Kaiser-Mühlecker schreibt die Geschichte um den legendären Bauern Jakob Fischer aus Oberösterreich weiter.
"Wilderer" erzählt von Jakob, der bereits als Jugendlicher früh im den vom Vater durch Landverkäufe fast zugrunde gerichteten Familien-Bauernhof schuften muss. Praktisch alleine bewirtschaftet
er den Hof, mit den Kühen geht es wegen des fallenden Milchpreis zu Ende, vergeblich versucht er…mehrKaiser-Mühlecker schreibt die Geschichte um den legendären Bauern Jakob Fischer aus Oberösterreich weiter.
"Wilderer" erzählt von Jakob, der bereits als Jugendlicher früh im den vom Vater durch Landverkäufe fast zugrunde gerichteten Familien-Bauernhof schuften muss. Praktisch alleine bewirtschaftet er den Hof, mit den Kühen geht es wegen des fallenden Milchpreis zu Ende, vergeblich versucht er eine Hühnermast, die Fischzucht misslingt. Trostlos und ohne Perspektive unter der dröhnenden Autobahn, hält er sich den Revolver an die Schläfe …
Selbst das familiäre Umfeld ist trist und wenig aufbauend mit rigider Kommunikation. Der Vater, von Jakob nur „Bert“ genannt, hat, wenn er überhaupt anwesend ist, kein Interesse am Hof; die Mutter – ein stummer Haushaltsmensch, sein um 15 Jahre älterer Bruder Alexander, der einst für Jakob das große Vorbild war, ist blad, träge und lebt mit einer Stadttussi eben dort. Die zwielichtige Halbschwester Luisa, wenn sie denn unverhofft unangemeldet solo am Hof erscheint ist nichtsnutzig, ein ungeliebter dauerquasselnder Teilzeitgast auf den der geile „Bert“ spechtelt. Die Großmutter verlässt den ersten Stock nicht: Wem wird sie ihr Vermögen vermachen?
Nebenbei arbeitet er als „Schulwart“ und hilft bei anderen Bauern aus. Er sehnt sich nach der ausbleibenden Anerkennung, fühlt sich ausgebeutet. Jakob ist wortkarg, zurückhaltend, menschenscheu. Er kommt mit ein paar Stunden Schlaf aus, zur Abwechslung stöbert er in Tinder.
Diese Tristesse wird erst durchbrochen als Katja, eine Malerin und Zeichnerin aus dem Salzkammergut sich im Schulwarthäuschen für ein Stipendium einquartiert, dessen Zimmer Jakob renoviert hat. Jakob und Katja „lernen sich kennen“. Nach drei Monaten reist wieder ab, doch sie kehrt zurück und zieht auf den Hof. Mit ihr als „Anpackerin“ scheint Jakobs Landwirtschaft in Schwung zu kommen. Er hilft Fritz, einem kränklichen Nachbarn, der ewig nicht wiederkommt, bei dessen Schweinezucht. Er lernt rasch in der Hoffnung, mit dieser Tierhaltung ebenfalls Erfolg zu haben.
Jakob und Katja werden ein Paar; er ist glücklich, aber misstraut dem Glück zunächst noch. Katja entwickelt einen Plan für eine Schweinezucht, verhandelt mit Fritz einen Pachtvertrag. "Jakob schien jetzt manchmal fast alles möglich." Und dann geschieht es doch noch: die Aussöhnung Jakobs mit der Großmutter, kurz vor ihrem Tod. Sie hatte das Geld noch, wusste um Jakobs Eifer, wollte es nicht Bert vererben, daher gibt sie es Jakob. Über die im Dorf gemunkelten Vorbehalte, es sei "Judengeld", setzt er sich hinweg. Er und Katja haben jetzt nicht nur beruflich Erfolg – sie bekommen Marlon, einen Sohn. Der Hof wird sogar als "Betrieb des Jahres" ausgezeichnet; Honoratioren feiern den jungen Landwirt. „Er dachte, was er nicht oft, aber von Zeit zu Zeit dachte: Ich darf diese Frau niemals verlieren.“
Hier sollte sich der Leser nicht auf eine Fortsetzung á la Rosamunde Pilcher hoffen, denn Kaiser-Mühleckers Roman ist weder ein Bauern-, noch ein Heimatroman, schon gar kein Anti-Heimatroman. Er erzählt völlig humorlos und ohne Ironie – das Lachen kann dem Leser erst überhaupt nicht aufkommen, denn es gibt nichts zu Lachen. Eher geht es um Existenzielles. Der allwissende Insider beschreibt in be“stechenden“ Stil, weder als Kläger, noch als Beklagter und legt das Seelenleben der Mitspieler detailreich offen.
Wer sind nun die „Wilderer“? Damit sind zwei streunenden und wildernden Hofhunde gemeint. Sie gehören nicht auf einen Hof und Jakob löst das Problem auf völlig empathielose Weise; diese Empathielosigkeit ein wesentliches Merkmal Kaiser-Mühleckers Roman. Doch diese Hunde sind nicht die einzigen Wilderer im Roman und auch andere gehören nicht auf den Hof. Die Natur fordert Wildsein, das Überleben als Landwirt benötigt einen harten Willen, einen Willen zum Wildsein.
Stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2022. Dafür hat er Chancen auf den Österreichischen Buchpreis 2022.