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Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022 und den Österreichischen Buchpreis 2022
»Ich sehe es wirklich als eine Art Verpflichtung an, die Welt, die ich kenne, darzustellen, also erfahrbar zu machen - einem, der sie nicht kennt.« Reinhard Kaiser-Mühlecker
Jakob führt den Hof der Eltern und kämpft gegen den Niedergang. Als die Künstlerin Katja sich als Praktikantin anbietet, scheinen sich die Dinge zum Guten zu wenden. Gemeinsam bauen sie eine biologische Tierhaltung auf, sie heiraten und bekommen einen Sohn. Doch Jakob findet keine Ruhe, sein grausamer Zorn bricht immer wieder hervor.…mehr

Produktbeschreibung
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022 und den Österreichischen Buchpreis 2022

»Ich sehe es wirklich als eine Art Verpflichtung an, die Welt, die ich kenne, darzustellen, also erfahrbar zu machen - einem, der sie nicht kennt.« Reinhard Kaiser-Mühlecker

Jakob führt den Hof der Eltern und kämpft gegen den Niedergang. Als die Künstlerin Katja sich als Praktikantin anbietet, scheinen sich die Dinge zum Guten zu wenden. Gemeinsam bauen sie eine biologische Tierhaltung auf, sie heiraten und bekommen einen Sohn. Doch Jakob findet keine Ruhe, sein grausamer Zorn bricht immer wieder hervor. Hat Katja ihn getäuscht, hat sie nur mal einen wie ihn haben wollen, einen Bauern? Reinhard Kaiser-Mühlecker erzählt von Herkunft und existentieller Verlorenheit in einer Welt, die sich radikal wandelt.

Platz 1 der SWR-Bestenliste im Mai 2022

Autorenporträt
Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs in Eberstalzell, Oberösterreich, auf. Er studierte in Wien und betreibt eine Landwirtschaft. »Ich sehe es als eine Art Verpflichtung an, die Welt, die ich kenne, erfahrbar zu machen ¿ einem, der sie nicht kennt.« Sein Debütroman »Der lange Gang über die Stationen« erschien 2008, anschließend die Romane »Magdalenaberg«, »Wiedersehen in Fiumicino«, »Roter Flieder«, »Schwarzer Flieder« sowie »Zeichnungen. Drei Erzählungen«. Der Roman »Fremde Seele, dunkler Wald« stand 2016 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. 2019 erschien der Roman »Enteignung«. Für sein Werk wurde Reinhard Kaiser-Mühlecker mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Im Frühjahr 2022 erschien Reinhard Kaiser-Mühleckers Roman »Wilderer«, der für den Deutschen Buchpreis und den Österreichischen Buchpreis nominiert war und mit dem Bayerischen Buchpreis 2022 ausgezeichnet wurde.  Literaturpreise: Bayerischer Buchpreis für »Wilderer« 2022Longlist Deutscher Buchpreis für »Wilderer« 2022Longlist Österreischischer Buchpreis für »Wilderer« 2022Preis des Wirtschaftsclubs Stuttgart für »Wilderer« 2022Nominierung Prix du Meilleur livre étranger 2021 für »Roter Flieder«Longlist Prix Médicis étranger 2021 für »Roter Flieder« Literaturpreis der Österreichischen Industrie ¿ Anton Wildgans 2020Comburg-Stipendium 2015Adalbert-Stifter-Stipendium 2014Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2014outstanding artist award 2013Kunstpreis Berlin für Literatur 2013Buch.Preis 2009Stipendium des Literarischen Colloqiums Berlin 2009 Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf 2009Österreichisches Staatsstipendium für Literatur 2008Hermann-Lenz-Stipendium 2008 Stipendium des Herrenhauses Edenkoben 2007Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung 2007Werkstattstipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung 2006
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2022

Du bist also Landwirt? Wie aufregend!

Respekt und Angst kann man leicht verwechseln: Im Roman "Wilderer" erzählt Reinhard Kaiser-Mühlecker von einer bäuerlichen Verstörung.

