, 49 Euro. ISBN 3-205-99077-3
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Trotz einigen Lobes steht der mit "Jdl" zeichnende Rezensent diesem Buch des französischen Germanisten Bled kritisch gegenüber. Letzterer habe in seiner "umfassenden Darstellung" viel Material zusammengesammelt, um die zweitausendjährige Geschichte der Stadt Wien aufzurollen, und habe sich nicht nur auf die politische Geschichte beschränkt, sondern auch Kunst und Gesellschaft einbezogen. Das große Manko des Buches sei allerdings, so der Rezensent, dass sich diese Ausführlichkeit nur bis zum Zusammenbruch der Monarchie halte, die restliche Geschichte Wiens dann aber mehr als stiefmütterlich behandelt werde.
© Perlentaucher Medien GmbH
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