Tennis - ein Spiel schreibt Geschichte.Dieses Buch erklärt, wie das gelang. Es erzählt, wie dieser Sport im London der 1870er-Jahre modernisiert, normiert und marktfähig wurde. Zugleich zeigt es am Beispiel der Residenz und Kurstadt (Bad) Homburg v. d. H. auf, wie schnell die neue Sportart overseas ging und auch an solch neuem Ort heimisch wurde. Die Geschichte des modernen Tennis - ein frühes Beispiel für Globalisierung.Das Buch erscheint anlässlich der "Bad Homburg Open 2024", der nun schon vierten Auflage des neuen Top-Turniers der WTA für Damen-Tennis. Wimbledon - Bad Homburg auf's neue also. Wie es dazu kam? Lesen Sie selbst! Mit Beiträgen von Turnierbotschafterin Angelique Kerber, Oberbürgermeister Alexander W. Hetjes, Kurdirektor Holger Reuter und dem Historiker Benedikt Stuchtey. Zeitgenössische und aktuelle Abbildungen runden dieses einzigartige Buch ab.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2024Ballwechsel mit Wimbledon
Von Florentine Fritzen
Es sind knapp 100 Seiten, auf denen ein Historiker, ein Kurdirektor und eine Grand-Slam-Siegerin auf 150 Jahre Spitzentennis in Bad Homburg zurückblicken. Eigentlich aber nur knapp 50 Seiten, weil die eine Hälfte des Bandes "Wimbledon - Bad Homburg return" auf Deutsch verfasst ist und die englische Übersetzung die andere Hälfte füllt. So können auch internationale Spielerinnen etwas mit dem Büchlein anfangen, wenn sie es überreicht bekommen. Es erscheint an diesem Donnerstag, also zwei Tage vor dem Beginn der Bad Homburg Open.
Das Damenturnier gibt es seit 2021. Aber Tennis hat in der Kurstadt eine viel längere Tradition, auch für Frauen, wie Benedikt Stuchtey von der Universität Marburg schreibt. Ebenfalls erzählenswert ist die kurze Geschichte der Bad Homburg Open. Das Turnier wirbt mit seinem Boutique-Charakter und bringt sich gleichzeitig in enge Verbindung mit dem Vorbild Wimbledon - als offizielles Vorbereitungsturnier für die Wettkämpfe auf dem englischen Rasen. Auch die dort traditionell gereichten Erdbeeren dürfen in Bad Homburg nicht fehlen.
Den Part, über die neueste Geschichte des Tennis in der Stadt zu plaudern, übernimmt Kurdirektor Holger Reuter, befragt von Franka Diesing und Albrecht von Kalnein von der Werner Reimers Stiftung. Die gibt den im Verlag Henrich Editionen erschienenen Band heraus, und sie stellt alljährlich einen Teil ihres Gartens für die Turnierlogistik zur Verfügung. "Lieber Herr Reuter", so fragen also die Stiftungsleute, "wie kam es eigentlich zu der verwegenen Idee, Wimbledon wieder nach Bad Homburg zu holen?" Und Reuter berichtet. Im Frühling 2019 hätten die Tennisfunktionäre Dirk Hordorff, Matthias Müller und Markus Günthardt Oberbürgermeister Alexander Hetjes vorgeschlagen, Bad Homburg möge sich um ein Turnier im Weltformat bewerben. Zeitlich zwischen French Open und Wimbledon. Die Vereinigung der Profispielerinnen WTA habe eine Lizenz angeboten.
Es folgte ein prüfender Besuch im Kurpark, wobei ein Entscheider laut Kurdirektor den Finger in die Erde steckte und eher "für sich und mit leiser Stimme" sagte: "Okay, der Boden könnte passen." Als sich Kommunal- und Landespolitik, Tennis-Club und Denkmalamt für das Vorhaben ausgesprochen hatten und die Lizenz im Herbst 2019 errungen war, nahm der Plan Gestalt an - und drohte sich wegen der Corona-Pandemie schon wieder zu verflüchtigen. 2020 gab es statt eines echten Turniers ein Schau-Doppel mit vier Profis, und die Pfarrer von St. Marien und der Erlöserkirche weihten den Centre Court. Dann fand 2021 das erste Turnier unter Covid-Bedingungen mit 600 statt 3000 Besuchern statt. 2022 und 2023 waren die Plätze laut Kurdirektor an jeweils sechs von sieben Tagen ausverkauft.