Von Tilman Spreckelsen

Lass es uns für eine Woche ausprobieren", schlägt Katja vor, die Künstlerin, die eigentlich als Stipendiatin hierher aufs Land gekommen ist. Jetzt möchte sie als Praktikantin auf dem Hof arbeiten, den Jakob seit seinem fünfzehnten Lebensjahr bewirtschaftet. Inzwischen ist er Mitte zwanzig, etwas jünger als Katja, und er ist es gewohnt, in jeder Hinsicht ohne Hilfe auszukommen. Was soll die Künstlerin bei ihm?

"Du bist also Landwirt? Das stelle ich mir aufregend vor", hatte sie Jakob zuvor geschrieben, der sich schwertat, an seinem Alltag irgendetwas aufregend zu finden. Dass es ihr ernst ist mit der Arbeit auf dem Hof in Oberösterreich, dass sie rasch lernt und gern mit anpackt, stellt sich schnell heraus. Aus der einen Woche werden zwei, schließlich bleibt Katja ganz da, die beiden heiraten, ein Sohn wird geboren.

Zu welcher Familie sie da stößt, ist ihr in diesem Moment wahrscheinlich noch nicht klar, und obwohl der Roman "Wilderer" von Reinhard Kaiser-Mühlecker allein aus der Perspektive Jakobs erzählt wird, bleibt vieles auch für den Leser ein Rätsel. Der junge Bauer jedenfalls erweist sich, je weiter der Roman fortschreitet, als äußerst zuverlässig bei der Arbeit und als sehr fragwürdige Quelle, um die Vergangenheit und die Gegenwart der Familie darzustellen. Auf seinen Vater ist nicht zu zählen, er hat den Hof, glaubt Jakob, mit wüsten Ideen runtergebracht und trägt die Schuld daran, dass Acker um Acker aus dem Familienbesitz an die Nachbarn verkauft werden musste. Dabei ist die Familie eigentlich reich, die Rede ist von "Judengeld", von Vermögen, das die Familie in der Zeit des Nationalsozialismus an sich gerafft hat und über das einzig Jakobs verwitwete Großmutter verfügt - sie hat erklärt, es einer rechtsradikalen Partei vererben zu wollen.

Weil also der Vater als Bauer ausfiel und seine älteren Geschwister Alexander und Luisa rasch das Weite suchten, liegt alle Last auf Jakobs Schultern. Er blickt auf eine frühe, unglückliche Liebe zurück, nutzt Tinder, ohne dass es dadurch zu Begegnungen in der echten Welt kommt, und versucht sich neben der Arbeit als Bauer erfolglos als Fischzüchter. Die Härte gegen sich und andere, die er für diese Lebensweise benötigt, wird gleich auf den ersten Seiten des Romans anschaulich, wenn er den Hofhund, den er der Wilderei verdächtigt, heimlich vergiftet. Der Vater, der ihn dabei beobachtet, wagt nicht, ihn zur Rede zu stellen.

All dies erzählt Kaiser-Mühlecker bisweilen einlullend sachlich und mit so viel Verständnis für seinen Protagonisten, dass die Abgründe dieser Erzählung erst allmählich - dann aber umso intensiver - sichtbar werden. Was für Jakob völlig einleuchtend ist, Zusammenhänge, Wertungen, Entscheidungen, taugt auch dazu, den Leser zu überzeugen. Den Prozess darzustellen, in dem dieses Weltbild Risse bekommt, unterstützt durch sparsame, dahingeworfene und zunehmend erregtere Bemerkungen von Jakobs Umgebung, ist keine geringe Leistung des Autors. Dabei sind Zeichen von Jakobs Verzweiflung und Wut, die der junge Bauer selbst beharrlich beiseiteschiebt, von Anfang an vorhanden, aber in ihrem Ausmaß erst rückblickend zu erkennen. Da ist die betäubende Arbeit, aber da ist auch ein alter Revolver im Schlafzimmer, den Jakob zu einer Art russischem Roulette mit sich selbst benutzt. Da ist ein umfassender Zorn, dessen Folgen Jakob lange ausblendet und sich erst gegen Ende des Romans bewusst macht. Und da ist die Angst in den Augen seiner Familienmitglieder, die er sich - und dem Leser - als Respektbezeugung deutet, als Zeichen dafür, dass man seine entsagungsvolle Arbeit auf dem Hof anerkennt.

