Jenseits von Furor teutonicus und Pazifismus - Deutschlands Aufgaben in der EU und in der Welt.
Zwei Jahrzehnte ist das 21. Jahrhundert jetzt alt, und die Konturen einer neuen Welt(un)ordnung werden immer deutlicher erkennbar: der Aufstieg Chinas, die Verlagerung der weltpolitischen Achse hin zum Pazifik, eine zunehmend konfuse Weltmacht USA, die in den Nationalismus zurückfällt, eine frustrierte Nuklearmacht Russland, ein stagnierendes Europa ... Seit dem Abstieg der USA als globale Ordnungsmacht nach 1989 gibt es eine gefährliche neue Rivalität nuklearer Weltmächte, die jederzeit eskalieren kann: Korea, Hongkong, Kaschmir, Iran, Jemen, Syrien, Ukraine. Ein neues Wettrüsten. Handels- und Technologiekrisen. In dieser Situation wird die Transformation Europas in eine souveräne weltpolitische Macht zu einer entscheidenden Zukunftsfrage, die ohne einen selbstbewussten Beitrag und die volkswirtschaftlichen Ressourcen Deutschlands und Frankreichs nicht gelöst werden kann. Erkennt die deutsche Politik die Zeichen der Zeit?
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Zwei Jahrzehnte ist das 21. Jahrhundert jetzt alt, und die Konturen einer neuen Welt(un)ordnung werden immer deutlicher erkennbar: der Aufstieg Chinas, die Verlagerung der weltpolitischen Achse hin zum Pazifik, eine zunehmend konfuse Weltmacht USA, die in den Nationalismus zurückfällt, eine frustrierte Nuklearmacht Russland, ein stagnierendes Europa ... Seit dem Abstieg der USA als globale Ordnungsmacht nach 1989 gibt es eine gefährliche neue Rivalität nuklearer Weltmächte, die jederzeit eskalieren kann: Korea, Hongkong, Kaschmir, Iran, Jemen, Syrien, Ukraine. Ein neues Wettrüsten. Handels- und Technologiekrisen. In dieser Situation wird die Transformation Europas in eine souveräne weltpolitische Macht zu einer entscheidenden Zukunftsfrage, die ohne einen selbstbewussten Beitrag und die volkswirtschaftlichen Ressourcen Deutschlands und Frankreichs nicht gelöst werden kann. Erkennt die deutsche Politik die Zeichen der Zeit?
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»Sehr interessant für alle politisch Interessierten, die sich mit den komplexen Veränderungen der globalen Welt des 21. Jahrhunderts und ihren Herausforderungen für die westliche Demokratie auseinandersetzen wollen.« Wilfried Arnold Evangelisches Literaturportal 20200610
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2020Willkommen in der Weltunordnung
Joschka Fischer fühlt der Welt den Puls: Amerika, Europa und Asien im frühen 21. Jahrhundert
Joschka Fischer ist wieder da. Regelmäßig fühlt der ehemalige Außenminister der Welt den Puls. Seine Diagnose folgt dann in Buchform. An den Titeln und den damit verbundenen Thesen lässt sich sein jeweiliger Blick auch auf Deutschland ablesen. Dabei schien er bislang zwischen Alarmstimmung und Aufbruchstimmung zu schwanken - passend zu seiner jeweils aktuellen Rolle: Bezeichnete er Deutschland 1994 aus der Opposition gegen Helmut Kohl heraus als "Risiko", warb er bei seinem eigenen Regierungsantritt 1998 für einen "neuen Gesellschaftsvertrag".
Als Fischers Ministerzeit im Bund bereits 2005 wieder endete, legte er in den folgenden Jahren nicht nur seine politischen Erinnerungen vor, sondern flankierte sie davor und danach mit Berichten zur Lage von Europa, der Welt und nicht zuletzt der eigenen Nation. Da ging es zunächst um die "Rückkehr der Geschichte" nach dem 11. September 2001, dann um die Frage 2014, ob Europa scheitere, um schließlich 2018 zur Feststellung eines "Abstiegs des Westens" zu gelangen.
