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Drei sehr unterschiedliche Stationen prägten den Lebensweg Wilhelms von Ockham, der nach wie vor als einer der faszinierendsten Denker des Mittelalters gilt: seine Lehrtätigkeit als Theologe in Oxford, der Häresieprozess am päpstlichen Hof in Avignon und, nach seiner Flucht in das Franziskanerkloster München, seine fast zwanzigjährige Stellung als Berater Kaiser Ludwigs des Bayern. Volker Leppin erschließt Ockhams Biographie, indem er sie aus der inneren Entwicklung seiner theologischen, philosophischen und politischen Schriften rekonstruiert. Zugleich bettet er den Theoretiker Ockham stets in…mehr

Produktbeschreibung
Drei sehr unterschiedliche Stationen prägten den Lebensweg Wilhelms von Ockham, der nach wie vor als einer der faszinierendsten Denker des Mittelalters gilt: seine Lehrtätigkeit als Theologe in Oxford, der Häresieprozess am päpstlichen Hof in Avignon und, nach seiner Flucht in das Franziskanerkloster München, seine fast zwanzigjährige Stellung als Berater Kaiser Ludwigs des Bayern. Volker Leppin erschließt Ockhams Biographie, indem er sie aus der inneren Entwicklung seiner theologischen, philosophischen und politischen Schriften rekonstruiert. Zugleich bettet er den Theoretiker Ockham stets in die ihn bestimmenden sozialen und politischen Zusammenhänge - Universität, Kurie und Kaiserhof - ein. Dadurch gelingt es ihm nicht nur, Ockhams oftmals abstrakte Ideensysteme zu konkretisieren, allgemein verständlich darzustellen und gängige Deutungsmuster zu korrigieren, sondern auch ein lebendiges Bild von den geistigen Auseinandersetzungen im 14. Jahrhundert zu zeichnen. Illustrationen, eine ausführliche Auswahlbibliographie und ein Register runden die Gesamtdarstellung ab.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2003

Schließlich will ich ja nur begreifen, welchen Begriff man sich vom Begriff machen soll
Was Umberto Eco rosig antippt, buchstabiert diese gut lesbare Studie aus: Volker Leppin stellt uns Wilhelm von Ockham als einen Logiker der großen Fragen vor

Bislang konnte man sich nicht einmal des genauen Sterbejahres gewiß sein: War es das erste Jahr des Wütens des Schwarzen Todes 1348? Oder doch erst 1349? Mittlerweile jedoch kann der Text der (nicht mehr erhaltenen) Grabplatte als gesicherte Angabe übernommen werden: 9. (oder 10.) April 1347. Mit der großen Pest hatte das Ableben Williams von Ockham demnach nichts zu tun. Sein Fortleben in der Geistesgeschichte aber hängt, so meint zumindest Volker Leppin, auch mit einigen Mißverständnissen über die Schriften des Franziskaners zusammen, die er sich anschickt, in seinem neuen Werk über den Gelehrten aus einem kleinen Ort in Surrey zurechtzurücken.

Leppin, Theologe und seit drei Jahren Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Jena, betrachtet das letztlich Fragment gebliebene Opus seines mittelalterlichen Kollegen von der einleuchtenden Annahme her, daß dieser als Theologe dachte und schrieb, und stützt dies auf die nur in spärlichen Zügen zu rekonstruierende Biographie Williams.

Der Verfasser ist sicher einer der besten Kenner von Ockhams Werken, leitet er doch seit 1999 die Ockham-Forschungsstelle (einst Heidelberg, jetzt Jena), die, im Bereich der Kirchengeschichte angesiedelt, dem englischen Bettelmönch ihren Namen verdankt. Leppin verfügt über die Gabe, komplexe und bisweilen fast nur für Philosophen oder Theologen plausible Gedankengebilde und Fragestellungen in eine allgemein verständliche Sprache zu übersetzen. So ist der eng mit dem Wirken Williams von Ockham verbundene Universalienstreit zwischen Realisten und Nominalisten genannten Kontrahenten dem Leser spätestens seit Umberto Ecos "Der Name der Rose" zumindest als Schlagwort bekannt. In Leppins Buch wird nicht nur die geistesgeschichtliche Rolle des Nominalismus gut faßbar - Ockhams philosophischer Einfluß bis hin zu Leibniz und Kant -, sondern es wird auch der kirchengeschichtliche Zusammenhang mit anderen Theoriemodellen der Zeit verglichen.

Williams Vordenker Johannes Duns Scotus, seine Gegner wie der Kanzler der Universität Oxford Johannes Lutterell oder Papst Johannes XXII. und nicht zuletzt seine Gefährten wie der nach München zum Kaiser Ludwig geflüchtete Michael von Cesena kommen in Zitaten zu Wort (das lateinische Original ist fast immer als Fußnote beigefügt). Dies führt dazu, die Positionen Ockhams in einem Kontext zu verorten, der zu dem Schluß führen kann, den auch Volker Leppin zieht: William von Ockham war seiner Zeit nicht unbedingt voraus, wie gerne behauptet wird, er hat nur einen anderen als den zeitüblichen Aspekt der damaligen Theologie und Philosophie bearbeitet.

