Der Verein Donne Nissà Frauen wird 1995 von einer Gruppe italienischer und ausländischer Frauen gegründet, als die Zuwanderungsdebatte in Italien gerade erst Fahrt aufnimmt. Da es in der Diskussion hauptsächlich um Männer geht, bleiben zugewanderte Frauen jedoch unsichtbar - und sind es trotz vieler Veränderungen bis heute.Nicht nur in Südtirol und Italien, sondern in ganz Europa erleben wir gerade einen tiefgreifenden kulturellen, gesellschaftlichen und demografischen Wandel: Migrantinnen und Migranten sind inzwischen von struktureller Bedeutung. Gleichzeitig führt die enorme Vielfalt der ausländischen Bevölkerung uns immer wieder vor Augen, dass unser gesellschaftliches Gefüge immer komplexer wird. Der Begriff der Migration ist schwer zu definieren und gleich mehrfach doppeldeutig.Anhand der Geschichte von Nissà, seiner Projekte und Initiativen lassen sich die verschiedenen Bedeutungen und Auslegungen von Migration sowie die Dienste und Maßnahmen, die sich in Südtirol daraus ergeben haben, nachzeichnen und reflektieren. Während das interkulturelle Angebot heute freilich größer ist als vor 25 Jahren, als es noch (fast) überhaupt nichts in diese Richtung gab, fehlt doch eine rückblickende Bilanz der Erfahrungen und Praktiken der letzten Jahre sowie eine kritische Beleuchtung wichtiger Fragen: Welches Angebot wird Migrantinnen gemacht? An welche Zielgruppe richtet sich dieses Angebot konkret? Und inwiefern haben institutionelle und gesellschaftliche Faktoren die Entwicklung dieses Angebots beeinflusst?Geschlechterspezifische und interkulturelle Fragen sind der rote Faden, der sich durch die Arbeit von Nissà zieht. Sie prägen die einzigartigen Lebenserfahrungen der Frauen vor Ort und erzählen eine Geschichte, die es sich zu dokumentieren lohnt. Mit der Aufzeichnung wollen wir auch einen Anstoß liefern, über Bürgerengagement, soziokulturelle Integration und das Empowerment von Migrantinnen nachzudenken. Denn nur wenn wir uns an Vergangenes erinnern, können wir unsere Zukunft entwerfen. Anstatt die Ereignisse der Vergangenheit nur nüchtern abzuspulen, ist es dabei allerdings wichtig, auch Krisen und Konflikte zu thematisieren.Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil blickt auf die 25-jährige Geschichte des Vereins zurück. Da es aus Platzgründen nicht möglich war, alle Projekte und Initiativen von Nissà aufzuführen, werden stattdessen die wichtigsten Leitlinien der Vereinstätigkeit skizziert. Im zweiten Teil wird der Blick aufs Heute und die aktuellen Projekte, Erfahrungen und Angebote für Migrantinnen gelenkt.In den einzelnen Abschnitten finden sich immer wieder Stimmen beteiligter Frauen. In Interviews, Sprachnachrichten oder über andere Wege, die in Zeiten von Corona eine spontane Kommunikation ermöglichen, erzählen sie von persönlichen Erfahrungen, Herausforderungen und Erfolgen. Alle Erzählungen wurden überprüft und von den Betroffenen freigegeben. Dadurch soll die Geschichte von Nissà möglichst gemeinschaftlich und mit Bezug zur Gegenwart erzählt werden. Dennoch kann so eine Erzählung nie vollständig sein: Einzelne Stimmen, Personen und Blickwinkel fehlen und genau wie unsere Schlussgedanken sind auch diese Schilderungen nichts weiter als eine Momentaufnahme. Stilistisch ist so ein Potpourri entstanden - um die Spontaneität der Erzählungen zu erhalten, war das allerdings unvermeidbar und sogar gewollt.Immer wieder finden sich auch Zitate, die unsere Überlegungen und Auseinandersetzungen mit bestimmten Themen begleitet haben und dadurch fester Bestandteil davon wurden.
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