Produktdetails
- PraxisSchach 59
- Verlag: Edition Olms
- 2., korr. u.neubearb. Aufl.
- Seitenzahl: 246
- Deutsch
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 768g
- ISBN-13: 9783283004705
- ISBN-10: 3283004706
- Artikelnr.: 11300182
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2003Der Meister als krönender Abschluß
FRANKFURT. Eigentlich sollte Garri Kasparow am vergangenen Freitag in Jalta gegen Ruslan Ponomarjow spielen. Doch sein junger ukrainischer Gegner hat den Vertrag nicht unterzeichnet. Erst als das Match um den WM-Titel des Internationalen Schachbundes (FIDE) abgesagt wurde, fiel manchem auf, wie wenig sich Kasparow während des Kriegs der Nerven zwischen Ponomarjow und den Funktionären zu Wort gemeldet hatte.
Der vierzig Jahre alte Russe hatte schlicht Besseres zu tun. Er rührte die Werbetrommel für seine vor wenigen Wochen eröffnete Buchreihe "Meine großen Vorkämpfer", eine monumentale Ideengeschichte des Spiels. "Mein wichtigster Beitrag zum Schach, seit ich 1985 Weltmeister wurde", tönt Kasparow. Seine Verleger sehen mit Freude, wie er sich in Interviews, beim Online-Chat und bei Autogrammstunden ins Zeug legte. Vertraglich verpflichtet war er dazu nicht. Leidenschaft für das, was er gerade tut, kennt man von Kasparow. Doch dieses Mal handelt es sich nicht um einen hochbezahlten Schaukampf, sondern um eine eher schlecht bezahlte Liebhaberei.
Drei Bände sollte die Reihe zunächst umfassen. Nun hat Kasparow noch einen vierten und fünften Band angekündigt. Er hat wohl festgestellt, daß es ohne ihn selbst nicht geht. Im ursprünglichen Konzept hätte mit Anatoli Karpow der ungeliebte Erzrivale am krönenden Ende gestanden. Darum hängt Kasparow eine ausführliche Analyse der aus seiner Sicht epochemachenden fünf WM-Kämpfe zwischen ihm und Karpow und zum Abschluß eine Auswahl eigener Glanzleistungen an. Aus dem Tribut an die Weltmeister vor ihm wird somit ein Denkmal, das er sich selbst setzt. Verglichen mit der Tiefe und Brillanz seiner eigenen Partien, werden seine "Vorkämpfer" mickrig wirken. Niemand hat Schach so viel weiter gebracht wie er. Niemand hat auf dem Brett so viele Ideen gefunden, die es wert sind, studiert zu werden. Seit bald zwei Jahrzehnten ist Kasparow fast ununterbrochen die Nummer eins, und das ist die Zeitspanne, in der sich das Spiel am stärksten entwickelt hat. Darum hat er durchaus das Recht, sich seine Anerkennung schreibend zu sichern. Aber hat er auch das Recht, seine Leser zu enttäuschen?
Unter den für den ersten Band ausgewählten Partien befindet sich kaum eine, die dem Kenner neu ist. Von einem Mann, der sich in historische Debatten eingemischt hat, hätte man einen Eingriff in den Kanon erwarten dürfen. Auch Kasparows Einschätzungen der Schachgrößen der Zeit bis 1946 und ihrer Beiträge zur Ideengeschichte unterscheiden sich wenig davon, was frühere Weltmeister wie Max Euwe oder Michail Botwinnik geschrieben hatten. Diese werden sogar in aller Länge zitiert. Dazu kommt ein Schwall an Anekdoten, die oft unbelegbar sind und mitunter schlicht ins Reich der Legende gehören.
Der Text ist durchzogen von ausgetretenen Sprachbildern, Formulierungen in Anführungszeichen und Auslassungspunkten. Daß in den Partieanalysen manches verbesserungswürdig ist, räumt Kasparow ein und ruft die Leser auf, Korrekturen zu schicken. Schwerer wiegt, daß übernommene Textstellen bestenfalls unzureichend und vielfach gar nicht belegt sind. Sein Ghostwriter Dimitri Plissetzki hat nicht nur ausformuliert und zusammengefaßt, was Kasparow auf Tonband sprach, sondern hat es ausgeschmückt, bis es fünfmal so lang war.
Aber noch ist Hoffnung, wie an den wenigen Stellen des ersten Bandes, die Kasparow erkennbar interessierten, zu spüren ist. Band eins sei ihm schwergefallen, so hat er im Internet mitgeteilt, weil er die Weltmeister bis zum 1946 gestorbenen Alexander Aljechin nicht persönlich gekannt hat. Allen späteren Weltmeistern außer Bobby Fischer ist er begegnet und hat gegen die meisten selbst gespielt. So wird in den folgenden Bänden mehr von ihm selbst stehen. Ohne Kasparow geht es nämlich nicht.