Rückblickend wirkt dies alles nicht besonders originell. Im Gegenteil: Titel wie Thesen Fischers bewegten sich in der Regel im Fahrwasser der vorherrschenden gesellschaftlichen und politischen Richtungen. Dennoch oder gerade deswegen gab es immer wieder Kritik an seinen Veröffentlichungen: Er bleibe an der Oberfläche. Was er schreibe, sei "weder falsch noch neu". Zwar plädiere er für eine neue Weltordnung, liefere für diese aber nicht einmal eine Skizze, geschweige denn "detaillierte alternative Strategien". Es handele sich um "theoretisierende Betrachtungen", die auch noch "riskant unpräzise" seien. Man vermisste die "analytische Tiefe und den stilistischen Witz eines Henry Kissinger". Das Fazit bei Fischer bleibe "blass" und "wenig konkret".
Zugleich wurden ihm "Übungen in Apokalyptik" unterstellt - "allzu alarmistisch, populistisch verkürzend und dabei begrifflich ungenau", mit Zuspitzungen, die ein verzerrtes Bild entstehen lassen würden. Hinzu kam der Vorwurf, dass Fischer nach seiner Analyse der nationalistischen Tendenzen ab 2016 kein Gegengift wisse und Themen wie Digitalisierung, Kommunikation und Polarisierung der Gesellschaft stiefmütterlich behandele.
Und nun? Liefert Fischer in seinem neuen Buch endlich einen Plan, eine Anleitung für einen neuen Weg, ja eine neue Ordnung? Oder bewegt er sich auch hier im Mainstream einer - gerade in Deutschland - mit Händen zu greifenden Ratlosigkeit, wohin man mit sich selbst, geschweige denn mit dem Westen will?
Zunächst erscheint dieses Mal seine Analyse der aktuellen Lage in manchen Teilen durchaus treffend: Da sind zum einen der Aufstieg Chinas und die Verlagerung der weltpolitischen Zentralachse weg vom Nordatlantik hin zum Pazifik und Ostasien. Da sind zum anderen zahlreiche Konflikte entlang der eurasischen Hauptachse zwischen Pazifik und Europa. Und sicherlich liegt man nicht vollkommen daneben, wenn man Russland als "frustrierte und ökonomisch ineffiziente nukleare Weltmacht" beschreibt - und Europa als "stagnierend".
Doch die Vereinigten Staaten als eine "zunehmend konfuse Weltmacht" wahrzunehmen, die einerseits die Lasten globaler Führung nicht mehr tragen wolle und schon gar nicht die einer globalen Ordnungsmacht, andererseits aber an der Führungsrolle unter nationalistischen Vorzeichen festhalte, folgt einem in Deutschland derzeit beliebten Blick auf Amerika, der allerdings weder den Verlauf der amerikanischen Geschichte noch die gegenwärtige transatlantische Faktenlage ausreichend berücksichtigt.
In Amerika hat es immer wieder eine politische Stimmung gegeben, die eine Reduzierung des Engagements in Übersee zur Folge hatte. Der Unterschied von früher zu heute ist, dass diese Reduzierungen einst viel drastischer ausfielen: Nach dem siegreichen Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten verkaufte der Kontinentalkongress die Schiffe der Marine und entließ die Seeleute und Offiziere. Nach dem Ersten Weltkrieg, in den die Amerikaner widerwillig und spät eingetreten waren, wurde die National Army aufgelöst, alle Beförderungen der Jahre 1917 bis 1920 rückgängig gemacht. Das Heer schrumpfte auf die Größe der belgischen Armee. Amerikas Soldaten wurden aus Europa abgezogen. Isolationismus und Pazifismus dominierten die Innenpolitik. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg, in den die Amerikaner erst nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor und Hitlers Kriegserklärung eingetreten waren, war die unmittelbare Nachkriegspolitik von Demobilisierung geprägt - was dann zu empfindlichen militärischen Rückschlägen im Koreakrieg führte.
Vor diesem Hintergrund fragt man sich, mit welchem Vokabular deutsche Kommentatoren wie Fischer Trump bedenken würden, wenn sich der heutige amerikanische Präsident ähnlich konsequent wie seine Vorgänger verhielte. Die Nato wäre sicher bereits Geschichte. Stattdessen wollte Trump ursprünglich in diesen Tagen die größte Verlegeübung von amerikanischen Truppen über den Atlantik seit 25 Jahren durchführen und damit eine transatlantische Tradition wiederbeleben, die seine Vorgänger aufgegeben hatten.