In dieser Situation wirkt Katja wie ein Katalysator. Der Autor schildert die Annäherung der beiden ebenso wie den Riss, der bald durch diese Partnerschaft geht, aus Jakobs Augen und mit dem stark eingefärbten Blick des an sein Alleinsein gewöhnten Bauern. Er ist sich vollkommen sicher, seinen Sohn Marlon zu lieben wie nichts auf der Welt, und findet es zugleich vollkommen normal, den Säugling anzubrüllen. Dass Katja das Kind bisweilen hastig vom Boden aufhebt und schützend in den Arm nimmt, schiebt er auf den Hund, der ihn begleitet, und kommt nicht auf den Gedanken, dass er selbst es ist, der Katja um das Kind bangen lässt. Und wenn dieser Hund in seiner Gegenwart so heftig zittert - ist das wirklich der "Blutrausch" des Tiers, wie Jakob glaubt?

In diesem Stadium des Romans ist das Vertrauen des Lesers in Jakobs Schilderung längst erschüttert. Und während der Bauer, der schließlich doch anstelle der Rechtsextremisten das Vermögen der Großmutter erbte, den wachsenden Respekt seiner Nachbarn genießt, werden Katjas Blicke auf ihn immer fassungsloser. "Ich darf diese Frau niemals verlieren", denkt Jakob einmal, während er schon längst dabei ist.

Der Autor denunziert ihn nicht, er nimmt die Perspektive eines Menschen ein, der eine Last übernimmt, die ihn um seine Jugend bringt. Dass er ein Weltbild, das sich in der Folge formt, so überzeugend darstellt und es zugleich so entschieden relativiert, macht diesen Roman zu einem ästhetischen Ereignis.

Reinhard Kaiser-Mühlecker: "Wilderer". Roman.

Verlag S. Fischer,

Frankfurt am Main 2022.

352 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensentin Ursula März liest gebannt den neuen Roman von Reinhard Kaiser-Mühlecker. Dass der Autor das Bauerndasein von innen kennt, begreift März schnell. Das unterscheidet den Text von anderen Dorf- und Bauernromanen, findet sie. Plastische Beschreibungen landwirtschaftlicher Tätigkeiten und den Sehnsüchten nach einem anderen Leben eignen der Geschichte um einen glücklosen Jungbauern, dem seine finstere Charakterseite im Wege steht, Jähzorn, Hass und ein Hang zur Gewalttätigkeit. Diese bedrohliche Note durchzieht den Text laut März und bedeutet Unheil. Und sie rückt den Roman weg vom Bauernrealismus und in die Nähe existenzialistischer Literatur, findet die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2022