Seine Arbeit war der Logik gewidmet, und diesem Gebiet näherte er sich auf verschiedene Weise an. In seiner Vorlesungszeit in England behandelte er Aristoteles und versuchte die Logik rein aus der Sprache her aufzubauen. Auf diesen Vorlesungen, die in Williams Hauptwerk "Summe der Logik" gipfeln sollten, beruhte zum Teil die (dann urteilslose) Anklage wegen Häresie in Avignon. In seinen der Kategorie "Quodlibeta" (eine Reihe von Fragen und Antworten in dialogischer Form zu beliebigen, meist universitär angehauchten Problemstellungen) zugeteilten Schriften, die Leppin vorsichtig, aber überzeugend nicht vor Williams Zeit im Hausarrest in Avignon abgeschlossen sehen will (meist werden sie in seine englische Zeit datiert), entwickelt sich die Frage nach der Allmacht Gottes, die streng logisch nicht mehr begründbar scheint. Leppin meint dazu: "Für Gott hat Ockham dieses Bild eines absoluten Souveräns aufrechterhalten. Für den Papst sollte er es noch in erheblichem Maße revidieren."

Erst fünf Jahre nach seiner Flucht nach München (Ankunft 1330) lassen sich wieder größere Schriften aus seiner Feder nachweisen, und sein "Dialogus", schon in der Planung ein Ungetüm, bleibt unvollendet. (Die richtige Internetadresse dazu lautet übrigens, anders als im vorliegenden Band angegeben: http://www.britac.ac.uk/pubs/dialogus/ockdial.html.) In diesen Werken aus dem Exil am Kaiserhof leitet sich auch hauptsächlich die Beurteilung Williams von Ockham als modernen Denkers her, wurden doch die im Streit des Kaisers mit der Kurie entwickelten Thesen als Forderung nach einer Trennung von Staat und Kirche aufgefaßt. Doch wie so oft wird bei Fragen an mittelalterliche Werke das Problem gerne von seiner Lösung her betrachtet. Ockham hatte in einer konkreten Auseinandersetzung Partei ergriffen, dem päpstlichen Hof in Südfrankreich die Legitimität bestritten.

In der Kirchengeschichte wohlbewandert, scheint Leppin in der politischen oder der Mentalitätsgeschichte jener Zeit nicht immer gleichermaßen sattelfest. Die Sträuße, die das Papsttum in jener Zeit mit so ziemlich allen Königen und keineswegs nur mit dem Kaiser ausfocht, die wechselnden Bündnisse der Potentaten, streift er leider nur kurz. Zwar sind diese berechtigterweise vom Thema des Buches her nicht das vordringlichste Problem, man wünschte sich aber doch im Vergleich zu den zum Beispiel vorzüglichen Milieuschilderungen der Welt der Londoner Universität etwas mehr Sorgfalt.

Auch sollten Mutmaßungen über prophetische Anwandlungen der Zeitgenossen zu den militärischen Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich ab 1337, die in späterer Zeit Hundertjähriger Krieg genannt wurden, getrost unterbleiben. Aber das sind nur kleine Verstimmungen. Leppins Buch stellt einen überaus gewichtigen Beitrag zur Geistesgeschichte des vierzehnten Jahrhunderts dar.

MARTIN LHOTZKY

Volker Leppin: "Wilhelm von Ockham". Gelehrter, Streiter, Bettelmönch. Primus Verlag, Darmstadt 2003. 319 S., 5 Abb., geb., 29,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Biografien über mittelalterliche Menschen bieten nach Ansicht von Rezensent Michael Borgolte oft nicht mehr als die Neuordnung eines schon bekannten historischen Stoffes auf der Grundlage neuester Spezialforschung, nur wenige stellten die Frage nach dem Individuum im Mittelalter. Im Fall Wilhelms von Ockham, des Franziskanermönchs, Philosophen, Theologen und politischen Autors des 14. Jahrhunderts, ließe sich dies wegen der geringen Zahl an Selbst- und Fremdzeugnisse auch kaum realisieren, hält Borgolte fest. Als "mutigen Schritt" würdigt er daher Volker Leppins Methode, die Lebensstationen und das wechselnde Umfeld Ockhams mit dessen Arbeiten so zu korrelieren, "dass nicht nur die Verschiebungen der thematischen Schwerpunkte, sondern auch die Abbrüche und Umbrüche im Denkprozess sichtbar werden". Anders als Thomas von Aquin habe Ockham nicht mehr versucht, Harmonie zwischen philosophischen und theologischen Aussagen herzustellen, Metaphysik interessierte ihn kaum. Seine scharfsinnige Widerlegung von Thomas' Gottesbeweis bewerte Leppin als bloße "Fingerübung" des damals 30-jährigen Franziskaners. Borgolte hebt hervor, dass es Leppin gelingt, für manche Stelle des umfangreichen Werkes die "lebensweltlich bedingte Akzentsetzungen" Ockhams zu verdeutlichen. Dass die Kontinuität seines Denkens auf eine Persönlichkeit schließen lasse, die sich konsistent entwickelte, wie Leppin meint, hält Borgolte allerdings für nicht haltbar.

© Perlentaucher Medien GmbH
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