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Das reich bebilderte Buch stellt die Geschichte Wiesbadens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar.

Produktbeschreibung
Das reich bebilderte Buch stellt die Geschichte Wiesbadens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2015

Alles andere als idyllisch
Wiesbaden im Biedermeier

Die Rivalität zwischen Mainz und Wiesbaden ist nicht nur ein Motiv der Fastnacht, sondern ein historisches Phänomen. 1841 hätte es sogar beinahe eine kriegerische Auseinandersetzung gegeben. Der Konflikt, in ganz Europa belacht, entzündete sich am Biebricher Hafen. Dessen Aufschwung sorgte dafür, dass der Warentransport mehr und mehr an der Stadt auf der anderen Rheinseite vorbeilief.

Gegen diese Konkurrenz wehrten sich die Mainzer Kaufleute auf eine groteske Weise. Sie mieteten eine Flotte von Frachtkähnen, die sie bis zum Rand mit schweren Bruchsandsteinen beluden. Nachts wurden sie mitsamt der Last auf der Wiesbadener Rheinseite versenkt. So entstand zwischen der Petersaue und der Rettbergsaue eine Strombarrikade, die die Zufahrt zum Biebricher Hafen versperrte. Erst nach einem langen diplomatischen Hin und Her wurde das Hindernis schließlich beseitigt.

An den sogenannten Nebeljungenstreit erinnert der Historiker und Jurist Rolf Faber in dem Buch, das zur Biedermeier-Ausstellung der Wiesbadener Casino-Gesellschaft erschienen ist. Dabei handelt es sich nicht um einen Katalog, wie man ihn zu diesem Anlass erwartet hätte, sondern um ein großformatiges, dickleibiges und aufwendig illustriertes Werk. Nur zu einem Drittel dient es der Erläuterung der Exponate. Der weitaus größere Teil besteht aus wissenschaftlichen Abhandlungen über die nassauische Residenzzeit in den Jahren zwischen 1815 und 1848.

Das Buch dürfte sich als stadthistorisches Standardwerk etablieren. Sechzehn versierte Fachleute beschreiben von der Architektur bis zur Zeit der Revolution alle wesentlichen Aspekte einer Ära, die für das heutige Gesicht Wiesbadens prägend war. Die bürgerliche Idylle, Familie, Herd und Heim, bestimmen das herkömmliche Verständnis der Epoche, die den Namen des fiktiven Schullehrers Gottlieb Biedermeier trägt. Tatsächlich aber herrschte jedenfalls in Wiesbaden eine hohe politische und städtebauliche Dynamik. In wenigen Jahrzehnten entstanden Kurhaus, Theater und Stadtschloss.

Was Georg Schmidt-von Rhein, der Vorsitzende der Casino Gesellschaft, in seiner Einführung betont, weisen die Autoren interdisziplinär und im Detail nach: Nicht der Rückzug auf das Private macht das Wesen der Epoche aus, sondern eine brisante Entwicklung der Gesellschaft. Höfische und bürgerliche Kulturen prallten aufeinander und fanden ihren spektakulären Ausdruck in einer Demonstration für die Freiheit, zu der im März 1848 ungefähr 40 000 Menschen vor dem damaligen Stadtschloss zusammenkamen. Ein wenig mehr von dem kämpferischen Geist eines engagierten Bürgertums würde sicher auch dem Wiesbaden von heute nicht schaden.

EWALD HETRODT

Wiesbaden - Die nassauische Residenzstadt im Biedermeier. Herausgegeben von der Casino-Gesellschaft, Wiesbaden 2014, 374 Seiten, 29,50 Euro.

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