Warten auf das Ende
Reinhard Kaiser-Mühlecker ist der große Solitär seiner Generation.
Im Roman „Wilderer“ perfektioniert er seine Ästhetik der Ausweglosigkeit
VON CHRISTOPH SCHRÖDER
Zauk“ ist ein österreichischer Dialektausdruck; eine nicht eben freundliche Bezeichnung für eine Frau. Jakob, der Protagonist von Reinhard Kaiser-Mühleckers neuem Roman, verwendet ihn oft. Für seine Hündin Landa, die buchstäblich Blut geleckt und mit dem Wildern begonnen hat. Für seine Ex-Freundin Nina, die vor einigen Jahren erfolglos versucht hat, Jakob eine Vaterschaft anzuhängen und kurz darauf auf Nimmerwiedersehen verschwand. Für Luisa, seine Schwester, die den elterlichen Bauernhof schon lange verlassen hat und nun ein in Jakobs Augen unstetes, also verwerfliches Leben in Hamburg führt.
Und irgendwann, sehr spät in diesem insgesamt erschütternden Buch, ist auch Katja eine „Zauk“; die Frau, zu der Jakob immerhin ein einziges Mal den Satz „Ich liebe Dich“ gesagt hat, zu spät, um noch etwas zu retten. Katja, mit der für eine kurze Zeit immerhin Ansätze eines gelingenden Lebens möglich waren. Tiefschwarz ist „Wilderer“, ein Bericht aus einer devastierten Welt, die aus der Perspektive eines Menschen betrachtet wird, der sämtliche Anschlüsse verloren zu haben scheint. Oder, noch schlimmer, sie niemals gehabt hat.
„Wilderer“ ist die etwa fünf Jahre später einsetzende Fortschreibung von Reinhard Kaiser-Mühleckers 2016 erschienenen Roman „Fremde Seele, dunkler Wald“, der auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand. Kaiser-Mühlecker, der in Eberstalzell in Oberösterreich aufgewachsen ist und dort den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie führt, setzt in seinen mittlerweile acht Romanen ein Mosaik von Geschichten aus dieser Gegend zusammen; aus einer Landschaft, die nicht als antiurbane Idylle gezeichnet wird.
Vielmehr ist das Dorf, in dem Jakob mit Eltern und Großmutter auf einem zu Beginn des Romans heruntergekommenen Bauernhof lebt, Bestandteil einer Kulturlandschaft im Umbruch. Über dem Hof rauscht und dröhnt die Autobahn auf einer 30 Meter hohen Brücke. Der Bürgermeister bezeichnet sie als Wahrzeichen des Dorfs.
In der Eröffnungsszene beobachten wir Jakob beim Aufwachen um vier Uhr morgens. In der Schublade seines Nachttisches liegt die Pistole seines Großvaters, geladen mit einer einzigen Kugel. In regelmäßigen Abständen dreht Jakob die Trommel, setzt sich die Waffe an den Kopf und drückt ab. Noch ist jedes Mal das langweilige Klackgeräusch ertönt. Eigentlich unmöglich, denkt sich Jakob und steht auf, um an die Arbeit zu gehen.
Es wird, so heißt es einmal, gelebt, weil der Tod noch nicht da ist. Was ist das für ein Mensch, den Reinhard Kaiser-Mühlecker in all seiner Undurchdringlichkeit und mit all seinen Ambivalenzen nach und nach auffächert? Vor allem einer, der nie eine Alternative hatte. Der Vater ist ein Versager, der das Land der Familie Stück für Stück verschachert hat für unsinnige Projekte. Der ältere Bruder Alexander lebt nach seiner Militärzeit in Wien. Die bösartige Großmutter sitzt im Rollstuhl im Obergeschoss, hat ein Auge auf alle und wartet auf das Ende.
An Jakob ist alles hängen geblieben, und er fügt sich naturgemäß in diese Verantwortung. In ihm lodert eine Wut. Manchmal wünscht er sich einen Krieg herbei, weil er Blut sehen will. Es ist allzu einfach, einen solchen Charakter mit wertenden Begriffen zu umstellen, „toxisch“ beispielsweise oder gar „psychopathisch“. Doch die große Kunst dieses Romans ist es unter anderem, dass Kaiser-Mühlecker alle seine Figuren zwar mit Leben, mit Erfahrungen, mit Sehnsüchten anreichert und sie trotzdem undurchdringlich, unberechenbar bleiben.
