Naturpigmente sind eigentlich nichts Außergewöhnliches: Seit Jahrhunderten haben Künstler sie verwendet und es gibt sogar mittelalterliche Quellen, die detailliert beschreiben, wie Pigmente und ihre Malmittel hergestellt wurden. Synthetische Pigmente sind also eine relativ junge Erfindung und auch
heute noch basieren vor allem Brauntöne meistens auf Naturpigmenten. Mich hat das Thema sehr…mehrNaturpigmente sind eigentlich nichts Außergewöhnliches: Seit Jahrhunderten haben Künstler sie verwendet und es gibt sogar mittelalterliche Quellen, die detailliert beschreiben, wie Pigmente und ihre Malmittel hergestellt wurden. Synthetische Pigmente sind also eine relativ junge Erfindung und auch heute noch basieren vor allem Brauntöne meistens auf Naturpigmenten. Mich hat das Thema sehr interessiert, aber meine Erwartungshaltung wurde leider enttäuscht.
Auf den ersten 50 Seiten ergeht sie sich die Autorin in immer wieder gleichen Phrasen darin, wie schön es doch sei, seine Farben selber zu sammeln und wo man überall fündig wird. Eine Doppelseite am Strand, eine Doppelseite im Wald, eine Doppelseite im Süßwasser oder am Straßenrand und ein paar Seiten darüber, womit man Farben abkratzen kann (mit Messern, Gabeln, Steinen, Scheren). Dazu ein paar beispielhafte Strichproben, die eine sehr übersichtliche Bandbreite von dunkelbraun, braun, gelbbraun, rotbraun, grünbraun oder ocker darstellen. Frische Farbtöne gibt es in Caroline Ross‘ Palette nicht. Zugegeben, bei leuchtenden Farben wird es schnell giftig, auch wenn sie aus der Natur kommen.
Auf den nächsten 20 Seiten wird beschrieben, wie man die Gesteinsbrocken in Pigmente verwandelt, allerdings bleiben die Verfahren für mein Empfinden sehr unscharf. Ich kann das Ganze in einem einzigen Satz zusammenfassen: Zu Pulver mahlen, aufschlämmen, abgießen, trocknen lassen. Zum Vermahlen nimmt Caroline Ross alles, was eine raue Oberfläche hat, zum Abtrennen gröberer Partikel reicht ihr ein Küchensieb, zum Schlämmen schüttelt sie das Pigmentpulver mit Wasser in einem Einmachglas. Man muss kein Pigmentexperte sein, um zu ahnen, dass so ein Produkt kaum höheren Standards gerecht wird. Die Ausbeute an wirklich hochwertigem Pigmentpulver ist bei dieser „Küchenchemie“ marginal und den Aufwand nicht wert. Die meisten Fraktionen werden noch viele grobe Partikel enthalten, die beim Malen sehr stören und das fertige Bild auch instabil machen. Später im Buch werden Arbeiten von Naturpigmentkünstlern gezeigt, die diesen Verdacht erhärten. Caroline Ross allerdings steht auf dem Standpunkt „It’s not a bug, it’s a feature“. Was man nicht kann, muss eben so sein.
Richtig ärgerlich wird es dann, als es an das Anmischen der Farben geht. Nur Zutatenlisten, keine präzisen Rezepturen. Alles wird nach „Gefühl“ angesetzt, was gut zu dem etwas esoterisch-mäandernden Stil passt, in dem Caroline Ross auch schreibt. Malen mit Naturfarben als Heilmittel für eine geschundene Welt. Ich hatte erwartet, ernsthafte Informationen über Pigmentherstellung zu bekommen, ähnlich wie sie die alten Meister in ihren geheimen Farbbüchern festgehalten haben, stattdessen bekomme ich auf 128 Seiten 50 verschiedene Brauntöne, ein paar flaue Grüntöne und ein Blassblau aus Vivianit vorgestellt (das im Übrigen ein eher seltenes natürliches Mineral und sehr wenig farbstabil ist). Nicht einmal die Indigoherstellung wird vernünftig erklärt.
Zumindest hat die Berliner Übersetzerin streng darauf geachtet, den gesamten Text sauber durchzugendern, inklusive Stolpersternchen. Da stimmt vielleicht nicht der Inhalt, aber wenigstens die Weltanschauung. Nein, danke. Die zwei Sterne gibt es für die schönen Fotos und das gute Layout. Ansonsten nur was für Dünnbrettbohrer*innen.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)