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Wer kennt sie nicht, die Wiener Staatsoper? Wer aber als Besucher eine ihrer opulenten Aufführungen mitverfolgt hat, macht sich in der Regel keine Gedanken um den gewaltigen Aufwand, der benötigt wird, um Abend für Abend die leere Bühne in ein "Operntraumland" zu verwandeln. Der Fotograf Walter Vogel hat - unter Mitarbeit von Martina Paul - in zweijähriger Arbeit die Welt hinter den Kulissen erforscht; die Bühnen- und Kostümwerkstätten, die Ballettabteilung, das Licht, die Garderoben und die Maske. Vom Bühnenentwurf über die Probe bis zur Aufführung: Seine Bilder dokumentieren die…mehr

Produktbeschreibung
Wer kennt sie nicht, die Wiener Staatsoper? Wer aber als Besucher eine ihrer opulenten Aufführungen mitverfolgt hat, macht sich in der Regel keine Gedanken um den gewaltigen Aufwand, der benötigt wird, um Abend für Abend die leere Bühne in ein "Operntraumland" zu verwandeln. Der Fotograf Walter Vogel hat - unter Mitarbeit von Martina Paul - in zweijähriger Arbeit die Welt hinter den Kulissen erforscht; die Bühnen- und Kostümwerkstätten, die Ballettabteilung, das Licht, die Garderoben und die Maske. Vom Bühnenentwurf über die Probe bis zur Aufführung: Seine Bilder dokumentieren die faszinierende Arbeit eines berühmten Opernhauses - bevor die ersten Takte erklingen. Zusammen mit den 120 Duotone-Abbildungen erzählen die Texte von den Hauptakteuren dieser verborgenen Welt, den Schneiderinnen, Maskenbildnern und Beleuchtern. In kurzen Gesprächen schildern sie die Veränderungen ihrer Arbeit, den Umgang mit den Stars und die Liebe zu ihrem "Haus".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001

Sind wir hier in einer Sängeragentur?
Die Oper ist tot, es lebe die Oper: Nicht nur in Wien ist der Bariton-Bär los / Von Ellen Kohlhaas

Daß Karrieren im Stile des "Selfmademan" im Osten Europas möglich sind, hat der Rumäne Ioan Holender vorgelebt. In seinem abenteuerlichen Lebenslauf hinterließen die politischen Ereignisse der dreißiger bis fünfziger Jahre schmerzliche Spuren: Enteignung der väterlichen Essig- und Marmeladefabrik, Trennung der Eltern, Überleben als Straßenbahnfahrer und Tennistrainer, wegen "falscher" bürgerlicher Herkunft ein mühsam ergatterter und wegen Teilnahme an einer Studentenrevolte bald wieder verlorener Studienplatz an der Technischen Hochschule in der Geburtsstadt Temesvar. Holender schildert seine Beklemmungen im Ceausescu-Regime, sein Lavieren zwischen verschiedenen Identitäten - der rumänischen und jüdischen, der bürgerlichen und sozialistischen.

Zum Hort der Selbstfindung wurde ihm von Kindheit an die Oper der Heimatstadt. Ihr konservativer Zuschnitt mit der Bedeutungslosigkeit der Inszenierungen dürfte die museale Repertoire-Einstellung des späteren Wiener Staatsoperndirektors geprägt haben. Diesen Einfluß leugnet Holender keineswegs: "Ich behaupte jetzt nicht, daß ich eins zu eins die Struktur der Temesvarer Oper an die Wiener Oper übernommen habe, aber sehr viele meiner heutigen Erfolge basieren auf der gesunden Konstellation eines Stadttheaters." Die Maxime wirkt sich im ästhetischen Biedersinn an der Wiener Staatsoper aus. Wohl nicht zufällig gelingt es Holender in seiner selbstbewußten Autobiographie nicht, Inszenierungen anschaulich zu schildern.

Mit Stimmen allerdings kennt sich der Bariton mit kurzer österreichischer Provinzkarriere so intim aus, daß er es zum mächtigen Agenten brachte, Ende der achtziger Jahre dann in holprigem Frontenwechsel zur Staatsoperndirektion, zunächst als Sozius des 1992 gestorbenen Baritons Eberhard Waechter. Seine Charakterisierung von Stimmen und Gefahren im Opernbetrieb ist plausibel, ebenso sein Erfahrungsbericht über Arbeitsweise, Konkurrenzkämpfe und internationale Vernetzung einer Sängeragentur.

Mit seinem Vertrag bis 2007 ist der umstrittene, seit 1991 amtierende Staatsoperndirektor der ausdauerndste in der Geschichte des hehren Hauses. Seinen bunten Weg "Von Temesvar nach Wien" formuliert er pragmatisch wie einen Geschäftsbericht, manchmal salopp plaudernd, nicht ohne Machtgenuß, unverblümt im Urteil, etwa über seinen Vorgänger Claus Helmut Drese. Gern zählt er seine Auszeichnungen auf, läßt sich im Anhang von Künstlern und Politikern feiern. Vordergründig offen, im Lob auf die rumänische Heimat und ihr politisches Leid gar beredt, bleibt Holenders Persönlichkeit doch seltsam ambivalent.

