Willy Haas ist bis heute bekannt als Herausgeber der "Literarischen Welt" in den 20er Jahren - seine Arbeit für die "Welt" nach der Rückkehr aus dem indischen Exil 1946 wurde bislang von der Forschung weitgehend ignoriert. Das Buch geht dem herrschenden Vorurteil auf den Grund, Haas habe in der Nachkriegszeit kaum noch Einfluss auf Literatur und Journalismus genommen. Zahlreiche Weggefährten kommen zu Wort: Unter anderen Marcel Reich-Ranicki, Ernst Cramer sowie Joachim Kaiser, außerdem die Neugründer der "Literarischen Welt" 1998 im Axel Springer Verlag: Mathias Döpfner, Thomas Schmid und Tilman Krause.Anschaulich nachgezeichnet wird die Geschichte der "Welt" in ihren Anfängen als von den Briten in Hamburg gegründete Zonenzeitung sowie die Arbeit der Feuilletonredaktion. Für sie war Haas tätig als Autor, Controller mit einer Art Aufsichtsfunktion über die Inhalte, und schließlich als Redakteur. Als Urgestein des Literaturbetriebs förderte er Schriftsteller wie Siegfried Lenz und war vielen, etwa Friedrich Luft, ein Vorbild. In seinen Texten - alle seiner zwischen 1946 und 1973 im "Welt"-Feuilleton erschienen Artikel wurden bibliographisch erfasst - kämpfte Haas gegen die Bequemlichkeiten des Wirtschaftswunderlandes Deutschland und für eine offene Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Seine Lieblingsgattungen waren der Kommentar, die Glosse, die Kritik: Im Kant'schen Sinne provokative Aufrufe, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Diffuse Harmonie war ihm ein Gräuel. Auch eine Zeitung, schrieb er 1962 in einem Jubiläumsband der "Welt" Axel Springer ins Stammbuch, sei nur lebendig, wenn sie sich "echte Freunde und absolute Feinde" mache. Springer hat sich das zu Herzen genommen.Die AutorinChristina Prüver ist Fernsehredakteurin bei Sat.1 und N24 in München. Sie studierte in Leipzig, Padua und München Neuere Deutsche Literatur und promovierte mit der vorliegenden Arbeit 2007 an der Humboldt Universität Berlin