Spekulationen über den geheimnisvollen "Mr. W.H." in der Widmung zu Shakespeares Sonetten werden in einer Gruppe junger Dandys wie ein Ohrwurm weitergereicht: Wer sie gerade noch vehement vertreten hat, verliert das Interesse, sobald der nächste die "Staffel" mit Feuer und Flamme weiterträgt. Ausgangspunkt sind einige altbekannte, aber nicht zu belegende Theorien, daß Shakespeare an einen schönen Knabenschauspieler dachte, als er die Sonette schrieb. Und es wird mit allen Mitteln gestritten: ein Porträt wird gefälscht und sogar ein Selbstmord wird vorgetäuscht. Am Ende sind alle so klug wie zu Beginn. Die Hauptfigur erfreut sich noch gelegentlich des Jünglingsporträts: Die Fälschung hat als einziges "Bestand" in diesem geistreichen Kabinettstück. Da Shakespeares Sonette die wichtigste "Beweisquelle" darstellen, wird ausführlich daraus zitiert, was dem Leser das Vergnügen der Konfrontation zweier sehr unterschiedlicher Wortkünstler verschafft. Wildes elegante Formulierungen umf lattern die klassischen Verse, und man muß zugeben: sie halten dem Vergleich stand.
"Die beste - und Wilde liebste - der damals entstandenen Erzählungen ist The Portrait of Mr. W. H. Hier geht es verwirrend zu: Eine Theorie wird ausgebreitet, wieder verworfen, erneut entwickelt, wobei eine Geschichte sich in die andere fügt. Auch hier findet wieder ein Drahtseilakt zwischen Sein und Nichtsein statt. Nirgendwo sonst, allenfalls noch in The Importance of Being Earnest, ist es Wilde gelungen, eine so enge Verknüpfung von Sein und Schein herzustellen, eine Welt, die gewissermaßen durch eine Behauptung in Balance gehalten wird." (Richard Ellmann, Oscar-Wilde-Biografie) "... nicht nur ein Muss, sondern ein Labsal. (...) Ein Kabinettstückchen, das man mit Spaß liest." (gay-press.de)