Produktdetails
- ISBN-13: 9783854392910
- ISBN-10: 3854392915
- Artikelnr.: 24777163
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2004Für die Tasche Es gibt ein Wien jenseits von Ringstraßenbauten, Kaffeehaus und Zuckerguß, und dieses Wien ist tiefrot. 1919, als die Sozialdemokratische Arbeiterpartei die Wiener Wahlen mit überragender Mehrheit gewann, sprach man vom "Roten Wien", heute ist der Begriff gültig wie eh und je. Die Sozialdemokraten regieren die Stadt mit absoluter Mehrheit, und es ist noch nicht allzu lange her, da standen am Tag der Arbeit alle öffentlichen Verkehrsmittel still. Den traditionellen Aufmarsch mit Pomp und Trara und Fahnen und Blumen wird es auch dieses Jahr am Tag der Arbeit geben, und das ist schon Grund genug, nach Wien zu fahren. Doch auch abseits des ersten Mai erschließt sich Touristen das "Rote Wien", denn sozialdemokratisch geprägte Institutionen sind allgegenwärtig. Fünf Routen durch das "Rote Wien" hat der Wiener Falter Verlag zusammengestellt, als Band 4 einer Reihe, die sich "Falters Citywalks" nennt und von klassischen Wiener Sehenswürdigkeiten wegführen möchte.
Wuchtigste Bastion des "Roten Wien" ist der Karl-Marx-Hof in Döbling, Wiens größter Sozialbau (1,2 Kilometer ist der riegelförmige Komplex lang) und ein geschichtsträchtiger Ort obendrein: Hier formierte sich im Bürgerkrieg 1934 der Widerstand gegen den austrofaschistischen Ständestaat. Aber auch in den anderen Wiener Gemeindebauten ist einiges zu entdecken. Im Gemeindebau am Einsiedlerplatz existiert noch ein städtisches Badehaus, wo man für ein paar Cent duschen kann, ein sogenanntes "Tröpferlbad".
Das Gegenprogramm dazu wäre das Jugendstil-Wien, das Wien der goldenen Ornamente und Blütenmuster. Die in Band 1 der "Citywalks" beschriebenen Wanderungen gehen dabei über die Trampelpfade der Wiener Sezessionisten hinaus, ins Grüne nämlich, hinauf zu den Villen des Großbürgertums in Hietzing, wo ein Haus einem "ästhetischen Hofknicks" gleicht, wie es der Architekt Friedrich Achleitner einmal formuliert hat. Mitten in der Natur liegen auch die Steinhofgründe in Ottakring, hier befindet sich die "Heil- und Pflegeanstalt Steinhof" mit ihren Pavillons. Nach einem Konzept von Otto Wagner angelegt, war die Anstalt Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eines der modernsten psychiatrischen Krankenhäuser Europas. Die Steinhofkirche mit ihrer weithin erkennbaren grünen Kuppel gehört überhaupt zu den Hauptwerken Otto Wagners.
Glaubt man den Autorinnen des Bandes "Wiener Galerien", hat zwischen Gold und Schnörkeln auch die zeitgenössische Kunst ihren Platz gefunden. Beziehungsweise ihr "Grätzel", wie man in Wien sagt. Ein solches - das sogenannte Freihaus-Viertel - befindet sich hinter dem Wiener Naschmarkt, in der Umgebung des Museumsquartiers sollen sich gar "neue Kraftfelder aktueller internationaler Kunst" befinden. In dieser Gegend ist jedenfalls das eine oder andere der "Wiener Szenelokale" angesiedelt, die Florian Holzer in Band 3 der "Citywalks" vorstellt. Wer da noch überteuerte Sachertorte ißt, ist selber schuld.
vem.
Falters Citywalks. Band 1: Inge Podbrecky, Wiener Jugendstil. Band 2: Jeanette Pacher und Désirée Schellerer-Kos: Wiener Galerien. Band 3: Florian Holzer, Wiener Szenelokale. Band 4: Inge Podbrecky, Rotes Wien. Jeweils ca. 112 Seiten, 8 bis 9,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wuchtigste Bastion des "Roten Wien" ist der Karl-Marx-Hof in Döbling, Wiens größter Sozialbau (1,2 Kilometer ist der riegelförmige Komplex lang) und ein geschichtsträchtiger Ort obendrein: Hier formierte sich im Bürgerkrieg 1934 der Widerstand gegen den austrofaschistischen Ständestaat. Aber auch in den anderen Wiener Gemeindebauten ist einiges zu entdecken. Im Gemeindebau am Einsiedlerplatz existiert noch ein städtisches Badehaus, wo man für ein paar Cent duschen kann, ein sogenanntes "Tröpferlbad".
Das Gegenprogramm dazu wäre das Jugendstil-Wien, das Wien der goldenen Ornamente und Blütenmuster. Die in Band 1 der "Citywalks" beschriebenen Wanderungen gehen dabei über die Trampelpfade der Wiener Sezessionisten hinaus, ins Grüne nämlich, hinauf zu den Villen des Großbürgertums in Hietzing, wo ein Haus einem "ästhetischen Hofknicks" gleicht, wie es der Architekt Friedrich Achleitner einmal formuliert hat. Mitten in der Natur liegen auch die Steinhofgründe in Ottakring, hier befindet sich die "Heil- und Pflegeanstalt Steinhof" mit ihren Pavillons. Nach einem Konzept von Otto Wagner angelegt, war die Anstalt Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eines der modernsten psychiatrischen Krankenhäuser Europas. Die Steinhofkirche mit ihrer weithin erkennbaren grünen Kuppel gehört überhaupt zu den Hauptwerken Otto Wagners.
Glaubt man den Autorinnen des Bandes "Wiener Galerien", hat zwischen Gold und Schnörkeln auch die zeitgenössische Kunst ihren Platz gefunden. Beziehungsweise ihr "Grätzel", wie man in Wien sagt. Ein solches - das sogenannte Freihaus-Viertel - befindet sich hinter dem Wiener Naschmarkt, in der Umgebung des Museumsquartiers sollen sich gar "neue Kraftfelder aktueller internationaler Kunst" befinden. In dieser Gegend ist jedenfalls das eine oder andere der "Wiener Szenelokale" angesiedelt, die Florian Holzer in Band 3 der "Citywalks" vorstellt. Wer da noch überteuerte Sachertorte ißt, ist selber schuld.
vem.
Falters Citywalks. Band 1: Inge Podbrecky, Wiener Jugendstil. Band 2: Jeanette Pacher und Désirée Schellerer-Kos: Wiener Galerien. Band 3: Florian Holzer, Wiener Szenelokale. Band 4: Inge Podbrecky, Rotes Wien. Jeweils ca. 112 Seiten, 8 bis 9,90 Euro.
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