STEFAN LÖFFLER
Besprochenes Buch: Garri Kasparow, Meine großen Vorkämpfer, Band 1: Wilhelm Steinitz / Emanuel Lasker. Die bedeutendsten Partien der Schachweltmeister, Edition Olms, Zürich, 246 Seiten, 29,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
FRANKFURT. Eigentlich sollte Garri Kasparow am vergangenen Freitag in Jalta gegen Ruslan Ponomarjow spielen. Doch sein junger ukrainischer Gegner hat den Vertrag nicht unterzeichnet. Erst als das Match um den WM-Titel des Internationalen Schachbundes (FIDE) abgesagt wurde, fiel manchem auf, wie wenig sich Kasparow während des Kriegs der Nerven zwischen Ponomarjow und den Funktionären zu Wort gemeldet hatte.
Der vierzig Jahre alte Russe hatte schlicht Besseres zu tun. Er rührte die Werbetrommel für seine vor wenigen Wochen eröffnete Buchreihe "Meine großen Vorkämpfer", eine monumentale Ideengeschichte des Spiels. "Mein wichtigster Beitrag zum Schach, seit ich 1985 Weltmeister wurde", tönt Kasparow. Seine Verleger sehen mit Freude, wie er sich in Interviews, beim Online-Chat und bei Autogrammstunden ins Zeug legte. Vertraglich verpflichtet war er dazu nicht. Leidenschaft für das, was er gerade tut, kennt man von Kasparow. Doch dieses Mal handelt es sich nicht um einen hochbezahlten Schaukampf, sondern um eine eher schlecht bezahlte Liebhaberei.
Drei Bände sollte die Reihe zunächst umfassen. Nun hat Kasparow noch einen vierten und fünften Band angekündigt. Er hat wohl festgestellt, daß es ohne ihn selbst nicht geht. Im ursprünglichen Konzept hätte mit Anatoli Karpow der ungeliebte Erzrivale am krönenden Ende gestanden. Darum hängt Kasparow eine ausführliche Analyse der aus seiner Sicht epochemachenden fünf WM-Kämpfe zwischen ihm und Karpow und zum Abschluß eine Auswahl eigener Glanzleistungen an. Aus dem Tribut an die Weltmeister vor ihm wird somit ein Denkmal, das er sich selbst setzt. Verglichen mit der Tiefe und Brillanz seiner eigenen Partien, werden seine "Vorkämpfer" mickrig wirken. Niemand hat Schach so viel weiter gebracht wie er. Niemand hat auf dem Brett so viele Ideen gefunden, die es wert sind, studiert zu werden. Seit bald zwei Jahrzehnten ist Kasparow fast ununterbrochen die Nummer eins, und das ist die Zeitspanne, in der sich das Spiel am stärksten entwickelt hat. Darum hat er durchaus das Recht, sich seine Anerkennung schreibend zu sichern. Aber hat er auch das Recht, seine Leser zu enttäuschen?
Unter den für den ersten Band ausgewählten Partien befindet sich kaum eine, die dem Kenner neu ist. Von einem Mann, der sich in historische Debatten eingemischt hat, hätte man einen Eingriff in den Kanon erwarten dürfen. Auch Kasparows Einschätzungen der Schachgrößen der Zeit bis 1946 und ihrer Beiträge zur Ideengeschichte unterscheiden sich wenig davon, was frühere Weltmeister wie Max Euwe oder Michail Botwinnik geschrieben hatten. Diese werden sogar in aller Länge zitiert. Dazu kommt ein Schwall an Anekdoten, die oft unbelegbar sind und mitunter schlicht ins Reich der Legende gehören.
Der Text ist durchzogen von ausgetretenen Sprachbildern, Formulierungen in Anführungszeichen und Auslassungspunkten. Daß in den Partieanalysen manches verbesserungswürdig ist, räumt Kasparow ein und ruft die Leser auf, Korrekturen zu schicken. Schwerer wiegt, daß übernommene Textstellen bestenfalls unzureichend und vielfach gar nicht belegt sind. Sein Ghostwriter Dimitri Plissetzki hat nicht nur ausformuliert und zusammengefaßt, was Kasparow auf Tonband sprach, sondern hat es ausgeschmückt, bis es fünfmal so lang war.
Aber noch ist Hoffnung, wie an den wenigen Stellen des ersten Bandes, die Kasparow erkennbar interessierten, zu spüren ist. Band eins sei ihm schwergefallen, so hat er im Internet mitgeteilt, weil er die Weltmeister bis zum 1946 gestorbenen Alexander Aljechin nicht persönlich gekannt hat. Allen späteren Weltmeistern außer Bobby Fischer ist er begegnet und hat gegen die meisten selbst gespielt. So wird in den folgenden Bänden mehr von ihm selbst stehen. Ohne Kasparow geht es nämlich nicht.
STEFAN LÖFFLER
Besprochenes Buch: Garri Kasparow, Meine großen Vorkämpfer, Band 1: Wilhelm Steinitz / Emanuel Lasker. Die bedeutendsten Partien der Schachweltmeister, Edition Olms, Zürich, 246 Seiten, 29,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main