Die scheinbar so simple, geradezu karge Tonlage, in der Kaiser-Mühlecker erzählt, stellt in ihrer Offenheit psychologische Komplexität her. Der Blick wird auf eine bestimmte Weltsicht hin gerichtet, und es kostet während der Lektüre oftmals Mühe, nicht in dieser düster grundierten Bewusstseinslandschaft unterzugehen. Wenn das Wort „Identität“ auch die Grenzen dessen markiert, wer oder was wozu gehört und wem was gehört, dann ist „Wilderer“ der Roman einer in ihrer Ausweglosigkeit gefangenen Identität, und das Leitmotiv des Wilderns zieht sich in unterschiedlichen Varianten durch das Buch, das auch als ein gescheiterter Entwicklungsroman gelesen werden könnte.
Eines Tages ist Katja im Dorf, eine Künstlerin aus der Salzburger Gegend, die ein dreimonatiges Stipendium erhalten hat. Jakob und Katja kennen sich bereits – von Tinder. Und Katja nimmt Jakobs Leben in die Hand, als sei es das Selbstverständlichste. Stellt Pläne auf und den Hof von Jakobs Familie auf Biolandwirtschaft um, mit Erfolg. Die beiden heiraten und bekommen einen gemeinsamen Sohn. Rein rational könnte all das zu einem glücklichen Ende kommen, doch untergründig spürt man, dass es bitter werden wird und dass Jakob keiner ist, mit dem etwas gut werden kann.
Wer kommt nach wem? Das ist eine der entscheidenden Fragen, die in „Wilderer“ immer wieder gestellt wird. Der Vater, „ein Schlappschwanz“, wie Luisa es formuliert. So will Jakob auf keinen Fall sein, aber wie sonst? Was will eine wie Katja von ihm? Der Gedanke, sie könnte auch nur in sein Revier eingedrungen sein, um „ein bisschen zu wildern in diesem fremden Leben, damit sie später sagen könnte: So einen habe ich auch mal gehabt“, kommt ihm erst, als alles zu spät ist und Kaiser-Mühlecker den Roman am Ende zu einer Kette von Tragödien verdichtet, an denen Jakob in den vergangenen Jahren beteiligt war. Erst dann erschließt sich das ganze Ausmaß des Unheils.
Ob, das fragt sich Jakob, das auch an einem anderen Ort geschehen wäre, „dass diese Tür in ihm zufiel und er den Ausgang nicht mehr fand, er immer nur – suchend, suchend – entlangstrich an einer glatten, fugenlosen Mauer.“ Was Reinhard Kaiser-Mühlecker in „Wilderer“ fortschreibt, ist das Panorama eines Niedergangs, sei es in ökologischer, sei es in moralischer Hinsicht. Doch ist dieser noch nicht einmal vierzigjährige Autor kein Untergangshuber; keiner, der die Reize des Zerfalls voyeuristisch abschöpft. Er sehe es, so sagt es Kaiser-Mühlecker, als seine Verpflichtung an, die Welt, die er kenne, darzustellen, erfahrbar zu machen.
Realismus also, eingebettet in ein ästhetisches Konzept, das auf Kargheit wie auf Klarheit basiert. Kaiser-Mühleckers Bücher zu lesen fühlt sich an, als würde man auf eine zu fest eingespannte Glasscheibe starren, auf das Knistern und Knacken hören und doch wissen, dass der Autor uns nicht die Last abnimmt, den erlösenden Knall herbeizuführen. Das ist menschlich erschreckend und literarisch bestechend.
Es kostet oft Mühe, nicht in
diesem düster grundierten
Bewusstsein unterzugehen
Reinhard Kaiser-
Mühlecker: Wilderer. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022. 350 Seiten, 24 Euro.
Trübe Aussichten: Die österreichischen Dörfer in Kaiser-Mühleckers Romanen sind keine Idyllen.
Foto: imago/blickwinkel
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Reinhard Kaiser-Mühlecker aber ist ein Roman gelungen, der den Realismus eines zeitgenössischen Bauernhofes in die Richtung existenzialistischer Literatur lenkt. [...] Vom ersten bis zum letzten Satz bannend zu lesen. Ursula März Die Zeit 20220630