Ob sich also aus der gegenwärtigen Gemengelage bereits die "konkreten Konturen" einer neuen Weltordnung ableiten lassen, wie Fischer schlussfolgert, dürfte zu bezweifeln sein. Was er beschreibt, ist keine Ordnung, sondern eine Unordnung, bestenfalls der Übergang zu einer neuen Ordnung.
Umso mehr erscheint hingegen Fischers grundsätzliches Plädoyer für eine Transformation Europas in eine souveräne weltpolitische Macht gerechtfertigt. Er knüpft hier an seine Überlegungen von 2014 an. Für eine negative Antwort auf seine damalige Frage "Scheitert Europa?" machte er - wie heute - zur Bedingung, dass Deutschland als Zentralmacht seiner europäischen Berufung verpflichtet bleibe und seine wirtschaftliche Stärke gemeinsam mit Frankreich zugunsten der europäischen Integration einsetze.
Fischer ist also wieder da. Die - berechtigte - Kritik an so mancher Passage auch seines neuen Buchs dürfte folgen. Die Geschichte geht auch hier weiter - nicht nur in der Realität des 21. Jahrhunderts, sondern ebenso in der Reflexion ihrer Reflexion.
THOMAS SPECKMANN.
Joschka Fischer: Willkommen im 21. Jahrhundert. Europas Aufbruch und die deutsche Verantwortung.
Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2020. 208 S., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Joschka Fischer fühlt der Welt den Puls: Amerika, Europa und Asien im frühen 21. Jahrhundert
Joschka Fischer ist wieder da. Regelmäßig fühlt der ehemalige Außenminister der Welt den Puls. Seine Diagnose folgt dann in Buchform. An den Titeln und den damit verbundenen Thesen lässt sich sein jeweiliger Blick auch auf Deutschland ablesen. Dabei schien er bislang zwischen Alarmstimmung und Aufbruchstimmung zu schwanken - passend zu seiner jeweils aktuellen Rolle: Bezeichnete er Deutschland 1994 aus der Opposition gegen Helmut Kohl heraus als "Risiko", warb er bei seinem eigenen Regierungsantritt 1998 für einen "neuen Gesellschaftsvertrag".
Als Fischers Ministerzeit im Bund bereits 2005 wieder endete, legte er in den folgenden Jahren nicht nur seine politischen Erinnerungen vor, sondern flankierte sie davor und danach mit Berichten zur Lage von Europa, der Welt und nicht zuletzt der eigenen Nation. Da ging es zunächst um die "Rückkehr der Geschichte" nach dem 11. September 2001, dann um die Frage 2014, ob Europa scheitere, um schließlich 2018 zur Feststellung eines "Abstiegs des Westens" zu gelangen.
Rückblickend wirkt dies alles nicht besonders originell. Im Gegenteil: Titel wie Thesen Fischers bewegten sich in der Regel im Fahrwasser der vorherrschenden gesellschaftlichen und politischen Richtungen. Dennoch oder gerade deswegen gab es immer wieder Kritik an seinen Veröffentlichungen: Er bleibe an der Oberfläche. Was er schreibe, sei "weder falsch noch neu". Zwar plädiere er für eine neue Weltordnung, liefere für diese aber nicht einmal eine Skizze, geschweige denn "detaillierte alternative Strategien". Es handele sich um "theoretisierende Betrachtungen", die auch noch "riskant unpräzise" seien. Man vermisste die "analytische Tiefe und den stilistischen Witz eines Henry Kissinger". Das Fazit bei Fischer bleibe "blass" und "wenig konkret".
Zugleich wurden ihm "Übungen in Apokalyptik" unterstellt - "allzu alarmistisch, populistisch verkürzend und dabei begrifflich ungenau", mit Zuspitzungen, die ein verzerrtes Bild entstehen lassen würden. Hinzu kam der Vorwurf, dass Fischer nach seiner Analyse der nationalistischen Tendenzen ab 2016 kein Gegengift wisse und Themen wie Digitalisierung, Kommunikation und Polarisierung der Gesellschaft stiefmütterlich behandele.
Und nun? Liefert Fischer in seinem neuen Buch endlich einen Plan, eine Anleitung für einen neuen Weg, ja eine neue Ordnung? Oder bewegt er sich auch hier im Mainstream einer - gerade in Deutschland - mit Händen zu greifenden Ratlosigkeit, wohin man mit sich selbst, geschweige denn mit dem Westen will?
