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  • Verlag: Mann, Gebr.
  • ISBN-13: 9783786118558
  • Artikelnr.: 24951337
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.1996

Museen und andere Kinder
Manfred Ohlsen scheitert an Wilhelm von Bodes Leben und Werk

Das Erscheinen zum hundertfünfzigsten Geburtstag Wilhelm von Bodes (siehe F.A.Z. vom 9. Dezember 1995), der angesehene Verlag, in dem dieses Buch herausgekommen ist, und der Hauptförderer, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ließen zumindest auf eine solide Biographie Bodes hoffen, wenn nicht auf mehr. Doch Manfred Ohlsens Lebensbeschreibung der überragenden Figur des Berliner Museumswesens enttäuscht bereits nach wenigen Sätzen.

Da ist zunächst, läßt man kuriose Druckfehler wie das "Kupferstischkabinett" und Inkohärenzen zwischen Text und Register einmal außer acht, der reiche Bestand an sachlichen Schnitzern. Gustav Friedrich Waagen, Berlins erster bedeutender Museumsdirektor, etwa wird in Friedrich August umgetauft. Sein Vorgesetzter Ignaz Maria von Olfers soll 1854 ein neues Statut für die Museen durchgesetzt haben, "das sie unabhängiger von der Königlichen Kunstkommission machte, die bisher stark in sie hineinregiert hatte". Das ist eine ebenso verzerrende Darstellung der historischen Situation wie die Behauptung, von Olfers habe "viel für die Entwicklung" der Berliner Museen getan.

Diese letzte Formulierung zeigt zudem exemplarisch, wie fachliche Unsicherheit den Autor immer wieder zu sinnentleerten Platitüden greifen läßt. Es wimmelt in diesem Buch nur so von "namhaften Zeitgenossen", "reichen Kunstschätzen", "bedeutenden Gemälden" und "angesehenen Gelehrten", die in "schön gelegenen Orten" "etwas Positives bewirkt" haben - ohne daß man auch nur einmal erführe, was diese Gemälde denn so bedeutend, was den Gelehrten so angesehen macht. Die Phrasen offenbaren die Lücken, die sie eigentlich kaschieren wollen.

Auch von einer sinnvollen Einbettung Bodes in seine Zeit kann bei diesem Buch kaum einmal die Rede sein. Sekundärliteratur, zumal die zahlreichen jüngeren Forschungen über Sammeln und Sammler im Berlin des ausgehenden neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts, ist offenkundig überhaupt nicht konsultiert worden. Die großen strukturellen Veränderungen der Museen, die mit Bodes Amtszeit einhergehen, werden in diesem Band ebensowenig reflektiert wie seine schillernde Persönlichkeit.

Auch Ohlsens Bemerkungen über für Bode so zentrale Figuren wie Burckhardt, Morelli, Bardini oder Meier-Graefe wirken mehr als dürftig. Stefano Bardini etwa, für Jahrzehnte Bodes wichtigster italienischer Handelspartner und Anreger (siehe F.A.Z. vom 15. Juni), meint der Autor offenbar schon mit dem Hinweis ausreichend gewürdigt zu haben, daß dieser "sogar zum Helden eines Räuberromans avancierte".

Sobald es darum geht, kunsthistorische Ansätze, spektakuläre Ankäufe oder wissenschaftliche Kontroversen zu bewerten, referiert der Autor bloß oder flüchtet sich in Allgemeinplätze. Manfred Ohlsen versteht es nicht, sein Darstellungsobjekt und seine Zeit anschaulich werden zu lassen. Seine Worte sind vielmehr in ihrer Floskelhaftigkeit der biederen Sachbearbeiterprosa zuzuordnen, die leider nur unfreiwillige Komik zu entfalten vermag: "Bode hat das Kaiser-Friedrich-Museum dennoch als seine Lieblingstochter bezeichnet, was sicherlich nicht in Bezug zu seinen leiblichen Töchtern gemeint war."

Falls der Autor zur Vorbereitung tatsächlich einige der, um mit seinen Worten zu sprechen, "zahlreichen Aufsätze zu den verschiedensten Themen" von Bode gelesen haben sollte, so versteht er geschickt, dies zu verbergen. Nicht hinter dem Berg hält er, wie der Anmerkungsapparat belegt, hingegen mit seiner Hauptquelle: Bodes 1930 erschienener Autobiographie "Mein Leben". Immer und immer wieder werden diese mitunter selbstgefälligen Betrachtungen paraphrasiert und aufgebläht: Aus Bodes Hinweis, "das tägliche Kneipen widerstand mir schon physisch", macht Ohlsen den Satz: "Das ,tägliche Kneipen' empfand er als unangenehm, und es bekam ihm, wie er äußerte, schon ,physisch' nicht." Dreihundertvierzig Seiten wollen erst einmal gefüllt sein.

Auf der wissenschaftlichen Haben-Seite sind allein die Publikation von bislang unbekannten Briefen Richard Schönes und Julius Meyers an Bode zu verbuchen sowie andere, kleinere Berliner Archivfunde. Trotz aller Einwände bietet natürlich auch ein solches Buch Einblick in das Leben dieses großen, oft kränklichen, stets suchenden, mitunter heißspornigen Mannes. Aber man sollte wohl doch eher auf die für den Winter geplante kommentierte Neuausgabe von Bodes Autobiographie warten (mit dem bislang ungedruckten dritten Band). Und vielleicht bereitet diese Edition dann ja den Boden für die weiterhin überfällige intellektuelle Biographie Wilhelm von Bodes. FLORIAN ILLIES

Manfred Ohlsen: "Wilhelm von Bode - Zwischen Kaisermacht und Kunsttempel". Eine Biographie. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 1995. 340 Seiten, 22 Abb., 4 Farbtafeln, geb., 78,- DM.

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