Natürlich prangt der Allmächtige prominent im Bildband über die Wiener Staatsoper. Die fotografisch prächtige, inhaltlich aufschlußreiche Ergänzung zu Holenders Autobiographie verweist auf ein Defizit in der Opernrezeption, das Drese in seinen Memoiren ". . . aus Vorsatz und durch Zufall . . ." (1999) unmißverständlich benennt: "Die Stars dominieren unser Bewußtsein; darüber vergessen wir leider all die unsichtbaren Kräfte hinter den Kulissen, ohne die sich der Vorhang nicht öffnen würde." Walter Vogels fotografischer Scharfblick fürs Wesentliche in Detail und ungewöhnlicher Perspektive öffnet die verborgene Welt der Werkstätten und Aufführungsvorbereitungen. Die Einblicke in bestimmte Inszenierungen bestätigen den musealen Geist von Holenders Reich, trotz Ausflügen ins gewagtere Regietheater, etwa in Hans Neuenfels' Inszenierung von Meyerbeers "Le Prophète". Gerade diese Inszenierung stellt der Staatsoperndirektor in seiner Biographie in Frage. Im Anhang lernt man kurz gefaßt die Geschichte der Staatsoper kennen, vor allem aber in Interviews die Abteilungsleiter der Produktionsstätten, ihre Arbeitsbereiche im Stil- und Praxiswandel - beispielsweise von der traditionellen Kulissenmalerei zur Computer-Bebilderung.

Ebenso spannend und bereichernd wie die keineswegs illusionsstörende Erlebnisreise hinter die Kulissen eines Opernhauses ist der Spaziergang durch die Geschichte der Gattung als Existenzgrundlage der Häuser. Imponierend umsichtig bringt die Berliner Musikwissenschaftlerin Elisabeth Schmierer die stilistischen und formalen Wandlungen der Oper und ihrer verschiedenen Spezies in den Griff und auf den präzisen sprachlichen Begriff, stets im Zusammenhang mit geschichtlichen, kulturellen und politischen Bedingungen und den übrigen Künsten. Anders als beim herkömmlichen Opernführer dienen Werkanalysen der Veranschaulichung von Entwicklungsstadien oder -linien. Mozarts Leistung "illustriert" so den Ausklang der Opera seria ("Idomeneo", "La clemenza di Tito"), die Konsolidierung von Opera buffa ("Così fan tutte") und deutschem Singspiel ("Die Entführung aus dem Serail"); Beethovens "Fidelio" wird auch als Meilenstein auf dem Weg der "Rettungsoper" gesehen.

Im Strom der vierhundertjährigen Operngeschichte von den Anfängen um 1600, mit Claudio Monteverdi als erstem Höhepunkt, bis zu Karlheinz Stockhausens "Licht"-Zyklus steht so nicht das einzelne Genie im Zentrum, sondern sein Beitrag zur Gesamtentwicklung. Das führt im Einzelfall zu Um- und Neubewertungen, etwa bei dem Opernreformator Gluck oder dem Leitmotiviker Wagner. Dank des Registers können jedoch Einzelanalysen "abgerufen" werden, etwa die eindringliche Einsicht in die symbolistische Unbestimmtheits-Ästhetik bei Debussys "Pelléas et Mélisande". Neben musikgeschichtlich relevanten Raritäten berücksichtigt die "Kleine Geschichte der Oper" ausgiebig auch das zwanzigste Jahrhundert bis zum ausdrucksorientierten Stilpluralismus seit den achtziger Jahren. Die Oper als Lebensinhalt, Arbeitsfeld und Gattungskomplex: Die drei Bücher ergänzen einander als Vitalitätszeugnisse für eine oft schon totgesagte Kunstform, die dank ihrer Wandlungsfähigkeit sich immer wieder regeneriert.

Ioan Holender: "Von Temesvar nach Wien". Der Lebensweg des Wiener Staatsoperndirektors. Bearbeitet von Marie-Theres Arnbom. Böhlau Verlag, Wien 2001. 232 S., 32 Farb- u. S/W-Abb., geb., 49,- DM.

Walter Vogel, Martina Paul: "Wiener Staatsoper". Ein Blick hinter die Kulissen. Henschel Verlag, Berlin 2001. 128 S., 120 S/W-Abb., geb. 78,- DM.

Elisabeth Schmierer: "Kleine Geschichte der Oper". Verlag Philipp Reclam, Stuttgart 2001. 292 S., 19 Abb., br., 14,- DM.

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