Der Historiker Stuchtey beschreibt den einstigen Kulturtransfer der englischen Sportart ins traditionell turnbegeisterte Deutschland und speziell in die Kurstadt, die auch viele englische Adelige und Schriftsteller schätzten. Eine Zeitschrift notierte 1876, der Modesport raube den Kurärzten die Patienten. Auch Frauen spielten, anfangs mit Hut und Korsett, was die Debatte um elegante oder praktische Kleidung im Sport befeuert haben dürfte. Bei der Tenniskluft setzten sich allmählich die Vernunft wie die Farbe Weiß durch.
In Homburg, wie die Stadt bis 1912 noch hieß, gründete sich schon 1876 der erste Tennisverein auf dem europäischen Festland. Von 1894 an fanden dort internationale Rasenturniere statt. Das Preisgeld war höher, das Wetter milder als in England - und dann erschien es auch noch gar nicht unwahrscheinlich, am Rand der Plätze europäische Hochadelige zu treffen. So zog das Städtchen viele bekannte Spieler an, aus England und anderen Ländern. Schirmherrin der ersten Homburger Lawn-Tennis-Turniere war übrigens die Kaiserin Friedrich, Tochter der britischen Königin Victoria.
Sogar der rote Platzbelag aus Ziegelmehl ist eine Homburger Erfindung. Wenn die Spielerinnen sich von Samstag an wieder im Taunus auf das wichtige Turnier direkt im Anschluss vorbereiten, geschieht das aber auf eigens ausgesätem Wimbledon-Rasen. Und auf dem für passend befundenen Boden des Kurparks.
Mit diesem Jahr sind die Bad Homburg Open in die Kategorie eines WTA-500-Turniers aufgestiegen. Vom 22. bis 29. Juni kommen wieder viele deutsche und internationale Tennisgrößen in die Stadt. Eine davon ist Angelique Kerber, die Turnierbotschafterin. Ihr Beitrag ist zwei Seiten kurz und handelt von einem Kreis, der sich schließe. 1874 wurden zum ersten Mal Tennisschläger und Bälle aus England in ein Hotel an der Louisenstraße geliefert, auf Wunsch des Kurgasts Lord Petersham, der im Taunus nicht auf seinen Lieblingssport verzichten wollte. Heute herrsche wieder Wimbledon-Flair im Kurpark - samt "Festival- und Boutiquecharakter", schreibt Kerber.
Denn nicht nur klein, aber fein wollen die Bad Homburg Open sein, sondern auch spaßig. Das Begleitprogramm von Stadt, Vereinen, Veranstalter und Sponsoren rund um die Plätze bietet Food Trucks und einen Minitennisplatz für alle, ein vermutlich verlustreiches Match des Oberbürgermeisters gegen eine Spitzenspielerin, Konzerte, Stände, Glücksraddrehen. Wie es bei den Bad Homburg Open inzwischen Tradition ist.
Der Band "Wimbledon - Bad Homburg return. 150 Jahre Spitzentennis am Taunus", herausgegeben von der Werner Reimers Stiftung, erscheint am 20. Juni im Frankfurter Verlag Henrich Editionen und kostet 15 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Von Florentine Fritzen
Es sind knapp 100 Seiten, auf denen ein Historiker, ein Kurdirektor und eine Grand-Slam-Siegerin auf 150 Jahre Spitzentennis in Bad Homburg zurückblicken. Eigentlich aber nur knapp 50 Seiten, weil die eine Hälfte des Bandes "Wimbledon - Bad Homburg return" auf Deutsch verfasst ist und die englische Übersetzung die andere Hälfte füllt. So können auch internationale Spielerinnen etwas mit dem Büchlein anfangen, wenn sie es überreicht bekommen. Es erscheint an diesem Donnerstag, also zwei Tage vor dem Beginn der Bad Homburg Open.
Das Damenturnier gibt es seit 2021. Aber Tennis hat in der Kurstadt eine viel längere Tradition, auch für Frauen, wie Benedikt Stuchtey von der Universität Marburg schreibt. Ebenfalls erzählenswert ist die kurze Geschichte der Bad Homburg Open. Das Turnier wirbt mit seinem Boutique-Charakter und bringt sich gleichzeitig in enge Verbindung mit dem Vorbild Wimbledon - als offizielles Vorbereitungsturnier für die Wettkämpfe auf dem englischen Rasen. Auch die dort traditionell gereichten Erdbeeren dürfen in Bad Homburg nicht fehlen.