Zunächst erscheint dieses Mal seine Analyse der aktuellen Lage in manchen Teilen durchaus treffend: Da sind zum einen der Aufstieg Chinas und die Verlagerung der weltpolitischen Zentralachse weg vom Nordatlantik hin zum Pazifik und Ostasien. Da sind zum anderen zahlreiche Konflikte entlang der eurasischen Hauptachse zwischen Pazifik und Europa. Und sicherlich liegt man nicht vollkommen daneben, wenn man Russland als "frustrierte und ökonomisch ineffiziente nukleare Weltmacht" beschreibt - und Europa als "stagnierend".
Doch die Vereinigten Staaten als eine "zunehmend konfuse Weltmacht" wahrzunehmen, die einerseits die Lasten globaler Führung nicht mehr tragen wolle und schon gar nicht die einer globalen Ordnungsmacht, andererseits aber an der Führungsrolle unter nationalistischen Vorzeichen festhalte, folgt einem in Deutschland derzeit beliebten Blick auf Amerika, der allerdings weder den Verlauf der amerikanischen Geschichte noch die gegenwärtige transatlantische Faktenlage ausreichend berücksichtigt.
In Amerika hat es immer wieder eine politische Stimmung gegeben, die eine Reduzierung des Engagements in Übersee zur Folge hatte. Der Unterschied von früher zu heute ist, dass diese Reduzierungen einst viel drastischer ausfielen: Nach dem siegreichen Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten verkaufte der Kontinentalkongress die Schiffe der Marine und entließ die Seeleute und Offiziere. Nach dem Ersten Weltkrieg, in den die Amerikaner widerwillig und spät eingetreten waren, wurde die National Army aufgelöst, alle Beförderungen der Jahre 1917 bis 1920 rückgängig gemacht. Das Heer schrumpfte auf die Größe der belgischen Armee. Amerikas Soldaten wurden aus Europa abgezogen. Isolationismus und Pazifismus dominierten die Innenpolitik. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg, in den die Amerikaner erst nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor und Hitlers Kriegserklärung eingetreten waren, war die unmittelbare Nachkriegspolitik von Demobilisierung geprägt - was dann zu empfindlichen militärischen Rückschlägen im Koreakrieg führte.
Vor diesem Hintergrund fragt man sich, mit welchem Vokabular deutsche Kommentatoren wie Fischer Trump bedenken würden, wenn sich der heutige amerikanische Präsident ähnlich konsequent wie seine Vorgänger verhielte. Die Nato wäre sicher bereits Geschichte. Stattdessen wollte Trump ursprünglich in diesen Tagen die größte Verlegeübung von amerikanischen Truppen über den Atlantik seit 25 Jahren durchführen und damit eine transatlantische Tradition wiederbeleben, die seine Vorgänger aufgegeben hatten.
Ob sich also aus der gegenwärtigen Gemengelage bereits die "konkreten Konturen" einer neuen Weltordnung ableiten lassen, wie Fischer schlussfolgert, dürfte zu bezweifeln sein. Was er beschreibt, ist keine Ordnung, sondern eine Unordnung, bestenfalls der Übergang zu einer neuen Ordnung.
Umso mehr erscheint hingegen Fischers grundsätzliches Plädoyer für eine Transformation Europas in eine souveräne weltpolitische Macht gerechtfertigt. Er knüpft hier an seine Überlegungen von 2014 an. Für eine negative Antwort auf seine damalige Frage "Scheitert Europa?" machte er - wie heute - zur Bedingung, dass Deutschland als Zentralmacht seiner europäischen Berufung verpflichtet bleibe und seine wirtschaftliche Stärke gemeinsam mit Frankreich zugunsten der europäischen Integration einsetze.
Fischer ist also wieder da. Die - berechtigte - Kritik an so mancher Passage auch seines neuen Buchs dürfte folgen. Die Geschichte geht auch hier weiter - nicht nur in der Realität des 21. Jahrhunderts, sondern ebenso in der Reflexion ihrer Reflexion.
THOMAS SPECKMANN.
Joschka Fischer: Willkommen im 21. Jahrhundert. Europas Aufbruch und die deutsche Verantwortung.
Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2020. 208 S., 20,- [Euro].
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