Den Part, über die neueste Geschichte des Tennis in der Stadt zu plaudern, übernimmt Kurdirektor Holger Reuter, befragt von Franka Diesing und Albrecht von Kalnein von der Werner Reimers Stiftung. Die gibt den im Verlag Henrich Editionen erschienenen Band heraus, und sie stellt alljährlich einen Teil ihres Gartens für die Turnierlogistik zur Verfügung. "Lieber Herr Reuter", so fragen also die Stiftungsleute, "wie kam es eigentlich zu der verwegenen Idee, Wimbledon wieder nach Bad Homburg zu holen?" Und Reuter berichtet. Im Frühling 2019 hätten die Tennisfunktionäre Dirk Hordorff, Matthias Müller und Markus Günthardt Oberbürgermeister Alexander Hetjes vorgeschlagen, Bad Homburg möge sich um ein Turnier im Weltformat bewerben. Zeitlich zwischen French Open und Wimbledon. Die Vereinigung der Profispielerinnen WTA habe eine Lizenz angeboten.
Es folgte ein prüfender Besuch im Kurpark, wobei ein Entscheider laut Kurdirektor den Finger in die Erde steckte und eher "für sich und mit leiser Stimme" sagte: "Okay, der Boden könnte passen." Als sich Kommunal- und Landespolitik, Tennis-Club und Denkmalamt für das Vorhaben ausgesprochen hatten und die Lizenz im Herbst 2019 errungen war, nahm der Plan Gestalt an - und drohte sich wegen der Corona-Pandemie schon wieder zu verflüchtigen. 2020 gab es statt eines echten Turniers ein Schau-Doppel mit vier Profis, und die Pfarrer von St. Marien und der Erlöserkirche weihten den Centre Court. Dann fand 2021 das erste Turnier unter Covid-Bedingungen mit 600 statt 3000 Besuchern statt. 2022 und 2023 waren die Plätze laut Kurdirektor an jeweils sechs von sieben Tagen ausverkauft.
Der Historiker Stuchtey beschreibt den einstigen Kulturtransfer der englischen Sportart ins traditionell turnbegeisterte Deutschland und speziell in die Kurstadt, die auch viele englische Adelige und Schriftsteller schätzten. Eine Zeitschrift notierte 1876, der Modesport raube den Kurärzten die Patienten. Auch Frauen spielten, anfangs mit Hut und Korsett, was die Debatte um elegante oder praktische Kleidung im Sport befeuert haben dürfte. Bei der Tenniskluft setzten sich allmählich die Vernunft wie die Farbe Weiß durch.
In Homburg, wie die Stadt bis 1912 noch hieß, gründete sich schon 1876 der erste Tennisverein auf dem europäischen Festland. Von 1894 an fanden dort internationale Rasenturniere statt. Das Preisgeld war höher, das Wetter milder als in England - und dann erschien es auch noch gar nicht unwahrscheinlich, am Rand der Plätze europäische Hochadelige zu treffen. So zog das Städtchen viele bekannte Spieler an, aus England und anderen Ländern. Schirmherrin der ersten Homburger Lawn-Tennis-Turniere war übrigens die Kaiserin Friedrich, Tochter der britischen Königin Victoria.
Sogar der rote Platzbelag aus Ziegelmehl ist eine Homburger Erfindung. Wenn die Spielerinnen sich von Samstag an wieder im Taunus auf das wichtige Turnier direkt im Anschluss vorbereiten, geschieht das aber auf eigens ausgesätem Wimbledon-Rasen. Und auf dem für passend befundenen Boden des Kurparks.
Mit diesem Jahr sind die Bad Homburg Open in die Kategorie eines WTA-500-Turniers aufgestiegen. Vom 22. bis 29. Juni kommen wieder viele deutsche und internationale Tennisgrößen in die Stadt. Eine davon ist Angelique Kerber, die Turnierbotschafterin. Ihr Beitrag ist zwei Seiten kurz und handelt von einem Kreis, der sich schließe. 1874 wurden zum ersten Mal Tennisschläger und Bälle aus England in ein Hotel an der Louisenstraße geliefert, auf Wunsch des Kurgasts Lord Petersham, der im Taunus nicht auf seinen Lieblingssport verzichten wollte. Heute herrsche wieder Wimbledon-Flair im Kurpark - samt "Festival- und Boutiquecharakter", schreibt Kerber.
Denn nicht nur klein, aber fein wollen die Bad Homburg Open sein, sondern auch spaßig. Das Begleitprogramm von Stadt, Vereinen, Veranstalter und Sponsoren rund um die Plätze bietet Food Trucks und einen Minitennisplatz für alle, ein vermutlich verlustreiches Match des Oberbürgermeisters gegen eine Spitzenspielerin, Konzerte, Stände, Glücksraddrehen. Wie es bei den Bad Homburg Open inzwischen Tradition ist.
Der Band "Wimbledon - Bad Homburg return. 150 Jahre Spitzentennis am Taunus", herausgegeben von der Werner Reimers Stiftung, erscheint am 20. Juni im Frankfurter Verlag Henrich Editionen und kostet 15 Euro.
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